Seewölfe - Piraten der Weltmeere 484. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 484 - Roy Palmer


Скачать книгу
Humpen geleert und knallte ihn wieder auf die Theke.

      „Nachschenken“, befahl er. „Na los, nimm dir auch einen Humpen, Diego. Ich gebe für dich einen aus.“

      „Wird dankend angenommen“, sagte Diego.

      Blöder Hund, dachte er, glaubst du etwa, mit einem läppischen Bier kannst du mich kaufen? Er füllte die Humpen, auch die der drei anderen. Die Humpen rutschten über die Theke, die Kerle fingen sie auf. Sie lachten wieder und stürzten das Bier in die Kehlen.

      Doolin trank einen tüchtigen Schluck, dann wischte er sich den Schaum mit dem Handrücken aus dem Bart.

      „Paß mal auf“, sagte er zu Diego. „Ich will ganz ehrlich zu dir sein. Ich bin auf der Suche nach diesem Killigrew.“

      „Killigrew?“

      „Na, der Kerl, den sie den Seewolf nennen“, entgegnete Doolin. „Der soll sich hier doch ’rumtreiben.“

      Diego schüttelte den Kopf. „Nie gehört, den Namen.“

      Doolins Miene wurde wieder sehr finster. „Das kann nicht sein. Der Hundesohn ist hier, irgendwo bei den südlichen Bahamas.“

      „Hör mir gut zu, One-Eye“, sagte Diego katzenfreundlich. „Ich bin immer bereit, für ein paar Münzen Auskünfte zu geben. Aber von Killigrew habe ich tatsächlich nie was gehört. Es gibt so viele Piraten, deren Namen man sich nicht alle merken kann.“

      „Er verkehrt hier also nicht?“ fragte Doolin lauernd.

      „Nein“, erwiderte Diego gelassen. „Das kann ich beschwören.“

      Doolin schien wirklich enttäuscht zu sein. Seinen Kumpanen ging es nicht anders. Sie spülten den Ärger mit Bier herunter, ließen nachschenken und tranken wieder. Das half. Sie lachten und rülpsten, ließen unanständige Sprüche los und begaben sich in Diegos „Schildkröte“ nun ebenfalls auf die Suche nach bereitwilligen Ladys, mit denen sie ihre Silberlinge durchbringen konnten.

      Doolin stand Diego allein gegenüber.

      „Das ist Pech“, sagte er. „Aber ich finde ihn schon noch.“

      Diego fragte: „Was hat es denn mit diesem Killigrew auf sich, daß du so versessen auf ihn bist?“

      „Das geht dich nichts an.“

      „Natürlich nicht“, sagte Diego einlenkend. „Aber vielleicht kann ich mich ja mal umhören und dir eine Nachricht zukommen lassen, sobald ich was erfahre.“

      Doolins Miene hellte sich wieder auf. An diese Möglichkeit schien er noch gar nicht gedacht zu haben. „Das ist eine gute Idee.“

      „Ich nehme nicht an, daß du diesen Killigrew suchst, um ihm mal guten Tag zu sagen“, sagte Diego grinsend.

      Doolin kicherte plötzlich. „Ganz bestimmt nicht. Sagen wir lieber, ich will ihn ein bißchen durchbeuteln. Dabei könnte ganz schön was ’rausfallen. Kapiert?“

      Diego stellte sich nach wie vor dumm. „Nein. Was soll denn ’rausfallen?“

      „Gold, Perlen, Diamanten“, erwiderte der Einäugige. „Über Killigrew habe ich in Plymouth eine Menge gehört. Da ist nämlich im letzten Jahr eine frühere spanische Kriegsgaleone mit einer englischen Crew eingelaufen.“

      „Na, so was“, wunderte sich Diego. „Was es nicht alles gibt. Und was haben die Engländer von der Galeone nun mit Killigrew zu tun?“

      „Sie sind ihm begegnet“, erklärte der Kerl. „Hier, irgendwo. Ursprünglich sind sie mit mehreren Schiffen unterwegs gewesen, unter anderem mit der ‚Dragon‘ und der ‚Orion‘. Die sind aber abgesoffen. Da hat der Killigrew ihnen geholfen und ihnen die spanische Galeone geschenkt. Einfach so. Na, sie sind damit zurück nach England gesegelt und haben dann in Plymouth die tollsten Sachen erzählt.“

      „Ja?“ fragte Diego. „Was denn zum Beispiel?“

      „Er soll stinkreich sein.“

      „Der Seewolf?“

      „Ja, klar“, entgegnete Doolin. „Er hat eine Riesenbande um sich geschart und bringt laufend jede Menge Spanier auf. Er soll schon so viel zusammengeklaut haben, daß er ganz England kaufen könnte.“

      „Heilige Mutter Gottes“, sagte Diego andächtig. „So ein Glückspilz. Und unsereins muß hart arbeiten, um sich über Wasser zu halten.“

      „Killigrew scheffelt das Gold nur so“, sagte Doolin.

