Seewölfe Paket 16. Roy Palmer

Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer


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der Marquess oder ein anderer sorgen. Dann können sie uns den Siegelbruch vorwerfen und anhängen.“

      Der Profos sah Hasard an und zeigte jenes schlitzohrige Grinsen, das alle so gut an ihm kannten. Entweder spielte er dann den frommen unschuldigen Pilger, oder er hatte etwas in petto.

      „Der ehrenwerte durchlauchte Lümmel wird gar keine Gelegenheit haben, das Siegel zu beschädigen“, erklärte er grinsend. „Wir schlagen die Kette durch, dazu haben wir einen kräftigen Schmied. Väterchen wird das …“

      „Nenn mich noch einmal Väterchen wie dieser Lümmel“, drohte Shane, „dann wirst du was erleben. Du bist wohl auch scharf auf eine Cornwallsche Kopfnuß, he?“

      „Streitet euch nicht, ihr Hammel“, sagte Ferris Tucker. „Erzähl mal weiter, Ed. Wie stellst du dir das vor?“

      „Ganz einfach. Shane und ich oder ein anderer zerdeppern die Kette. Und Ferris wird dann ein bißchen sägen.“

      „An der Kette?“ fragte der Schiffszimmermann ungläubig.

      „Quatsch.“ Der Profos hatte schon fast einen zuviel. „An dem Poller natürlich, an dem die Kette hängt.“

      „Und dann?“

      „Dann sägst du noch ein bißchen an der Holzpier rum und wir nehmen den ganzen Krempel mit. Dann haben wir beide Siegel unbeschädigt an Bord, und was können wir dafür, daß die Kette kaputtging?“

      „Toll“, sagte Hasard anerkennend, „wirklich toll, Ed. Den Schaden bezahlen wir später aus eigener Tasche, der ist gering.“

      „Noch was“, sagte der Profos etwas mühsam. „Wir müssen die Siegel natürlich sehr gut aufbewahren, denn ihnen darf nichts geschehen. Deshalb ernennen wir Old O’Flynn zum Siegelbewahrer. Na, ist das ein Titel, du altes Rauhbein? Königlicher Siegelbewahrer, darauf kannst du dir aber mächtig was einbilden.“

      „Auf was warten wir noch?“ schrie Luke Morgan angriffslustig. „Nichts wie nach oben und die Kerle zur Brust genommen. Und dann ab!“

      „Sehr gute Idee“, sagte Hasard. „Aber die führen wir erst in der nächsten Nacht durch, gegen Morgen, wenn die Kerle müde und dösig werden. Heute geben wir den armen Soldaten eine Runde heißen Rum aus, als Entschädigung für die Beulen, die sie morgen haben werden. Und wir werden sie auch nicht zusammengeschlagen auf dem Kai liegen lassen, wir verfrachten sie auf die ‚Hornet‘, damit sie nicht erfrieren.“

      „Ist das dein Ernst mit dem heißen Rum, Sir?“ fragte der Kutscher.

      „Natürlich. Die Soldaten selbst sind doch arme Hunde, die vom Marquess gezwungen werden. Frage den Hauptmann, ob er und seine Kerle einen heißen Rum haben möchten.“

      Der Kutscher tat, wie ihm geheißen und erkundigte sich an Deck mit freundlichen Worten, wie Hasard ihm aufgetragen hatte.

      Doch der Hauptmann war ein ausgesprochener Rüpel und brüllte ihn an: „Für wie dämlich haltet ihr mich eigentlich, he? Euer heißer Rum ist nichts anderes als Gift, und danach sind wir alle tot. Wag nicht noch einmal, so dämliche Fragen zu stellen, du Halunke.“

      Dem Kutscher stieg die Galle hoch. Er hatte mit wohlgesetzten Worten und freundlich gefragt und erhielt diese Antwort.

      „Leck mich doch, du abgewrackter Hampelmann!“ fluchte er zurück.

      „Der Kutscher kann ja auch fluchen“, sagte Ed staunend, „und wie! Aber du hast ganz recht, das ist eine miese Bilgenratte, und es wäre ein Jammer, dem Kerl auch noch heißen Rum zu geben.“

      „Dafür kriegt er zwei Ohrfeigen mehr“, versprach Hasard. „Und zwar von mir persönlich, allein wegen dieser Unterstellung, wir würden heimtückisch jemanden vergiften. Es bleibt also dabei, wir besprechen jetzt die näheren Einzelheiten und brechen in der nächsten Nacht durch.“

      Thorfin Njal rieb sich in der Vorfreude darauf seine mächtigen Hände und steuerte eine weitere Idee bei.

