Seewölfe - Piraten der Weltmeere 539. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 539 - Fred McMason


Скачать книгу
hatte und im Auf und Ab der Wellen die Bewegungen der Galeone mitvollzog.

      „Ist doch klar“, sagte der gallig. „Wenn noch mehr Sand ins Wasser geweht wird, wird das Meer immer dicker. Erst wie Suppe, dann wie Brabbel, danach wie Brei, und dann stecken wir in dicker Pampe und können nicht mehr vor und zurück. Aus den Wellen werden schließlich Dünen, in denen wir festsitzen.“

      „Ach, du lieber Moses“, stöhnte Carberry. „Hat die Welt so was schon mal gehört? So viel Sand gibt’s gar nicht, daß damit das Meer zugeweht wird.“

      „Klar gibt’s so viel Sand!“ brüllte Old O’Flynn. „Man sieht ja nur die oberste Schicht, aber darunter ist noch viel mehr.“

      „Beim Wasser ist das genau so“, meinte Smoky. „Oben sieht man nur ein bißchen, aber darunter ist noch eine ganze Menge.“

      „Ihr seid ja bescheuert“, sagte Carberry und tippte mit dem Finger an die Stirn. „Alle beide seid ihr bekloppt.“

      „Gibt’s Wanderdünen, oder gibt’s die nicht?“ erkundigte sich Old O’Flynn hinterhältig.

      „Na sicher, die gibt es schon.“

      „Und sie sehen wie Wellen aus, nicht?“

      „So ungefähr.“

      „Nein, genauso“, giftete der Alte. „Wer sagt dir denn, daß die Wanderdünen früher nicht mal richtige Wellen waren, die nur der Sand zugeweht hat?“

      „Mein Verstand sagt mir das.“

      „Ha! Der hat dir schon recht üble Streiche gespielt. Frag doch den Kutscher, der wird es genau wissen.“

      Immer wenn sie mit ihrem Latein am Ende waren, mußte der geplagte Kutscher herhalten, der über alles Bescheid wußte. Und dann sollte er die Probleme der anderen lösen – sehr geistreiche Probleme übrigens, die es in sich hatten.

      Der Kutscher hörte sich den Stuß eine Weile schweigend an. Dann schüttelte er fassungslos den Kopf. Er zog ein bißchen das Genick ein, weil mit dem Sandsturm auch gleichzeitig die ersten kleinen Brecher überkamen.

      „Der Wind weht zwar riesige Berge zusammen“, sagte er dann, „aber leider keine logischen Gedanken. Dieser Chamsin bläst durch die leeren Grotten gewisser Hirnzellen, die sich langsam wieder auffüllen, aber leider nur mit Sand, was den sogenannten Gehirnrindenverfall hervorruft. Da kann ich nur sagen: Sapientia prima stultitia caruisse.“

      „Ist das schlimm?“ fragte Old Donegal verunsichert.

      „Nicht unbedingt, jedenfalls nicht körperlich. Es bedeutet nur soviel wie: Aller Weisheit Beginn ist es, der Torheit ledig zu sein.“

      „Und wer hat nun recht?“ wollte Old Donegal wissen. „Du legst hier immer ein paar kluge Sprüche auf Stapel, und dann verziehst du dich wieder. Gibt es jetzt Dünen, die früher mal richtige Wellen waren, oder nicht? Kann das Meer davon zugeschüttet werden?“

      „Weder das eine noch das andere. Lediglich eure Hohlköpfe können zugeweht werden, wenn ihr die Mäuler so weit aufreißt.“

      „Das ist doch die Höhe!“ empörte sich der Profos. „Natürlich habe ich recht, da hätten wir diesen Meisenarsch gar nicht erst zu fragen brauchen.“

      „Der hat auch nicht alle Weisheit der Welt gepachtet!“ Old Donegal winkte lässig ab. „Ich weiß, daß es sich so verhält, und damit basta und paletti. Hab ich alles in meinen jungen Jahren auf der ‚Empress‘ selbst erlebt. Da sind wir im Sandsturm durchs Meer gefahren, und am anderen Morgen lagen wir in einer Oase. Mitten im Brunnen drin. Die Araber staunten nur so, als ihnen die Kokosnüsse von den Palmen fielen.“

      „Da gibt’s keine Kokospalmen“, sagte Smoky, „du meinst wahrscheinlich Dattelpalmen.“

      „Na ja, die Nüsse waren ziemlich klein.“

      „Und wie seid ihr da wieder herausgelangt?“

      „Mit der nächsten Flut. Da stand die Oase zum Glück unter Wasser. Aber unten drunter war alles voller Sand.“

      „Genau wie im Meer“, meinte Smoky.

