Seewölfe - Piraten der Weltmeere 260. Fred McMason
stand.
„Natürlich, Ed, das war ja Sinn und Zweck der ganzen Sache. Ich betonte schon einmal, daß ich wie ein Idiot darauf hereingefallen bin. Nur nutzt es mir nichts, wenn ich jetzt vor Selbstmitleid und schmerzlicher Erkenntnis zerfließe. Wir haben ein Problem, und das steht im Vordergrund.“
„Richtig“, sagte Big Old Shane, in dessen grauem Bart schon wieder Sand hing. „Wir kriegen diesen drekkigen Bastard nicht mehr. Wir vergeuden nur unsere Zeit. Wir sollten uns um unsere Lady kümmern und auch die unsinnigste Möglichkeit ausschöpfen, um sie wieder frei zu kriegen. Verschaffen wir uns zuerst einmal ein ganz genaues und präzises Bild. Alles andere ist zweitrangig.“
Carberry spie wutentbrannt in den sandigen Untergrund. Der Gedanke an den Schweinehund Rasul ließ ihn fast krank werden. Wenn er nur daran dachte, daß der später hier aufkreuzte und sich die angehäuften Schätze unter den Nagel riß, dann wurde dem Profos jedesmal schlecht.
Und, verdammt noch mal, bei allen lausigen Nilratten, der alte O’Flynn hatte wieder einmal recht behalten, und sie mußten ihm eine ganze Menge abbitten.
Er war, außer den Zwillingen, der einzige und ständige Mahner gewesen, der vor Rasul gewarnt hatte, und sie hatten ihn ausgelacht und sogar mit harten Worten belegt, nur weil er diesem Mistkerl Widerstand entgegengesetzt hatte.
Es war aber nicht so, daß Old O’Flynn jetzt ständig laut betonte, wie recht er gehabt hätte. Er wies kein einziges Mal darauf hin und ließ die anderen stumm leiden. Er selbst stand allerdings auch wie ein alter kranker Hund an Deck und war bis in den Grund seiner Seele erbost und verbittert. Er dachte auch daran, daß er ein Holzbein hatte, und daß er mit diesem Holzbein vielleicht meilenweit durch die Wüste latschen mußte, und wenn er mit seinen Gedanken an diesem Punkt war, dann begann er mit zitternden Lippen lautlos zu fluchen.
„Ja, er ist weg und verschwunden“, sagte Ed. „Nicht mal die Hufe dieser stinkenden Kamele haben einen Abdruck hinterlassen. Der Scheißsandsturm hat alles verweht.“
Niemand nahm Carberry oder einem anderen das Fluchen übel, und jeder ertrug des anderen schlechte Laune geduldig. Schließlich waren sie ja alle schuld an ihrem Unglück, weil sie diesem Schlitzohr blindlings vertraut hatten.
Jetzt war es zu spät, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Das, was Shane gesagt hatte, war wirklich wichtiger. Sie mußten hier heraus, auf Biegen oder Brechen, sie mußten etwas für sich und die Lady tun, sonst gingen sie vor die Hunde. Es war abzusehen, wann das Trinkwasser und der Proviant verbraucht oder verdorben waren, und deshalb mußte etwas geschehen.
Ausnahmslos alle verließen jetzt das Schiff, das sich leicht zur Seite geneigt hatte.
In der letzten Nacht hatte der Sandsturm das bißchen Wasser noch zugeschüttet und verwüstet, in dem die „Isabella“ lag. Jetzt saß sie mitten im Sand fest, und nur weit achteraus war das Wasser im Kanal noch zu sehen. Doch mittlerweile war es wohl auch sehr flach geworden.
Bei jedem Schritt sackten sie leicht in den Sand ein. An manchen Stellen war er hart und unnachgiebig, an anderen weich wie aufgeschüttetes Korn.
Vor dem Bug blieben sie stehen, der dorthin zeigte, wo sich das Rote Meer befand – und damit der Weg in die Freiheit. Aber die Freiheit hatte der Chamsin verweht, der jetzt wieder leise klagend heranharfte und Staub und Sand mit sich brachte.
Der Bug war schon ein wenig eingesunken, auch die Steuerbordseite hatte sich leicht geneigt. Die Masten mit den aufgegeiten Segeln zeigten nicht mehr senkrecht in den Himmel.
