Seewölfe - Piraten der Weltmeere 70. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 70 - Roy Palmer


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klatschten ins Wasser.

      „Eine Drehbassenkugel!“ rief Old Donegal Daniel O’Flynn.

      Und Matt Davies schrie: „Von unserem eigenen Schiff!“

      Carberry war bis zum Backbordschanzkleid des Piratenschiffes gekrochen. Er riß seine Pistole aus dem Gurt, spannte den Hahn, schob sie hoch. In diesem Augenblick sah er etwas, das ihn buchstäblich erstarren ließ.

      Ein paar Festmacherleinen, die die Schiffe miteinander verbunden hatten, baumelten diesseits des Schanzkleides herab. Sauber durchgetrennt. Gekappt. Aber das war es nicht. Eine davon war keine Leine, kein Tampen, und sie hing auch nicht lose auf Deck, sondern führte bis zur Gräting, dann durch den Holzrost bis in den Schiffsbauch hinunter.

      Eine Lunte. Ihr Ende glomm leise knisternd dahin. Zug um Zug schmolz es weg – Carberry gingen die Augen über. Er schluckte, dann packte er zu. Das Luntenfeuer sengte ihm die schwieligen Hände an, aber – o Schockschwerenot – es war ihm so verdammt egal. Wenigstens brachte er die Glut zum Ersticken. Dafür war kein Preis hoch genug.

      Auf der Pier balgten sich immer noch der Seewolf und der Sizilianer. Hasard steckte zwei Hiebe ein, dann richtete er sich unter dem Gegner auf und preßte ihm die Mündung der Doppelläufigen gegen den Leib.

      Die Crew sah es. Ben Brighton, Al Conroy und ein paar andere hatten schon ihre Waffen auf die Kämpfenden angelegt. Aber sie konnten nicht auf Lorusso abdrücken. Sie riskierten, ihren Kapitän mit zu töten oder zumindest zu verletzen. Ihnen waren im wahrsten Sinne des Wortes die Hände gebunden.

      „Drück ab, Hasard!“ rief Al Conroy jetzt.

      „Ja, töte ihn!“ schrie Gary Andrews.

      Hasards eisblaue Augen fixierten den Gegner. Lorusso verhielt, spürte den Druck der Waffe, sah an sich hinunter und fuhr zusammen, als er die Waffe erblickte. In seinem blindwütigen Eifer hatte er nicht bedacht, daß der Seewolf die Radschloßpistole nicht verloren hatte.

      „Bring mich nicht um“, sagte er entsetzt.

      „Du Ratte“, erwiderte Hasard. „Ich habe einen Fehler begangen. Einen deiner Männer habe ich oben in der Mine getötet, fünf habe ich gefangengenommen. Fünf befanden sich auch in deiner Begleitung, als wir dich überraschten und festnahmen. Das sind elf – mit dem Toten. Vier Mann verließen das Deck deines Zweimasters. Macht fünfzehn. Ich habe den sechzehnten vergessen. Er versteckte sich auf meinem Schiff, dann, als keiner hinsah, kappte er die Taue.“ Hasard sprach so laut, daß es alle verstehen konnten, auch der Profos.

      „Ich habe es nicht bemerkt“, flüsterte Lorusso. Der kalte Angstschweiß war ihm ausgebrochen.

      „Du lügst.“

      „Ich schwöre es.“

      „Was ist denn dein Schwur wert?“

      „Bei allem, was ich habe, bei allem, was mir etwas bedeutet – bei meinem Leben“, haspelte der Sizilianer hervor. „Ich schwöre, daß ich es nicht wußte.“

      „Es war ein abgekartetes Spiel?“

      „Nein, nein, bestimmt nicht.“

      Carberry, immer noch hinter dem Schanzkleid des Piratenseglers in Dekkung, schrie: „Und eine Lunte zu den Pulverfässern im Frachtraum hat dieser Hundesohn gelegt und angezündet, bevor er mit der ‚Isabella‘ auf und davon gegangen ist!“

      „Lösche sie, Ed!“ rief Matt Davies.

      „Das hab ich doch schon getan, du Tintenfisch!“ dröhnte es zurück.

      Immer weiter dümpelte die „Isabella VIII.“ in die Kraterbucht hinaus. Hasards Crew legte mit Musketen und Arkebusen auf das eigene Schiff an. Edwin Carberry entdeckte, daß eins der Backbordgeschütze auf dem Zweimaster fix und fertig geladen war. Er stieß die Stückpforte auf, brachte die Kanone in Feuerstellung und schickte sich an, die Lunte zu entfachen.

