Seewölfe - Piraten der Weltmeere 569. Burt Frederick
neben sich sah.
Sie hatten Glück. Die Schwämme hatten sich in dem Netz eingerollt und waren als großes Bündel auf den Grund gesunken. So schafften sie es binnen weniger Minuten, den ganzen Fang ins Boot zu bringen. Philarios zog sich als erster über die Bordwand und half seinem Vater und seinen Brüdern herein.
„Ich will euch die kleine List nachsehen“, sagte Güzmir spöttisch. „Ich habe nämlich nicht vor, meine Zeit zu vertrödeln.“ Er verschränkte wieder die Arme vor der Brust. „Wie schon gesagt, Simeon, du hast drei prachtvolle Söhne …“ Er ließ den Satz in einem lauernden Ton ausklingen.
Der Schwammfischer hatte das Gefühl, als setze das Schlagen seines Herzens aus. Eine böse Ahnung kroch an die Oberfläche seiner Gedanken.
„Drei prächtige Söhne“, fuhr Güzmir fort. „Das ist mehr als genug, Simeon. Einen mußt du mir abgeben. Der Zufall will es, daß in meiner Mannschaft ein Platz frei geworden ist. Ich nehme deinen jüngsten Sohn. Es ist mir nämlich nicht daran gelegen, allzu häufig meine Leute auswechseln zu müssen.“
Achillios, Konstantinos und Philarios hatten es mit versteinerten Mienen angehört. Und jetzt reagierte ihr Vater so, wie sie das von ihm erwarteten.
„Niemals!“ sagte er mit fester Stimme.
Güzmir grinste und gab den Rudergasten ein knappes Kommando.
Sie tauchten die Riemenblätter ins Wasser und bewegten sie mit mäßiger Kraft. Das Boot glitt nur langsam voran, als wollte Güzmir dem Schwammfischer eine letzte Gelegenheit geben, zur Vernunft zu gelangen.
Simonos Simeon und seine Söhne spannten unterdessen die Muskeln. Es gab nur geringe Hoffnung, das war ihnen klar. Von Bord der Galeere wurden sie scharf beobachtet. Selbst wenn sie einen Sieg errangen, würde er nur von kurzer Dauer sein. Zakas und der Rest der Meute würden über sie herfallen und sie auf den felsigen Meeresgrund schicken.
Trotzdem war der Widerstandswille der Schwammfischer entflammt. Und Philarios war stolz, unendlich stolz darauf, daß ihn sein Vater und seine Brüder nicht kampflos dem grauenvollen Schicksal überlassen würden.
Das Beiboot der Galeere war noch zwei Yards entfernt.
Der Stier von Piräus streckte den rechten Arm aus und zeigte mit dem Peitschenstiel zu Philarios. „Du kannst dich noch freiwillig herüberbegeben, Bürschchen. Spring einfach ins Wasser und schwimm auf uns zu.“
Weder der jüngste der Simeons noch die anderen antworteten. Geduckt und abwehrbereit standen sie in ihrem kleinen Boot, das mit einem einfachen Mast und einem kleinen Lateinersegel ausgerüstet und im Bugraum mit den Schwämmen beladen war.
Markos Güzmir dachte nicht daran, seine herrische Pose vor der Achterducht aufzugeben. Für ihn war die Auseinandersetzung mit den störrischen Fischern nur eine Nebensächlichkeit. Etwas, das sich im Handumdrehen erledigen lassen würde.
Das Beiboot glitt weiter auf die Schwammfischer zu.
Ein knapper Zischlaut war zu vernehmen. Es war das Zeichen, das der Stier von Piräus seinen Männern gab.
Der Schlagmann, ein vierschrötiger Glatzkopf, hob den Riemen mit einem Ruck und führte ihn wie eine Lanze. Im selben Moment zischte Güzmirs Peitsche.
Simonos Simeon versuchte, dem zustoßenden Riemenblatt auszuweichen und es zu packen. Doch die Wucht, die dahintersaß, war zu groß. Seine Fäuste glitten ab. Die Kante des schweren Riemenblattes traf ihn an der rechten Schulter. Er wurde von den Füßen gerissen und stürzte mit einer Drehbewegung auf die nassen Schwämme.
Achillios wurde von dem Peitschenhieb getroffen. Eine blutige Spur zog sich jäh über seinen linken Oberarm. Er krümmte sich vor Schmerzen, war aber im nächsten Atemzug wieder kampfbereit.
Es sollte nichts nutzen.
Das Beiboot der Galeere näherte sich weiter. Die Peitsche des Stiers von Piräus und die Riemen der Rudergasten ließen den Schwammfischern keine Chance, auch nur zu einem wirksamen Gegenangriff anzusetzen.
