Seewölfe - Piraten der Weltmeere 295. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 295 - Burt Frederick


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Grammont hörte ruhig zu. Der Wortschwall des Marodeurs ließ sich in einem höchst niederschmetternden Umstand zusammenfassen: Nur um Haaresbreite war ihm, Grammont, der Seewolf entwischt. Dieser britische Hurensohn war zwar vom Regen in die Traufe geraten, aber das änderte nichts daran, daß die Dinge für ihn ungleich besser standen.

      Die Soldaten hängten ihn nicht an die nächstbeste Rahnock. Nein, die brachten ihn zu ihrem Stützpunkt, wo dann die höheren Chargen zu entscheiden hatten, was mit dem verdammten Engländer und seiner Mannschaft zu geschehen hatte. Und bis dahin war es ein weiter Weg.

      Vieles konnte auf diesem Weg geschehen.

      Grammont fragte sich, wo sein Freund Saint-Jacques mit der „Louise II“ blieb. Aber wenn er sich die Dinge richtig zusammenreimte, dann gab es eigentlich nur eine Möglichkeit: Saint-Jacques mußte die Verfolgung des Seewolfs aufgenommen haben.

      Easton Terry würgte seine Übelkeit herunter. Hölle und Teufel, er mußte seinen ganzen Widerstandswillen aufbieten, damit er ihm nicht hochkam. Das lag nicht etwa daran, daß ihm das Herz oder wer weiß noch was in die Hose gerutscht war. Für einen, dem keine Seebeine gewachsen waren, gab es dazu allerdings Anlaß genug.

      Das Brüllen des Sturm hörte sich in der engen Vorpiek schlimmer an als es in Wirklichkeit sein mochte. Brecher krachten immer wieder auf das Vordeck, und eine ängstliche Natur mochte dabei das Gefühl haben, jeden Moment lebendig begraben zu werden. Und dann, gefesselt und hilflos eingeklemmt zwischen geborstenen Planken, hinabzurauschen in das nasse Grab.

      Nein, Easton Terry, der breitschultrige, muskelbepackte Korsar, war kein Mann, der sich von Stimmungen dieser Art deprimieren ließ. Seine Lage war miserabel und so gut wie hoffnungslos, na gut. Und es hätte ihm gewiß besser gefallen, jetzt mit beiden Füßen auf den Decksplanken zu stehen und den Böen und Brechern zu trotzen. Aber das alles – die Fesseln und die Enge der stockfinsteren Vorpiek – war noch lange kein Grund, sich in ein winselndes Häufchen Elend voller Selbstmitleid zu verwandeln.

      Nein, es war der Gestank, der Terrys Übelkeit hervorrief.

      Seit der Sturm begonnen hatte, spuckte sich einer der beiden Franzosen die Seele aus dem Hals. Oder waren es alle beide?

      Terry vermochte nicht mehr genau zu unterscheiden, ob das fortwährende Stöhnen, Keuchen und Husten nur von einem seiner Mitgefangenen oder von beiden herrührte. In einer Ecke der Vorpiek, nach Backbord hin, hatte er Halt zwischen den Zurrings eines Fasses gefunden.

      Die Franzosen waren da wesentlich ungeschickter. Jedesmal, wenn das Schiff hart nach Backbord krängte, kriegte er etwas ab – einen Stiefel, der sich in seine Magengrube drückte, einen Ellenbogen, der sich in seinen Brustkasten bohrte, oder ein Knie, das sich wesentlich unangenehmere Körperteile aussuchte.

      Jedesmal überschüttete Easton Terry die beiden Kerle mit Flüchen und Beschimpfungen. Aber es half alles nichts. Wer auch immer es war, er setzte seine Speierei ununterbrochen fort, und auch sonst gab es von den beiden keine Reaktion.

      „Seid ihr total blöd, Frenchies?“ schrie Terry, als es für einen Moment ruhiger wurde. Der Sturm schien eine Atempause einzulegen. „Statt hier die Bude vollzukotzen und wie Hampelmänner durch die Gegend zu purzeln, solltet ihr lieber euren Grips anstrengen!“

      Er horchte in die Finsternis. Keine Antwort. Nur dieses Würgen. Immer noch. Der Teufel mochte wissen, was der Kerl alles aus seinem Magen herausholte. Vielleicht versuchte er, ihn von innen nach außen zu stülpen.

      „Wenn ihr meine Sprache nicht versteht, dann müßt ihr es sagen!“ Terry hatte die beiden Soldaten kaum richtig zu sehen gekriegt. Nur zu dem Zeitpunkt, als der Bastard Killigrew sie zusammen mit ihm in die Vorpiek geworfen hatte. Und dann noch ein paarmal, wenn der Fraß aus der Kombüse gebracht worden war.

