Seewölfe - Piraten der Weltmeere 150. Fred McMason
Impressum
© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
ISBN: 978-3-95439-474-6
Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Inhalt
1.
In den Gesichtern der Seewölfe malte sich immer noch ungläubiges Staunen ab, als sie in den Hafen von Plymouth einliefen und das Schiff an der Pier sahen.
Dieses Schiff war die ehemalige zweimastige Karavelle „Isabella VII.“, ihr Schiff, das sie dem alten Hesekiel Ramsgate verkauft hatten.
Blutrot prangte der Name am Bug. „Le Vengeur“, der Rächer, wie Jean Ribault und Karl von Hutten es getauft hatten.
Niemand hatte mit diesem Anblick gerechnet, auch der Seewolf nicht, der auf dem Achterkastell der schlanken Galeone stand, und den beim Anblick des Schiffes ein freudiger Schreck durchfuhr.
„Ribault“, sagte er leise, „unser alter Kampfgefährte.“
Was er noch sagen wollte, ging in einem ohrenbetäubenden Gebrüll unter, denn jetzt rissen die Männer in der Kuhl und auf dem Vordeck die Arme hoch und brüllten durcheinander.
Selbst der pflichtbewußte Zuchtmeister und Profos Edwin Carberry vergaß sekundenlang alles andere und starrte nur das Schiff an, diese unverwechselbare Karavelle, mit der sie schon manche harte Schlacht geschlagen hatten.
Tausend Fragen schwirrten durcheinander.
Wie kam Ribault nach England? Was führte ihn her? War es einer jener sonderbaren Zufälle, wie sie das Leben immer wieder bereit hielt? Oder wußte er, daß die „Isabella“ nach England segelte?
Nein, das konnte er natürlich nicht wissen, wer hätte es ihm auch sagen sollen? Es mußte wirklich ein Zufall sein.
Eine verständliche Aufregung hatte sich der Seewölfe daher bemächtigt, und Carberry mußte brüllen, damit jeder wieder seine Station einnahm.
Langsam glitt die „Isabella“ weiter, und jetzt wurde sie auch von den Männern der „Le Vengeur“ gesehen.
Erneut hallte ein schauriges Gebrüll über den Hafen. Immer mehr Männer erschienen an Deck, rissen die Arme hoch und schrien vor Freude.
Auf den anderen Schiffen, die im Hafen lagen, kleinen Zweimastern, einer Karacke und ein paar kleinen Kauffahrern, standen die Seeleute und gafften. Selbst an den Piers und kleinen Lagerhütten standen erschütterte Leute, die der Galeone verständnislos entgegensahen.
Der Seewolf sah, wie einige von Ribaults Leuten von der Kuhl auf die Pier sprangen und dorthin liefen, wo die „Isabella VIII.“ vermutlich anlegen würde.
Das letzte Segel wurde aufgegeit, und mit schwacher Fahrt lief die Galeone auf die freie Stelle der Pier zu.
Taue flogen an Land, wurden blitzschnell um die hölzernen Poller gelegt und befestigt, und dann wurde die „Isabella“ von wilden, verwegen aussehenden Gestalten erstürmt und geentert, daß die anderen Kauffahrer erschüttert meinten, hier würde gleich eine blutige Schlacht beginnen.
Es war aber alles andere als das.
Jan Ranse, der ehemalige Karibik-Pirat und der andere Holländer Piet Straaten, waren die ersten, die mit einem mächtigen Satz an Bord flankten. Ihnen folgten Nils Larsen und Sven Nyborg, alle ehemals zu Hasards Crew gehörend und jetzt so ausgelassen und voller Freude, wie man sie selten erlebt hatte.
Das unblutige Entern spielte sich in der Kuhl ab, in der augenblicklich ein wüstes Durcheinander herrschte.
Da wurde in Rippen geknufft, geboxt, mit dem Ellenbogen gestoßen, und harte Fäuste vor die Brust geschlagen.