      „Ganz sicher?“

      „Der Tip, den ich erhalten habe, ist sicher“, erklärte Doolin voll Überlegenheit. „Ein Seemann aus der Crew von Marc Corbett hat ihn mir gegeben. Corbett ist der Kapitän der spanischen Galeone gewesen. Na, und den Seemann habe ich bei einem Kollegen von dir getroffen, bei Plymson in der ‚Bloody Mary‘.“

      Fast hätte Diego die Augen verdreht. Wie hätte es anders sein können! Der dicke Nathaniel Plymson war um ein paar Ecken mal wieder mit im Spiel. Wie klein die Welt doch war!

      Doolin wurde richtig redselig. Er war jetzt beim dritten Bier angelangt. Der kühle, erfrischende Gerstensaft löste seine Zunge erheblich.

      „Dieser Seemann erzählte Wunderdinge von Killigrew“, fuhr er fort. „Von Riesenbergen Gold und so. Und von einem Versteck. Plymson mischte sich auch noch mit ein. Der kennt den Killigrew nämlich von früher. Er hat das alles bestätigt. Killigrew muß der reichste Mann der Welt sein.“

      „Toll“, sagte Diego ehrfürchtig. „Ich würde ihm gern mal begegnen.“

      „Ich auch“, sagte Doolin grinsend. „Und ich werde ihm etwas von seinem Reichtum abknöpfen, verlaß dich drauf.“

      „Viel Erfolg bei der Suche“, sagte Diego.

      „Und wenn du was hörst, sagst du mir Bescheid?“ vergewisserte sich Doolin.

      „Wenn ich was höre, ja“, erwiderte Diego.

      „In Ordnung!“ One-Eye-Doolin knallte zuerst seinen Humpen und dann ein paar Münzen auf die Theke. „Das ist für die ersten Runden! Jetzt geht’s weiter!“

      Es ging weiter. Die Kerle der Galeone – sie hieß „Scorpion“, wie Diego im weiteren Verlaufe des Abends erfuhr – ließen sich so richtig nach Herzenslust vollaufen. Das Gelage dauerte bis in die frühen Morgenstunden, dann schliefen die Engländer am Busen ihrer Ladys oder unter den Tischen ein.

      Diego tätigte gute Umsätze. Er grinste und strich das Geld ein. Dabei warf er immer wieder Blicke zu One-Eye-Doolin hinüber, der sich mit einer üppigen Rothaarigen in eine Nische verdrückt hatte.

      Na warte, dachte Diego, du kriegst schon noch dein Fett, wenn du so versessen darauf bist, „den Killigrew“ zu treffen. Aber an dem Tag wirst du dir wünschen, nie aus Cornwall losgesegelt zu sein!

      Diego nahm sich vor, den Seewolf und dessen Kameraden zu informieren, sobald er sie wiedersah. Er konnte nur hoffen, daß sie früher oder später wieder bei ihm einkehrten, wie es ihre Gewohnheit war.

      Philip Hasard Killigrew und Roger Lutz trafen um drei Uhr morgens am 27. Mai mit den Perlensäcken, die sie von der Bucht bei Batabanó mitgenommen hatten, in Havanna ein. Roger kannte sich aus – schon einmal war er die Strecke hin und zurück marschiert, als er mit Jean Ribault den sehr ehrenwerten Alonzo de Escobedo verfolgt hatte. Jussuf hatte den beiden Franzosen die Schleichwege gezeigt, die man tunlichst benutzte, um die Patrouillen in der Stadt zu umgehen.

      Der Seewolf und sein Begleiter pirschten durch die Gassen. Einmal mußten sie in einer Hofeinfahrt untertauchen, weil sich Schritte näherten. Zwei spanische Soldaten gingen an ihnen vorbei. Sie unterhielten sich leise. Was sie sagten, war jedoch nicht zu verstehen.

      Hasard stieß Roger mit dem Ellenbogen an. „Die werden sich auch fragen, wo ihr geliebter Gouverneur abgeblieben ist.“

      Roger grinste. „Wenn die wüßten,


Скачать книгу