„Wenn wir mit über zwanzig Mann pausenlos ranklotzen und Sand schaufeln“, sagte Matt Davies in die lastende Stille, „dann müßten wir die Lady doch zum Aufschwimmen bringen. Und dann könnten wir sie achteraus dorthin schleppen, wo das Wasser etwas tiefer ist.“
„Das sind Illusionen, Matt, Wunschdenken“, meinte Hasard. „Diesen Gedanken habe ich auch schon erwogen. Achtern anfangen und das Heck freischaufeln, dann an den Seiten entlang bis zum Bug. Dabei habe ich schon in Betracht gezogen, alle Culverinen auszuladen, die Räume zu löschen und die Masten umzulegen. Es würde eine höllische Arbeit werden, bei Tag und Nacht, aber es geht nicht. Es sei denn, der Sandsturm würde nicht mehr wehen. Was wir in tagelanger Arbeit freischaufeln, wird innerhalb einer Stunde wieder zugeweht. Was meinst du, Ferris?“
Der rothaarige Schiffszimmermann hatte ein verkniffenes Gesicht. Seine Augenbrauen sahen vom Sand und Staub wie gepudert aus. Auch er schüttelte nach einer Weile enttäuscht den Kopf.
„Ich sehe leider keine Möglichkeit, weil der Sand schneller ist als wir, wie du schon ganz richtig sagtest. Es wäre vergebliche Arbeit. Diesmal scheint es endgültig für uns aus zu sein. Einmal verlieren auch die Unbesiegbaren“, fügte er bitter hinzu.
Ja, das nagte an ihren Herzen und fraß in ihren Seelen. Die Seewölfe, in fast allen Schlachten ungeschlagen und über ihre Siege triumphierend, waren am Ende, fertig, erledigt, hereingelegt von einem Kerl, dem sie vertraut hatten. Ein einzelner gegen eine ganze Crew eisenharter Kerle, und er hatte gewonnen. Er befand sich nun irgendwo in Sicherheit.
In Ferris stieg die Wut hoch. Mit dem Stiefel trat er in den Sand, der nach allen Seiten davonstob.
„Die Ohren könnte ich mir abbeißen!“ brüllte er, von einem neuerlichen Wutausbruch übermannt.
„Davon wirst du auch nicht schöner“, sagte der Profos trocken. „Außerdem ist das reichlich umständlich.“
Blacky hatte sich auf den Wüstenboden gelegt und betrachtete den Rumpf der „Isabella“ in voller Länge.
„Es ist nicht nur der Sand allein“, sagte er, als er sich wieder aufrichtete, „es ist eine Art Mahlstrom. Seht doch mal! Der Sand hat eine riesige Düne gegen Steuerbord geweht, aber die Lady ist tiefer gesunken, als das Wasser sich zurückzog oder zugeweht wurde. Der Sand gibt unter ihr nach. Sie wird ganz langsam immer tiefer hinabgezogen und sackt weg. Da können wir schaufeln, solange wir wollen. Wir werden am Ende immer die Verlierer sein.“
„So sieht es aus“, meinte auch der Decksälteste Smoky. „Das ist wie damals, als wir in die Teufelslagune gerieten und im Mahlsand festsaßen.“
Hasards Gesicht war verkniffen. Um seinen Mund lag ein harter Zug, die Lippen waren zwei dünne Striche in einem kantigen Gesicht aus dem schwarze Bartstoppeln sprossen. Die ganze Hoffnungslosigkeit ihrer Lage stand in seinem Gesicht geschrieben.
Sie gingen um die „Isabella“ herum und hielten weiterhin Kriegsrat, erwogen Möglichkeiten, versuchten Chancen zu nutzen, das Beste herauszuschlagen, aber das Fazit war erschreckend.
Der Kanal war unpassierbar geworden. Das Schiff hing in einer sandigen Pfütze, die von der Hitze immer weiter ausgedörrt wurde. Die Luft flimmerte wellenförmig und heiß um den Rumpf. Die aufgegeiten Segel waren grau in grau, voller Sand, und beim leisesten Windhauch rieselten Staub und Sand aus großer Höhe aus den Segeln und legten sich über die Decks.
Krampfhaft schluckend sahen die Seewölfe auf ihre schwimmende Heimat, die sich unmerklich anschickte, in ihr einsames Wüstengrab zu sinken.
Die Lady war müde, sie hatte ein entbehrungsvolles Leben hinter sich, ein Leben voller Wunden und Blessuren. Sie war über Korallenbänke geschrammt, von Kugeln getroffen worden, und Feuer hatte ihren Leib gemartert. Auf ihren Decks war Blut geflossen, sie hatte den Naturgewalten getrotzt und brüllende Orkane besiegt.
Jetzt war sie krank, alt und müde, und ihre gepeinigte Seele wollte endlich Ruhe finden. Ihr geschundener Körper hatte sich zum Sterben niedergelegt wie ein großes krankes Tier.
Sie wollte nur noch mit einem leisen Seufzen und Klagen in ihr Grab sinken, für alle Zeiten.
„Vielleicht besteht doch noch eine kleine Hoffnung“, meinte der blonde Schwede Stenmark. „Wir haben doch selbst schon erlebt, daß in diesem Kanal das Wasser steigt und fällt. Ich weiß zwar nicht, wie das zusammenhängt, vielleicht drückt der Nil es herein, oder es läuft von den beiden Seen hierher. Wir sollten das Schiff jedenfalls nicht so schnell aufgeben.“
„Noch haben