      „Ich bin um die verabredete Zeit da, und zwar mit zehn Mann. Sobald wir die Kerle zusammengedroschen haben – deine Königin wird dir das verzeihen, schließlich ist sie durch dich reicher geworden –, pullen wir sofort wieder an Bord zurück und gehen augenblicklich ankerauf. Das heißt, das können die anderen inzwischen erledigen, und wir pullen dem Schiff nach. Wir müssen eher auf See sein als ihr, das ist vor allem wichtig.“

      „Das verstehe ich nicht ganz“, sagte Hasard.

      „Das ist so“, erklärte der Wikinger. „Ich möchte gern draußen vor der Bucht ein wenig rumkrebsen, denn wenn deine Flucht bemerkt wird, folgt dir das ganze Geschwader von Torfkähnen. Sollen sie ruhig von mir denken, ich wäre ein seemännischer Trottel, aber dieses Späßchen will ich auskosten. Ich krebse vor denen so hilflos und dämlich herum, daß sie alle Mühe haben, dir zu folgen. Bei Odin, was werden diese lausigen Tranköpfe mich verfluchen! Und ich werde mich in mein Sesselchen setzen und mich krank lachen. Und ich wette mit dir, Hasard, daß ein oder zwei dieser lausigen Nachttopfsegler mit meinem Schiffchen kollidieren, und das wird ihnen verflucht gar nicht gut tun. Einverstanden?“

      Eine riesige Pratze ergriff Hasards Hand und schüttelte sie. Und noch bevor der Seewolf sein „Einverstanden“ sagen konnte, da begann der bärtige Riese so schaurig zu lachen, daß selbst Ramsgate um die Stabilität des Schiffes zitterte.

      Aber sein Gelächter wirkte anstekkend, und weil sie alle für derbe Späße dieser Art zu haben waren, lachte bald die ganze Mannschaft immer wilder und unbändiger.

      Und je mehr und lauter sie lachten, desto saurer wurden die Gesichter der Soldaten, ganz besonders das des Hauptmanns, der sich ernsthaft fragte, ob diese Kerle noch normal waren. Durften nicht an Land, wurden hier sozusagen unter Hausarrest gehalten und hatten nichts anderes zu tun, als an Bord wilde Feste zu feiern. Und trotz ihrer hoffnungslosen Lage waren sie fröhlich und guter Dinge.

      Der Teufel sollte aus diesen Kerlen schlau werden.

      Durch das dichte Schneetreiben sah auch keiner der Soldaten, wie ein paar Stunden später wieder zwei Gestalten heimlich das Schiff verließen und davonpullten.

      Gleich darauf wurden sie vom Schneetreiben und der Finsternis verschluckt.

      5.

      In der Frühe des nächsten Morgens wurden die Bewacher durch zwei Dutzend andere abgelöst, und gegen Abend vollzog sich der Rhythmus wieder in umgekehrter Form. Der üble Hauptmann mit seinen Gesellen war wieder da.

      Ihm selbst stank die Bewachung gewaltig, aber Befehl war Befehl, und so fror er sich fast die Knochen ab. Ihren Unmut ließen die Kerle dann an den Seewölfen aus, wenn sie sich an Deck zeigten. Sie pöbelten sie an und mekkerten, daß sie hier draußen frieren mußten, während die anderen faul herumhockten und soffen.

      Der Profos wollte sich mit einem der Kerle anlegen, doch Hasard hielt ihn zurück.

      „Keinen Ärger jetzt, Ed“, sagte er. „Wir warten nur noch den höchsten Punkt der Flut ab und darauf, daß bei Thorfin die Lampen verlöschen. Wenn das der Fall ist, geht es eine Viertelstunde später los.“

      Vom fernen Kirchenturm in Plymouth verkündeten drei dünne Tönchen, daß es nachts drei Uhr war.

      Hasard ging mit dem Profos noch einmal durch das Schiff und kontrollierte alles. Die Männer waren warm angezogen und bereit.

      Im Vordeck, in unmittelbarer Nähe des Mannschaftslogis, gab es neben der Werkstatt des Zimmermannes auch eine kleine Schmiede. Das eine war Shanes Reich, in dem anderen herrschte Ferris Tucker. Etwas weiter nach achtern hatte der alte Segelmacher Will Thorne sein Revier. Dort befanden sich die Segellast und eine größere Kammer, in der Segel zugeschnitten und genäht werden konnten. Dort befanden sich auch Ersatzhölzer, Spieren und Planken, und was alles so auf See gebraucht wurde, falls es mal eine Reparatur gab. Dort lag nebenan auch das Zeug, für das Roger Brighton verantwortlich war: Taue, Takel, Fallen, Schoten und der Bedarf für laufendes und stehendes Gut.


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