Seewölfe - Piraten der Weltmeere 405. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 405 - Roy Palmer


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zu entwischen, indem er plötzlich hochluvte und hinter ihnen auf den alten Kurs durchbrach. Aber sie ließen sich nicht hinters Licht führen und drehten nach.

      Der Seewolf und seine Männer trachteten danach, durch plötzliches Abfallen am Gegner vorbeizustoßen, aber der fiel, wenn auch mehr aus Zufall, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls ab. Was sich aus dieser Situation ergab, war ein Passiergefecht, in dem die „Isabella IX.“ die Luvposition hatte. Mit Volltreffern stieg sie in den Kampf ein, aber dann feuerten beide Seiten gleichzeitig aufeinander, und es gab Treffer bei den Spaniern und bei den Arwenacks.

      Der „Isabella“ wurde die Besanrute weggeschossen. Sie wischte mit Drall nach Backbord über das Achterdeck und nahm Hasard mit, der sich zu spät abgeduckt hatte. Wie ein Geschoß wurde er nach Luv außenbords katapultiert, und keiner seiner Männer bemerkte es in diesem Augenblick, denn ihre volle Konzentration war auf den Gegner gerichtet.

      Im übrigen herrschte Wuhling: Auf der Kuhl schrie Carberry nach dem Kutscher, weil Sam Roskill flach an Deck lag. Ein Holzsplitter hatte ihm den halben Rücken aufgerissen. Auf dem Achterdeck war Ben Brighton besinnungslos zusammengebrochen.

      Pulverqualm lag auf allen Decks, die Männer husteten und fluchten. Pete Ballie steuerte den Kurs, der die „Isabella“ an den Fünferverband der Spanier führen sollte, und die „Le Vengeur“ folgte ihm bereits, hatte aber den Gegner im Nacken.

      Ein Kettenschuß hatte Rack und Toppnanten der Großrah der „Isabella“ getroffen und zum Teil zerschlagen. Doch sie krachte erst an Deck, als Pete Ballie bereits auf dem neuen Kurs lag. Niemand wurde durch diese Spiere verletzt, aber genau in diesem Augenblick registrierte Dan O’Flynn auf dem Achterdeck, daß Hasard fehlte.

      Hasard blickte wieder zu der „Isabella“, die jetzt, ohne Besan und Großsegel, nicht mehr viel Fahrt lief und nach Lee driftete. Er glaubte, wie aus weiter Ferne eine Stimme zu vernehmen: Dan, der nach ihm rief.

      Hasard wußte nicht, daß seine Männer zunächst wie erstarrt dastanden, dann aber fieberhaft nach ihm Ausschau hielten. Wieder wehten Rufe heran, aber die Suche war zwecklos. Für sie war er verschwunden. In der eintretenden Dämmerung hatten sie weder die nötige Sicht noch die Zeit, nach ihm zu fahnden, denn jetzt war auch wieder der Gegner heran und setzte ihnen mit donnernden Kanonenschüssen zu.

      Die erste Galeone war ziemlich stark angeschlagen, aber ihr Kapitän gab trotzdem noch nicht auf. Er wollte es wissen. Verbissen nahm er den Kampf wieder auf, und mit eiserner Hand brachte er Ordnung in die Reihen seiner Männer, die gerade eben die ersten Verletzten geborgen und versorgt hatten. Das Gebrüll wollte nicht abreißen, aber der Capitán schrie lauter als alle anderen und verschaffte sich Gehör. Er ließ halsen und lief hinter der „Isabella“ her.

      Die Galeone steuerte direkt auf Hasard zu und schien ihn unter sich begraben zu wollen. In einem Abstand von nur etwa fünf Yards rauschte sie an ihm vorbei – ein beängstigender Koloß. Im Schwell ihrer Bugwelle tanzte er wie ein Korken auf und nieder. Das Wasser schlug wieder über ihm zusammen. Er konnte sich nicht mehr halten, drohte zu ertrinken, schluckte Wasser, erbrach es und kämpfte wieder mit seiner Atemnot.

      Jetzt stieg doch Panik in ihm hoch. Aus, dachte er verzweifelt, vorbei, Gott im Himmel, es ist alles aus!

      Er tauchte aber doch wieder auf, spuckte das salzige Wasser aus und schöpfte japsend und hustend neue Luft. Die Galeone war an ihm vorbei und segelte, gefolgt von der anderen Galeone, der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ nach. Die Wogen glätteten sich. Hasard gelang es, seine Panik wieder zu bezwingen. Allmählich verebbte auch der Schockzustand, er konnte wieder klare Gedanken fassen.

      Aber die Schmerzen in seinem Brustkasten blieben, und er war nach wie vor nicht dazu in der Lage, um Hilfe zu rufen. Das Tageslicht schwand jetzt rasch, von einem Moment zum anderen. Neuer Kanonenböller ertönte, Schußblitze zuckten über die See, das Gefecht ging weiter.

      Hasard konnte sich wieder in etwa orientieren: Das war südostwärts von seiner Position und gar nicht allzu weit von ihm entfernt. Dort kämpfte die „Isabella“ nun weiter gegen ihren Feind, und seinen Augen bot sich ein schaurig-schönes Bild.

