Seewölfe - Piraten der Weltmeere 260. Fred McMason
aufgehört“, sagte Hasard. „Sehen wir nach, was an Deck passiert ist.“
Das Schott ließ sich nur schwer öffnen, denn wieder einmal lag ein aufgeschütteter Hügel aus hellem Sand davor. Ein letzter glühender Stoß fauchte in den Raum und fuhr den Männern stechend und glühendheiß in die Gesichter.
Als das Schott aufgeschoben wurde, rutschte der Berg wie eine Walze aus Sand weiter und verteilte sich über das ohnehin fast zugewehte Deck.
„Verdammter Mist“, sagte Hasard, und seine schlechte Laune kehrte wieder zurück. „Das wird ja immer schlimmer.“
Mit dem Stiefel trat er wütend in die Sandmassen, daß sie hoch auf stoben.
Die Männer drängten an Deck. Anfangs keines Wortes mächtig, sahen sie sich still und mit entsetzten Augen um.
Es war ein Anblick von einmaliger Trostlosigkeit.
Von Horizont zu Horizont dehnte sich eine Sandwüste aus, die nur von den gelblichen aufragenden Bergen unterbrochen wurde. Zerklüftete Felsen, tagtäglich von glühender Sonne beschienen und vom Sand nackt und kahl gerieben. Hier stand nicht eine einzige Palme, und nur weit achteraus am Kanal des Todes gab es einen kleinen Grünstreifen, den jetzt ebenfalls der Sand bedeckt hatte.
Das war es aber nicht, was sie so entsetzte.
Die „Isabella“ sah aus, als hätten hundert Sklaven hundert Tage lang pausenlos Sand über das Schiff gehäuft. Feinkörniger, hellgelber Flugsand, der sich überall eingenistet hatte, der yardhoch auf den Decks lag, der das Ruderhaus teilweise zugeweht hatte und sich in der Kuhl noch höher anhäufte. Schanzkleid und Ufer waren, von der Kuhl aus gesehen, fast eins.
Zwei der aufgegeiten Segel fehlten völlig. Von einem dritten hing nur noch ein Streifen herunter.
Die „Isabella“ hatte sich jedoch nicht weiter geneigt. Vom Bug und vom Achterdeck führten Rampen aus Sand direkt in die Wüste. Es war nur noch eine Frage von ganz kurzer Zeit, wann das Schiff endgültig in sein heißes Grab sank.
Achteraus schimmerte immer noch ein wenig Wasser in dem Kanal. Rasul mußte den günstigsten Zeitpunkt abgepaßt haben, den es nur gab, dachte Hasard schaudernd.
„Sollen wir schaufeln, Sir?“ fragte Batuti. „Wenn schnell und alle viel schaufeln, Sand wieder weg in ein Tag.“
Hasards Blick war ausdruckslos in die Ferne gerichtet. Ganz langsam schüttelte er dann den Kopf.
„Nein“, sagte er mit fremd klingender Stimme. „Wir schaufeln nicht mehr, es hat keinen Zweck. Es wäre eine Arbeit ohne Ende, und wir verlieren nur den Wettlauf gegen die Zeit. Wir werden etwas anderes tun.“
Er hatte über die Schulter ins Nichts hinein gesprochen, jetzt drehte er sich um, und die Männer glaubten zu sehen, daß der Blick seiner eisblauen Augen nicht mehr so klar war wie früher. Die Sorge um seine Männer fraß innerlich an ihm. Die Sorge um das Schiff hatte er schon fast abgeschrieben, denn darum brauchte sich keiner mehr zu sorgen. Darum sorgte sich nur noch der Chamsin, der mit verbissener Hartnäckigkeit das Grab schaufelte.
„Shane und Ed“, sagte Hasard. „Ihr beide werdet die Aufgabe übernehmen, zu jenen Bergen zu gehen. Erkundet sie nach Verstecken, nehmt euch aber Proviant und Wasser mit, falls euch der Sandsturm überrascht. Erkundet die Berge nach Höhlen, Kavernen oder Spalten.“
„Damit wir uns darin verbergen können, falls es die Lady nicht mehr gibt“, sagte Ed. „Ich verstehe.“
„Nicht aus diesem Grund“, sagte Hasard.
„Sondern?“
„Wir werden dort die Schätze hinbringen, und diese Knochenarbeit werden wir mit Freuden übernehmen, damit sich dieser Bastard Rasul nicht mehr daran bereichern kann, wenn wir das Schiff aufgegeben haben.“
„Wenn er uns aus der Ferne beobachtet, wird er es wissen, Sir, und dann buddelt er in den Bergen weiter.“
„Aber Ed“, sagte der Seewolf vorwurfsvoll. „Wie will er denn in den Bergen graben, wenn wir Sie mit ein paar Tonnen Schießpulver in die Luft jagen? Sagtest du etwas, Mister Carberry?“
„Es – es hat mir glatt die Sprache verschlagen“, stammelte der Profos. „Die Berge in die Luft sprengen! Das ist vielleicht ein Ding. Das wird sozusagen unsere Rache an dem Bastard Rasul.“
„Sozusagen ja. Kein einziger Silberling soll diesem Hund in die Hände fallen, dafür werden wir sorgen.“
„Ein phantastischer Gedanke“, sagte auch Big Old Shane. „Den Knall wird man bis zum ersten Katarakt hören.“
„Mit dem Knall verabschieden wir uns von Ägypten“, sagte der Seewolf. „Der übertönt vielleicht die Erinnerung an sehr schlimme Stunden.“
„Wir ziehen gleich los“, sagte der Profos, „jetzt und sofort!“
Vom Kutscher ließen sie sich etwas Proviant einpacken, ein paar harte Zwiebacks, etwas gedörrtes Fleisch und zwei Lederschläuche voll Wasser, die sie in Luxor erworben hatten und die sich als sehr praktisch erwiesen.
Aus dem Schiff drang immer noch Hämmern und Klopfen. Ferris Tukker war dabei, Gänge zu schaffen, damit man jeden Raum erreichen konnte, ohne bei einem Sandsturm an Deck gehen zu müssen. Diese Arbeit nahm ihn etliche Stunden in Anspruch, und als er damit fertig war, wartete schon die nächste auf ihn.
Zunächst aber zogen Big Old Shane und der Profos los, um die Felsen zu erkunden. Etwa achthundert Yards durch heiße trockene Wüste lagen vor ihnen, dort begannen die ersten Ausläufer der kahlen Felsenkette.
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