Seewölfe - Piraten der Weltmeere 295. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 295 - Burt Frederick


Скачать книгу
funkelnden Augen an. „Denkst du, ich blase zum Rückzug? Glaubst du, ich verkrieche mich wie eine lausige Bilgenratte?“

      „Das nicht. Aber es könnte ja sein, daß …“

      „Dummes Zeug!“ schnaubte Grammont. „Sieh sie dir doch an, diese armseligen Figuren. Sie haben mehr als fünfzig Mann und schaffen es trotzdem nicht, gegen uns anzustinken. Was für ein erbärmlicher Haufen ist das doch! Ich würde mir selbst in den Hintern treten, wenn ich das Pech hätte, solche Schwachköpfe zu befehligen.“

      Maurice, der neben seinem Entermesser zwei schwere Pistolen im Gurt trug, grinste breit.

      „Mir würde es nicht anders ergehen. Aber man muß die Dinge auch sehen, wie sie sind. Wenn wir den Seitenbau erreichen, können wir die Kerle besser unter Kontrolle halten. Hier im Hof können wir ihnen zwar zeigen, daß wir zehnmal besser sind als sie. Aber wenn sie’s richtig anstellen, schießen die uns derart zusammen, daß uns Hören und Sehen …“

      Was er sonst noch sagen wollte, wurde dem blonden Piraten buchstäblich von den Lippen gerissen.

      Ein mörderisches Stakkato von Schüssen setzte so plötzlich ein, so daß selbst Yves Grammont stark zusammenzuckte. Von allen Seiten stachen jetzt die grellroten Mündungsblitze der Musketen herab, und ein konzentrierter Kugelhagel prasselte auf die Deckung der Piraten. Grammont und seinen Kumpanen blieb im Augenblick nichts anderes, als zusammengekrümmt zu verharren.

      Der Piratenführer schlug mit der Faust gegen die Wagenbretter. Sein Gebrüll konnten nur die Männer in unmittelbarer Nähe verstehen. Im Krachen der Schüsse ging jeder andere Laut unter.

      „Ihr gottverdammten, lausigen Uniformärsche! Ich werde euch den Hintern aufreißen, verlaßt euch drauf! Eure lächerliche Festung legen wir in Schutt und Asche! Und das ganze stinkende Kaff dazu, wenn es sein muß!“

      „Rückzug!“ schrie Maurice, der Blonde, seinem Anführer ins Ohr. „Noch haben wir eine Chance!“

      Yves Grammont gab ihm mit einem unwilligen Handzeichen zu verstehen, daß er einverstanden war.

      Unvermittelt ließ der Feuerzauber nach. Die Phase des Nachladens hatte begonnen. Auch die Soldaten und die Stadtgardisten kochten nur mit Wasser.

      Jäh schnellte Grammont hoch und stieß die doppelläufige Pistole über das zersplitterte Wagenholz hinweg. Zweimal kurz hintereinander brüllte die schwere Waffe, und von den nahen Burgzinnen gellte ein Schrei. Eine dunkle Silhouette schraubte sich vor dem düsteren Nachthimmel hoch und kippte langsam vornüber. Der Schrei endete mit einem klatschenden Aufschlag.

      Grammonts Horde stimmte ein Triumphgeheul an. Doch es war nur von kurzer Dauer. Keiner von ihnen vermochte später zu sagen, wie es sich genau abgespielt hatte. Möglich, daß sie in der Freude über den glänzenden Schuß ihres Anführers etwas zu unvorsichtig geworden waren. Möglich aber auch, daß sie in der Wuhling ihres beginnenden Rückzugs nicht sorgfältig genug auf Dekkung achteten.

      Schlagartig setzte das massierte Musketenfeuer der Uniformierten wieder ein. Sie waren mit dem Nachladen schneller fertiggeworden als Yves Grammont vermutet hatte.

      Der Schreck packte ihn, als sein Nebenmann, der für ihn geladen hatte, plötzlich ohne einen Laut zusammensank. Grammont stieß die leergeschossene Doppelläufige unter seinen Gurt und riß dem Sterbenden das Tromblon aus den Händen, das wieder schußbereit war. Der Mann hatte kein Gesicht mehr, die Musketenkugel hatte Furchtbares angerichtet.

      Grammont bezwang seine ohnmächtige Wut. Gemeinsam mit Maurice deckte er den Rückzug der anderen. Das Tromblon taugte nicht viel für die größere Distanz. Immer noch prasselten die Musketenkugeln gegen die umgestürzten Wagen.

      Grammont schnappte sich die Pistole des Toten, dann auch dessen Pulverflasche und den Kugelbeutel und lud in fliegender Hast die Doppelläufige und die Einschüssige nach. Er gab seinem blonden Kumpan ein Handzeichen.

      Maurice nickte.