„Mensch, der Profos!“ schrie Jan Ranse gerührt. „Ferris, ihr elenden Rübenschweine, ja, gibt es euch wirklich noch alle!“
„Seht euch das Bürschchen an!“ schrie Nyborg, und haute dem jungen O’Flynn krachend auf die Schulter. „Mann, bist du ein Brocken geworden! Du hast dich total verändert. Wie geht’s dir, du lausige Kanalratte?“
Es waren nicht gerade zimperliche Worte, die da die Luft erfüllten, aber es waren auch keine zimperlichen Kerle, die sie aussprachen. Die Rührung war auf beiden Seiten gleich groß, und derartige Anwandlungen tat man am besten mit deftigen Worten ab. Sie konnten schließlich nicht dastehen und vor Freude heulen.
Als sich das erste Gebrüll etwas gelegt hatte, erschien auch der Seewolf auf der Kuhl, begrüßte die Männer und schlug ihnen krachend auf die Schultern.
Alle vier starrten sie ihn an, gaben den Händedruck zurück, und benahmen sich dann etwas distanziert.
„Was ist denn mit euch los?“ fragte Hasard verwundert.
„Wir sind außer uns vor Freude, Sir“, sagte Nils Larsen. „Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, was Sie alles getan haben, Sir! Ganz England spricht von Ihnen, Sir!“
„Euren Sir könnt ihr euch an den Hut stecken, ihr lausigen Decksaffen“, sagte Hasard trocken. „Ihr quasselt so respektvoll, als wäre ich der Schatzmeister von England. Habt ihr nicht mal zu meiner Crew gehört, ihr Kerle? Na also“, meinte er, als er die Erleichterung auf den Gesichtern sah. „Mit euch muß man nur im richtigen Ton reden, dann kapiert ihr schon!“
Damit war der Bann gebrochen. Richtig erleichtert sahen die Kerle aus, als sie Hasard anblickten.
Um den Seewolf hatten sich schon wahre Legenden gerankt, und so glaubten sie ganz einfach, daß sie ihn nicht mehr so wie früher anreden oder ihm entgegentreten konnten, daß sie mehr Respekt zeigen mußten, doch Hasard hatte diese unsichtbare Schranke schnell niedergerissen.
Als er jetzt wieder zur Pier blickte, lag auf seinem Gesicht ein frohes Lächeln, das schließlich zu einem breiten Grinsen wurde.
Zwei weitere Männer erschienen. Der schlanke, wie biegsamer Stahl wirkende Franzose Jean Ribault, und Karl von Hutten, der breitschultrige, exotisch aussehende Sohn einer indianischen Häuptlingstochter, hatten die „Isabella“ erreicht. Die letzten Schritte legten sie laufend zurück.
Beide Männer wurden mit lautem Hallo begrüßt, bis Jean Ribault lachend abwinkte.
„Schon gut, Männer“, sagte er laut, „das Gebrüll hört man ganz sicher bis nach London! Laßt mich durch!“
Er gab dem Seewolf die Hand und sah ihm in die eisblauen Augen.
„Du hast dich kaum verändert“, sagte der Franzose. „Du scheinst nur noch härter geworden zu sein.“
Auch Karl von Hutten grinste freudig und schüttelte dem Seewolf die Hand.
„Wir haben uns sicher eine ganze Menge zu erzählen“, sagte er. „Eure Heldentaten haben schon ganz England erschüttert.“
„So? Was spricht man denn?“
„Es würde Tage dauern, das alles aufzuzählen. Stimmt es, daß du auf Francis Drake gestoßen bist?“
„Es stimmt, Karl, es war keine so ganz befriedigende Begegnung für alle beide. Ich werde euch später davon erzählen. Wie lange seid ihr schon hier?“
„Ein paar Tage“, antworteten die beiden Männer zugleich. „Wir haben auf euch gewartet.“
Hasard blickte die beiden verdutzt an.