      Der Profos sah dem kommentarlos davonhumpelnden Alten mit zusammengekniffenen Lippen nach.

      „Glaubst du den Scheiß etwa, Smoky?“

      „Na ja, man muß bei dem alten Burschen immer ein paar Abstriche machen. Manchmal übertreibt er ein wenig.“

      „Davon ist kein Wort wahr!“ wetterte Carberry. „Der wollte uns nur ganz saftig verschaukeln.“

      Old O’Flynn aber verholte in seine Kammer. Um den heraufziehenden Sturm scherte er sich den Teufel. So ein Stürmchen hatte ihn noch nie sonderlich gejuckt. Er ging zum Schapp und holte eine Buddel hervor, die er im Licht der flackernden Laterne erst einmal ausgiebig betrachtete. Dann schnalzte er mit der Zunge und gurgelte das kristallklare Zeug genüßlich weg.

      Es handelte sich dabei um Wasser aus dem Quell der ewigen Jugend. Diesen Jungbrunnen hatten seine Enkelchen, die Zwillinge Hasard und Philip, auf den Seychellen entdeckt. Old O’Flynn hatte sich dementsprechend kräftig damit eingedeckt. Weil er felsenfest davon überzeugt war, das Zeug würde ihm seine Jugend zurückgeben, trank er Unmengen davon. Und nach jedem Schluck spürte er neue Kräfte in sich.

      Ha, das war ein Wässerchen! Es schmeckte zwar schon ein wenig schal, doch das tat der Sache nicht den geringsten Abbruch. Daher spülte er auch immer mit einem kräftigen Schluck Rum nach. Das gab dann genau die richtige Würze.

      Er legte sich auf die Koje, grinste zufrieden und beschloß, von Great Abaco, dem Stützpunkt, seiner Snugglemouse Mary und dem Söhnchen zu träumen, das sich inzwischen sicher schon zu einem prachtvollen Young O’Flynn entwickelt haben mußte.

      Draußen heulte und pfiff der Chamsin sein grausiges Lied.

      Old O’Flynn ließ ihn pfeifen und pfiff ihm selbst was. Innerhalb kurzer Zeit war er eingeschlafen.

      Inzwischen ging es an Deck hoch her. Damit war allerdings keine fröhliche Stimmung gemeint.

      Die „Lady Barbara“ hatte jetzt ernstlich zu kämpfen. Das Vorgeplänkel war vorbei. Jetzt taten sich langsam, aber sicher die Tore zum Vorhof der Hölle auf. Vielleicht stand sogar noch ein direkter Besuch hinter dem Vorhof bevor. Es sah ganz danach aus.

      Die Lady wurde bockig, als sie gegen Wellen anknüppelte, die immer größer und wilder wurden. Sie reckte die Nase hoch aus dem Wasser, als wollte sie sich orientieren, was weiter vorne los sei.

      Da war eine ganze Menge los. Schwarze, wildrollende Dünenkämme fegten heran und türmten sich auf. Mittlerweile war es pechschwarz geworden. Der Himmel war verdunkelt, es schien kein Mond, und es blinkte auch kein Sternlein.

      Am Ruder standen Don Juan de Alcazar und Pete Ballie. Sie hatten alle Hände voll zu tun, um das Schiff auf Kurs zu halten.

      Inzwischen waren bis auf die Sturmsegel alle Tücher weggenommen und zusätzlich Mann- und Strecktaue gespannt worden, damit nicht jemand unversehens über Bord ging.

      Sie hielten Nordkurs, denn weit voraus befand sich nach den Karten die arabische Küste.

      „Alle Mann nach unten, die nicht unbedingt an Deck gebraucht werden“, brüllte Hasard. „Wenn Not am Mann ist, lasse ich euch schon hochpurren. Es ist unsinnig, hier an Deck herumzustehen. Wir werden ohnehin bald vor Topp und Takel lenzen müssen.“

      „Ist ja wahr“, meinte Smoky. „Wir fressen nur Sand und Staub und schlucken dreckiges Salzwasser. Da gehen wir lieber ein bißchen zum Klönen nach unten. Wir lösen uns dann bald ab, damit die anderen auch mal Ruhe haben.“

      „Ein vernünftiger Gedanke“, sagte Hasard. Er mußte bereits aus voller Kehle brüllen, um verstanden zu werden. Der tobende und fauchende Chamsin fetzte ihm die Worte von den Lippen, und das überkommende Wasser, das sich mit wildem Zischen über die Decks ergoß, tat ein übriges.

      Viele Arwenacks


Скачать книгу