      „Hasard!“ rief er. „Der Henker soll mich holen, aber ich muß auf die ‚Isabella‘ feuern. Gib mir den Befehl, und ich verpasse ihr mit der Kanone hier ein Ding, das sich gewaschen hat!“

      „Warte, Ed!“

      Von Bord der „Isabella“ klang ein hämisches Lachen herüber. Alle spähten hinüber. Auch der Profos lugte über den oberen Rand des Schanzkleides – nur Hasard hielt die Augen unverwandt auf Lorusso gerichtet.

      Auf der „Isabella“ lief eine Gestalt auf und ab. Sie hatte die eine Drehbasse des Achterdecks abgefeuert, jetzt wechselte sie zu der anderen hinüber.

      „Lorusso“, sagte Hasard. Er sprach nicht einmal besonders laut. „Du hast noch eine Chance. Bring diesen Schweinehund von seiner Wahnsinnsidee ab. Du hast dein Schicksal selbst in der Hand.“

      Der Sizilianer fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. Sie schmeckten spröde und salzig. In seiner Kehle schien ein Kloß festzusitzen, er würgte, kriegte ihn aber nicht herunter. Er drehte sich zu den Terrassen um.

      „Ovidio!“ brüllte er heiser.

      „Capo?“

      Ovidio, der Kalabrese, war die rechte Hand des Piratenführers. Ihn hatte der Seewolf als ersten oben in der Mine übertölpelt. Er lag jetzt flach neben seinen Bewachern auf einer der Hangterrassen.

      „Ovidio, wer ist der Hurensohn auf dem Schiff?“

      „Ahmed, Capo.“

      „Der Türke“, murmelte Lorusso. „Zerspringen soll er, daß er mir das eingebrockt hat …“

      „Du verlierst Zeit“, sagte Hasard kalt. „Beeil dich.“ Er drückte nur etwas fester mit der Reiterpistole zu, und Lorusso richtete sich steif und voller Angst auf.

      „Ahmed!“ donnerte seine Stimme aufs Wasser hinaus.

      Stille breitete sich aus. Hasards Männer an Land kauerten bereits fertig zum Aufspringen. Ben Brighton hatte ein Zeichen gegeben. Jawohl, sie würden das Ufer hinabjagen und versuchen, sich zu Carberry zu gesellen. Ahmed konnte sie mit einem einzigen Drehbassenschuß ins Jenseits befördern, aber trotzdem würden sie es wagen.

      Denn der einzige Weg, die „Isabella“ zurückzugewinnen, war die Verfolgung. Ben Brighton war zumindest davon überzeugt.

      „Wir müssen diesem Halunken mit dem Zweimaster nach“, sagte er immer wieder. „Wir müssen es schaffen, sonst sind wir unser Schiff und den Schatz für alle Zeiten los!“

      „Ahmed!“ schrie Lorusso noch einmal.

      Wider Erwarten erfolgte die Antwort: „Ich höre dich!“

      Schrill wehte die Stimme von Bord der „Isabella“ herüber. Sie schien einem total Übergeschnappten zu gehören. Ahmed hatte sämtliche Trümpfe in der Hand, aber das Spiel schien erheblich an seinen Nerven zu zerren.

      „Dreh sofort bei und kehre zum Anleger zurück!“ brüllte der Sizilianer. „Das ist ein Befehl!“

      „Den Teufel werde ich tun!“ gellte es zurück.

      „Ich erwürge dich, du Bastard!“

      „Versuch’s!“ schrie Ahmed triumphierend. „Mich kriegst du nicht mehr. Mich erwischt keiner mehr, denn ich habe ein wunderbares, schnelles Schiff ergattert, das auch ein einzelner Mann eine beträchtliche Strecke steuern kann.“

      „Ahmed!“ Lorussos Stimme zitterte jetzt. „Der Seewolf – er bringt mich um, wenn du nicht augenblicklich umkehrst!“

      Ahmeds Gelächter tönte meckernd herüber. „Soll er dich abservieren! Es ist mir scheißegal, was mit dir geschieht, Lorusso! Kratz ab! Du hast mich lange genug gepiesackt. Das Blättchen hat sich gewendet. Du kannst mich mal, du alter Narr!“

      Lorusso war den Tränen nahe. Er versah auch jetzt, kurz vor dem Abschluß seines fluchwürdigen Daseins, seine Rolle mit südländischer Theater-Grandezza.

      „Der Sturm soll dich zerschmettern, du Türkenhund!“


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