Seewölfe - Piraten der Weltmeere 574. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 574 - Fred McMason


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ist doch wohl nicht Ihr Ernst, mir diesen nachgemachten Hanswurst bis nach Genua und zurück mitzugeben. Der Mickermann fliegt doch bei der ersten Bö davon.“

      „Sie können ihn ja an den Wanten festbinden, Fletcher, mit seinem Bart“, sagte Starbuck höhnisch. „Dann wird ihm schon nichts passieren. Er wird ein gelehriger Schüler sein.“

      Das Männchen jammerte sich seine Not von der Seele, aber all sein Bitten und Betteln nutzte nichts, denn was Starbuck einmal beschlossen hatte, das hatte er endgültig beschlossen, und von jetzt an mußte das graue Männchen zur See fahren, oder es wurde entlassen und lag dann hilflos auf der Straße.

      „Na, haben Sie sich entschieden?“ wollte Starbuck wissen.

      Der Kleine, grau im Gesicht vor Angst, nickte zaghaft. Für ihn war die Welt nur noch ein armseliges Jammertal, das er wohl bald verlassen würde, wenn sie erst einmal auf See waren.

      Er sah sich scheu nach allen Seiten um. Alles war so fremd und ungewohnt, obwohl er es schon zigmal gesehen hatte. Aber diese vielen Tampen und Taue jagten ihm Angst ein. Sicher gab es auf See auch einmal einen kräftigen Sturm, und dann würde dieser angegammelte Eimer von einer Seite zur anderen taumeln.

      „Dann holen Sie jetzt Ihre Sachen, Duffy“, sagte Starbuck. „In einer Stunde sind Sie an Bord, und nach Sonnenaufgang schwimmen Sie schon auf der Themse und genießen die unvergleichliche Romantik der Seefahrt.“

      Unter der „unvergleichlichen Romantik“ konnte sich Duffy allerdings noch nicht viel vorstellen – im Gegensatz zu den anderen, die sich da etwas besser auskannten. Denn für sie bestand die Romantik aus einem nicht endenwollenden Existenzkampf unter schlechtesten Bedingungen.

      Duffy schlich nach einem erbarmungswürdigen und mitleidheischenden Blick wie ein geprügelter Hund von Bord. Er wirkte jetzt noch kleiner, als er sich auf der Pier verlor. Nach Fletchers Ansicht glich er einem räudigen Köter mit vor Angst eingeklemmtem Schwanz, dem gerade ein Holzprügel ins Kreuz geflogen war.

      „Wie ich mit diesen Kerlen und der schlechten Verpflegung das Schiff von London nach Genua bringen soll, ist mir vorläufig noch ein Buch mit sieben Siegeln“, sagte Fletcher grimmig.

      In Starbucks Augen lag plötzlich ein harter Glanz.

      „Ich kenne eine ganze Menge Kapitäne, die das ohne weiteres schaffen und sehr froh über diese Reise wären, Fletcher. Sie müssen das Schiff ja nicht hinbringen, Sie können auch ablehnen.“

      Fletcher steckte diesen Brocken zähneknirschend weg. Er wußte, wie schwer es war, ein anders Schiff zu kriegen. Im Grunde genommen mußte er diesem feisten Halsabschneider und Geizkragen noch dankbar sein.

      Er empfand allerdings keine Dankbarkeit, eher einen Haß auf Starbuck, der andere demütigte, in ihrem Stolz verletzte und sie schließlich noch ausbeutete.

      „Ich werde morgen früh bei Sonnenaufgang lossegeln“, hörte er sich wie aus weiter Ferne sagen.

      „Sehr gut. Ich habe nichts anderes erwartet. Wenn Sie auslaufen, werde ich noch einmal da sein.“

      Starbuck verließ schwerfällig und ächzend das Schiff und stieg in eine Kutsche, die abseits der Pier wartete. Er winkte noch einmal gnädig mit der ringgeschmückten Hand, ehe er fortfuhr.

      Fletcher und Williams sahen der Kutsche nach.

      „Der vollgefressene Spitzbube sitzt bis zum Hals im Fettnapf“, sagte der Erste Offizier verächtlich. „Und uns läßt der Kerl buchstäblich Dreck fressen. Am liebsten würde ich ihn kräftig in seinen fetten Hintern treten. Oder geht es dir anders, Marc?“

      „Ganz sicher nicht. Aber uns bleibt nichts anderes übrig, als das Maul zu halten, und das weiß dieser ehrenwerte Mister Starbuck genau.“

      „Wir haben ganz schöne Werte an Bord“, sagte Williams so nebenbei.