      Von Bord der „Isabella“ flogen in rasender Folge Brandpfeile zu den beiden Galeonen hinüber, leuchtende Fanale in der zunehmenden Dunkelheit, die sich gierig durch Holz und Segeltuch fraßen. Gleichzeitig stachen aus den Mündungen der Kanonen grelle Lichtblitze, die den fallenden Vorhang der Nacht zerschnitten, gefolgt vom Wummern und Dröhnen der Pulverexplosionen. Schließlich torkelten Höllenflaschen mit zischenden Lunten durch die Luft, polterten auf die Decks der Spanier und flogen mit ohrenbetäubendem Krachen auseinander.

      Zum erstenmal verfolgte Hasard auf Distanz, wie seine Männer kämpften. Er war beeindruckt und besorgt zugleich. Die „Isabella“ wirkte wie ein Feuerspeier, dessen Depots sich nie leerten und dessen Reserven unerschöpflich waren. Aber konnten die Männer es schaffen, gegen zwei Schiffe zu bestehen?

      Sehr manövrierfähig war die „Isabella“ zur Zeit keineswegs, sie bewegte sich eher plump. Aber die Männer befanden sich in einem Zustand der Raserei – wegen des Verlustes ihres Kapitäns und wegen der Verletzten, die es in ihren Reihen gegeben hatte. Ihre Berserkerwut verdoppelte ihre Kräfte, sie tobten und fluchten, schossen und brüllten.

      Feuer brach auf beiden spanischen Kriegsgaleonen aus, und laufend entstanden durch die Brand- und Pulverpfeile neue Brände. Eine Galeone hatte bereits schwere Schlagseite. Es war jene, die um ein Haar über den Seewolf hinweggesegelt wäre. Gellende Schreie begleiteten die Treffer, die Ferris Tucker mit seinen Pulverflaschen erzielte. Es krachte und donnerte immer noch unablässig – und die Arwenacks waren erbarmungslos.

      Dan O’Flynn, der das Kommando über die „Isabella“ übernommen hatte, brachte abwechselnd die Breitseiten zum Einsatz. Inzwischen waren die Spanier zu sehr mit dem Löschen der Brände beschäftigt, um ihrerseits noch zurückfeuern zu können. Das Grauen vor diesem wild um sich schlagenden Gegner schien sie gepackt zu haben, sie vermochten sich gegen die rasenden Teufel nicht mehr zur Wehr zu setzen.

      Dieses Geschehen verlieh Hasard plötzlich neue Kraft und die Energie, durchzuhalten. Mühsam begann er zu schwimmen, aber es bereitete ihm große Schwierigkeiten. Er drehte sich auf den Rücken und beschränkte sich auf die Beinbewegungen. Viel war es nicht, es brachte ihn nur schleppend voran. Aber er bildete sich dennoch ein, näher an die „Isabella“ zu gelangen.

      Vielleicht kann ich es noch schaffen! Dieser Gedanke durchströmte ihn mit neuer Kraft, und er versuchte, die Schmerzen zu ignorieren. Als er sich einmal umdrehte und wieder Wasser trat, um die Lage zu erkunden, sah er, daß die beiden spanischen Galeonen lichterloh brannten. Für die Kapitäne gab es nur noch eine Chance: Sie mußten die Schiffe aufgeben, denn bald würde das Feuer die Pulverkammern erreicht haben.

      In der Tat: Boote wurden von den beiden Galeonen ausgesetzt – soweit sie nicht bereits zerschossen waren. Vier Jollen, mit Männern überfüllt, bewegten sich nach Süden.

      Sie fliehen zur Küste, dachte Hasard. Dann drehte er sich wieder auf den Rücken und schwamm weiter.

      Aber schon nach kurzer Zeit gab er diese Körperlage wieder auf. Trotz seiner Schmerzen zwang er sich jetzt zum Kraulstil. Noch etwa zehn Kabellängen, dachte er, und wühlte sich durch die Fluten. Der Kampfplatz schien näher zu rücken, und doch war der Abstand immer noch unendlich groß, zu groß für einen Mann, der sich behindert fühlte und sich nicht bewegen konnte, wie er wollte.

      Kurze Zeit später flogen die beiden brennenden Galeonen mit Donnergetöse auseinander. Dicke Feuerbälle leuchteten über der See, es krachte und splitterte, und die Trümmer wirbelten durch die Luft. Die Druckwelle war deutlich zu spüren, sie fuhr wie ein glutiger Hauch über Hasard hinweg.

      Dann sah er, daß die „Isabella“ nach Südosten ablief. Sie verschwand in der Dunkelheit, und mit ihr erlosch die letzte Hoffnung. Hasard versuchte, die Fassung zu bewahren, obwohl es ihn wieder fast um den Verstand brachte. Er konnte nachempfinden, was in seinen Männern vor sich ging: Sie waren hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, nach ihm zu suchen, und der Pflicht, dem Verband der Spanier zu folgen und für die Freunde und die Schlangen-Insel zu kämpfen. Sie mußten Prioritäten


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