Harte Stöße und brennende Hiebe trafen die jungen Männer, die verzweifelt versuchten, die Absicht ihres Vaters in die Tat umzusetzen und eines der Riemenblätter zu erwischen. Es gelang ihnen nicht. Die Übermacht der Güzmir-Kerle war größer als sie sich vorgestellt hatten.
Die Entscheidung fiel, als Simonos Simeon sich von den Schwämmen aufrichtete und erneut in den Kampf eingreifen wollte. Noch bevor er sicher auf den Beinen stand, traf ein Riemenblatt seine Stirn. Wie vom Blitz gefällt sank er zurück.
Konstantinos wollte sich voller Sorge um seinen Vater kümmern. Doch in dem Moment, in der er sich zur Seite wandte, stieß der vierschrötige Kerl im Galeeren-Beiboot auch ihn von den Beinen.
Für Achillios und Philarios war es danach aussichtslos.
Die Schergen des Stiers von Piräus hoben die Riemen und brauchten ihrem Boot nur noch geringen Vortrieb zu geben. Dann lagen sie Bord an Bord, und alles war nur noch eine Sache von wenigen Sekunden. Zwei Kerle hielten die Boote fest, während die vier anderen die beiden jungen Männer überwältigten.
Mit Fausthieben und sich immer wieder vor den zupackenden Fäusten der Kerle wegduckend, versuchten Philarios und Achillios noch, das Schlimmste zu verhindern. Es gelang ihnen nicht. Die Übermacht war zu groß.
Beide sanken bewußtlos in sich zusammen.
Philarios wurde in das Beiboot der Galeere gezerrt.
Der Stier von Piräus betrachtete den Sohn des Schwammfischers, wie er regungslos zwischen den Duchten lag, mit zufriedenem Grinsen. Er rollte die Peitsche zusammen und gab Befehl, zurück zur Galeere zu pullen. Er konnte getrost ankerauf gehen.
Um die renitenten Kerle brauchte er sich nicht weiter zu kümmern. Sie würden es an diesem Tag und sicherlich auch für alle Zukunft nicht mehr wagen, weiter mit dem Netz nach Schwämmen zu fischen.
Er brachte sie alle zur Räson. Alle.
In der Bucht von Piräus und im Saronischen Golf wurde nach den Schwämmen getaucht. So lautete sein Befehl, und er duldete keine Zuwiderhandlungen. Natürlich zog das arbeitsscheue Pack die leichteren Methoden vor.
Wo der Meeresboden glatt war, konnte man die Schwämme bequem mit dem Netz heraufholen. Und in geringen Tiefen verwendete man die mehrzinkigen Gabeln an langen Stielen. Der Ertrag war entsprechend gering. Denn nur an wenigen Stellen hatte die Natur den Grund so vorteilhaft gestaltet, daß die Herren Schwammfischer ihrer Bequemlichkeit frönen konnten.
Er, Markos Güzmir, hatte ihnen beigebracht, wie man wirkungsvoll arbeitete. Schließlich mußte er seine Kunden in Venedig und Istanbul zufriedenstellen. Die vornehmen Kreise in den großen Städten brauchten Badeschwämme noch und noch. Gebadet wurde nicht nur aus Reinlichkeitsgründen, sondern auch aus Anlässen der Geselligkeit. Und es hieß, daß dabei insbesondere im zügellosen Venedig die Orgien des antiken Rom um ein Vielfaches überboten würden.
Für die feinen Schwämme aus dem Saronischen Golf wurden gute Preise gezahlt. Eine Tatsache, von der die Schwammfischer, die dem Stier von Piräus zulieferten, allerdings nichts spürten. Für die Hungerlöhne, mit denen er sie abspeiste, durften sie nach seiner Einschätzung noch dankbar sein.
Und ebenso selbstverständlich war, daß er aus ihren Familien die Ruderer rekrutierte, die er für den mörderischen Dienst auf seiner Galeere brauchte.
In dem kleinen, einmastigen Schwammfischerboot erwachten Simonos Simeon und seine beiden älteren Söhne aus ihrer Bewußtlosigkeit, als Philarios bereits über die Verschanzung der Galeere geworfen wurde.
2.
Die untergehende Sonne drang mit ihrem Licht nicht mehr bis in die Gassen vor. Nur noch die Schindeldächer der Häuser waren in jene rötlichbronzene Helligkeit getaucht, mit der der Tag sich zu verabschieden begann. Doch die gekalkten Wände strahlten die Hitze aus, die sie in den zurückliegenden Stunden gespeichert hatten.
Edwin