      Federnd schnellte Grammont hoch und lief geduckt zu dem zweiten Wagen hinüber. Maurice feuerte nacheinander zwei Schüsse ab. Dennoch konnte er nicht verhindern, daß die Kugeln seinem Anführer wie ein wütender Hornissenschwarm folgten. Mit häßlichen Lauten schlug sich das großkalibrige Blei auf dem Kopfsteinpflaster platt.

      Grammont erreichte die Deckung unbeschadet, doch im selben Moment gellte ein markerschütternder Schrei. Einen Atemzug lang glaubte er, es hätte Maurice erwischt. Doch dieser war bereits damit beschäftigt, seine Waffen nachzuladen.

      Yves Grammont wandte sich um. Einer seiner Männer, die den Durchgang zum Seitenbau schon erreicht hatten, kippte mit hochgerissenen Armen hintenüber. Sein Schrei versiegte, als er hart auf das Steinpflaster schlug.

      Grammont brüllte eine Verwünschung zu den Burgmauern hinauf, doch im Höllenlärm der Schüsse ging seine Stimme unter. Nur noch sechs Männer hatte er jetzt. Aber verdammt, deshalb gab er sich nicht geschlagen. Noch lange nicht.

      Zähneknirschend brachte er die Doppelläufige in Anschlag, um auch Maurice den Rückzug zu ermöglichen. Der Blonde schaffte es fast mühelos. Nachdem sie nachgeladen hatten, wichen Grammont und sein Kumpan feuernd zurück.

      Sie erreichten den schützenden Mauervorsprung in der Nähe des Durchgangs zum Seitenbau. Nur noch drei, vier Schritte brauchten sie jetzt, um sich in Sicherheit zu bringen. Der Rückzug, den Yves Grammont eben noch weit von sich gewiesen hatte, erwies sich jetzt als einzig rettender Ausweg.

      Ein Stöhnen war unvermittelt zu hören, ganz nahe. Grammont stieß mit dem Fuß gegen etwas Weiches. Zu sehen war nichts. Der Schein der wenigen Fakkeln reichte nicht bis hierher.

      „Was, zum Teufel, ist das?“ fauchte Grammont.

      „Der Gefangene“, antwortete Maurice, der sich neben ihn gedrängt hatte. „Lassen wir ihn zurück! Wir brauchen ihn nicht mehr.“

      Grammont war kurz davor, erneut aufzubrausen. Aber er bezwang sich. Die anderen hatten ebenso eigenmächtig entschieden, als sie kurzerhand darauf verzichtet hatten, den Kerl mitzunehmen.

      „Doch!“ zischte Grammont. „Schnapp ihn dir, Maurice, los, los!“

      Der Blonde gehorchte schweigend. Sie nutzten eine kurze Feuerpause, die die Soldaten und Stadtgardisten einlegten, da sie kein erkennbares Ziel mehr vor Augen hatten. Maurice schleifte den Gefesselten mit sich. Unbehelligt erreichten Grammont und er den Durchgang, in dessen Beginn zwei ihrer Kumpane ausharrten, bereit, ihnen Feuerschutz zu geben.

      „Weg hier!“ befahl der Anführer der Piraten. Maurice und er hasteten weiter, während die beiden anderen die schwere Bohlentür zuzogen. Der Innenriegel funktionierte noch, lediglich das äußere Schloß hatten sie aufgebrochen.

      Den Seitenbau erreichten sie durch einen Gewölbekeller und über mehrere Steintreppen. Es handelte sich um eins der ehemaligen Gesindehäuser, im nordwestlichen Teil der Festung gelegen. Während sich seine Männer verschanzten, überzeugte sich Yves Grammont von den Vorzügen dieses Gebäudeteils.

      Maurice hatte recht gehabt. Hier standen ihre Chancen wesentlich besser. Die Nordseite des Traktes grenzte unmittelbar an freies Gelände, das zur Atlantikküste hin abfiel. Östlich lag Concarneau, und nach Süden und Westen schloß sich die Festungsanlage an.

      Es störte keinen der Piraten, daß die Sturmböen durch die leeren Fensterhöhlen pfiffen. Auf Gemütlichkeit waren sie nicht bedacht. Sie wußten ohnehin, daß ihnen nur noch wenige Minuten Ruhe blieben, bis ihnen die Leute des Stadtkommandanten und des Hafenkapitäns erneut auf den Pelz rückten.

      Während seine Kumpane die Waffen klarierten, zog sich Grammont mit dem Gefangenen in einen windgeschützten Winkel des leeren Raumes zurück. Der Kerl war zerlumpt gekleidet. Grammont hatte ihn als einzigen aus der Meute der bretonischen Küstenhaie überleben lassen. Denen Anführer, Le Marocain, hatte Grammont eigenhändig ins Jenseits befördert. Er packte den Zerlumpten am Kragen und stieß ihn angewidert gegen die Mauer.

      „Rede! Was ist hier passiert? Sag es mir schnell, wenn du ein bißchen an deinem Leben hängst.“

      Der


Скачать книгу