      „Ja, ich weiß, eine kostbare Ladung.“

      Er sah Williams nachdenklich an, schüttelte dann unmerklich den Kopf und ging nach vorn, um sich die Galgenvögel einmal aus der Nähe anzusehen. Dabei kontrollierte er gleichzeitig die Kombüse, wo der Koch hantierte, den sie Snob nannten.

      Der Koch hockte mit dem Rücken zu ihm und säbelte sich heimlich dicke Scheiben von einer Dauerwurst ab. Eine nach der anderen stopfte er in sich hinein und kaute.

      „Schmeckt’s?“ fragte Fletcher kalt.

      Der Koch fuhr herum und stopfte hastig ein paar Wurstscheiben in seine Hosentasche.

      „Ich – ich hab nur probiert“, versuchte er sich herauszureden.

      „Ob sie genießbar ist, was?“

      „Genau, Sir“, sagte der schmuddelige Koch erleichtert.

      „Na, das wollen wir doch einmal sehen.“

      Fletcher nahm die übriggebliebene Dauerwurst und verglich sie mit einer anderen, die in der Last von einem Deckenbalken baumelte. Die baumelnde Wurst war um ein gutes Drittel länger.

      „Probiert“, sagte Fletcher leise und sehr eisig. „Du dreckiger Hund fällst über den Proviant her, der für alle gedacht ist, und säbelst dir die größten Stücke ab. Von jetzt an wird die Proviantlast verschlossen, und wenn du etwas brauchst, dann wendest du dich an mich oder Mister Williams. Klar?“

      „Verstanden“, sagte der Koch heiser.

      Fletcher, der ein Rauhbein war und nicht lange fackelte, holte aus dem Schultergelenk aus und setzte dem Koch die Faust kraftvoll auf die Nase.

      Snob wurde vom Hocker katapultiert und überschlug sich laut brüllend. Vor dem eisernen Herd blieb er liegen. Blut rann aus seiner Nase, und er jammerte laut.

      „Dafür, daß du die anderen beklaut hast“, sagte Fletcher. „Beim nächsten Mal ergeht es dir nicht so gut, du Bastard.“

      Der Koch spuckte einen Zahn aus und erhob sich schwerfällig. Er zitterte an allen Gliedern.

      Etwas später erschien ein zitterndes Nervenbündel an Bord. Es war der Kontorist Duffy, der einen Sack hinter sich herschleifte.

      „Ich bin da“, sagte er kläglich. „Kann ich meine Kammer sehen?“

      „Ich weiß nicht, ob du die von hier aus sehen kannst“, entgegnete Fletcher, „aber vielleicht kannst du ja durch die Planken schauen. Deine sogenannte Kammer ist vorn, das Schott beim Fockmast. Dort gehst du die Stufen hinunter, und dann bist du am Ziel. Zeig ihm seinen Salon, Davenport!“ rief er einem breitschultrigen Kerl zu, der an Bord der Galeone als Bootsmann, Profos und Feldscher fungierte.

      Der Bootsmann haßte das graue Männchen genauso, wie das die anderen taten. Sonst hatte sich Duffy immer groß aufgeführt, Hochmut an den Tag gelegt und die anderen tadelnd belehrt. Auch jetzt glaubte er noch, einen Sonderstatus innezuhaben, weil er der Ansicht war, er sei etwas Besseres.

      Davenport zeigte ihm das Forecastle, einen halbfeuchten niedrigen und vergammelten Raum, durch den kreuz und quer Eichenbalken liefen. Sehen konnte man hier unten nur etwas, wenn eine Laterne brannte. Es brannte auch eine, doch die verpestete die stickige Luft nur noch mehr und verteilte kleine Rußwölkchen in alle Richtungen.

      „Ein umständlicher Weg zu den Kammern“, murmelte Duffy eingeschüchtert. „Kann man die Kammern nicht von einer anderen Seite erreichen?“

      Davenport starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.

      „Von welchen Kammern faselst du eigentlich dauernd? Ich hör immer nur Kammern und so.“

      „Ich spreche von meinen Räumlichkeiten.“

      Der Breitschultrige kicherte höhnisch.

      „Das sind deine Räumlichkeiten, Duffy. Sie haben nur den Nachteil, daß du sie mit fünfzehn weiteren Leuten teilen mußt. Das dahinten ist deine Koje.“

      Er wies ganz hinten in einen dunklen Verschlag, wo Fässer und Kisten herumstanden. Zwischen zwei mächtigen Balken war da eine


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