      Meist hatten das die Söhne des Seewolfs besorgt, diese beiden kleinen Strolche, die Philip Hasard Killigrew wie aus dem Gesicht geschnitten waren. Eine Chance, sie zu überrumpeln, hatte es trotzdem nicht gegeben. Immer hatte einer von den anderen draußen vor dem offenen Schott gestanden. Meist Carberry, dieses Urvieh von einem Profos, mit dessen Fäusten Terry nicht unbedingt näher bekannt werden wollte.

      Einmal hatte der Wikinger, dieser behelmte Affe, die Zwillinge beaufsichtigt. Nein, für die Crew des Seewolfs und alle anderen, die mit ihm verbündet waren, hatte Easton Terry kein einziges gutes Wort mehr.

      Auch die Erinnerung an den gemeinsamen Auftrag, mit dem Philip Hasard Killigrew und er den Hafen von Plymouth verlassen hatten, war verblaßt. Killigrew hatte sich als ein Kerl erwiesen, der zuviel von seinem verdammten Ehrgefühl hielt. Terry wünschte sich, dem verhaßten Gegner noch einmal gegenüberzustehen. Nur ein einziges Mal noch. Eine zweite Niederlage würde es nicht geben. Verdammt noch mal, nein, ein zweites Mal sollte ihn der Bastard Killigrew nicht kleinkriegen.

      Terry ertappte sich dabei, daß seine haßerfüllten Gedanken abgewandert waren.

      Die Frenchmen spuckten alles mögliche aus, nur keine Antwort.

      Terry kramte seine Sprachkenntnisse zusammen.

      „Vous comprenez – äh – English? Anglais?“ knurrte er. „Versteht ihr Englisch?“ Und noch ein Wort fügte er hinzu, das, wie er von gelegentlichen Begegnungen mit Franzosen wußte, bei jeder Gelegenheit zu passen schien: „Merde!“

      Wieder blieb es still, bis auf die übelkeitserregenden Geräusche, die Terry hinlänglich kannte.

      „Zum Teufel“, stöhnte er, „kapiert ihr denn überhaupt nichts? Wir sitzen in einem Boot, versteht ihr? Und wenn ihr euch endlich mal zusammenreißen würdet und mit eurer dämlichen. Spuckerei aufhört, dann würdet ihr vielleicht erkennen, daß wir uns in einer sehr günstigen Situation befinden.“ Er hielt inne. Himmel, mußte er ihnen das jetzt noch alles übersetzen?

      „Habt ihr verstanden?“ brüllte er. Außerhalb des Schotts hörte ihn garantiert keiner. Der Sturm übertönte alles andere. „Die gesamte Mannschaft ist im Einsatz. Die haben keine Hand frei. Wenn wir jetzt einen Ausbruchsversuch unternehmen, steht es günstig für uns. Aber, verdammt, wir können uns nur gemeinsam von den Fesseln befreien! Geht das endlich in eure hirnrissigen französischen Schädel?“

      Wieder schien es keine Reaktion zu geben. Terry war im Begriff, endgültig zu resignieren, als unvermittelt ein Räuspern aus der Dunkelheit erklang. Dann eine Stimme, akzentbeladen, doch in gut verständlichem Englisch.

      „Wir begreifen sehr gut, was Sie sagen, Monsieur. Wir wünschen aber keine Unterhaltung mit Ihnen. Da wir Soldaten sind, haben wir den Status von Kriegsgefangenen. Es läßt sich nicht mit unserer Soldatenehre vereinbaren, mit einem britischen Korsaren gemeinsame Sache zu machen. Mehr wünschen wir nicht zu sagen. Richten Sie sich bitte danach, Monsieur.“

      Eine Sekunde lang hatte Easton Terry das Gefühl, er müsse sich an dem verschlucken, was er soeben gehört hatte. Dann schlug seine Verblüffung in Wut um.

      „Ihr Drecksäcke!“ schrie er. „Ihr elenden Drecksäcke, was bildet ihr euch ein? Woher nehmt ihr Jammerlappen die Unverschämtheit, solche Töne anzuschlagen?“

      Eine Antwort blieb diesmal zwangsläufig aus, denn der Sturm holte zu einem neuen Schlag gegen die „Hornet“ aus. Die Galeone krängte hart nach Backbord, und Easton Terry spürte einen der Franzosen als schweres Bündel über sich.

      Terry zog die Knie mehrmals ruckartig an. Wohin er den Franzosen traf, konnte er nicht feststellen, aber der Mann rutschte schreiend von ihm weg, als sich das Schiff stabilisierte.

      Easton Terry grinste in die Dunkelheit hinein. Wenigstens für den Augenblick hatte er ein kleines Gefühl von Genugtuung.

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