Seewölfe - Piraten der Weltmeere 180. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 180 - Fred McMason


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worden, und daraus ließen sich Rückschlüsse ziehen.

      „Gehen wir noch etwa eine Meile weiter“, sagte der Seewolf. „Bis zu der Krümmung dort vorn, dann haben wir die ‚Isabella‘ immer noch im Blickfeld.“

      Die „Isabella“, über die jetzt Ben Brighton das Kommando hatte, war gefechtsbereit wie immer, wenn sie fremdes Land oder offenbar unbewohnte Inseln anliefen. Diese Vorsorge des Seewolfs hatte sich immer bestens bewährt, und so manche unangenehme Überraschung war ihnen dadurch erspart geblieben.

      Auf dem ranken Rahsegler war man jedenfalls wachsam und bereit, falls irgend etwas passieren sollte.

      Sie gingen weiter, und etwas später stand ihnen bereits eine neue Überraschung bevor.

      Ein Fäßchen wurde entdeckt, das an den Strand gespült worden war. Es lag auf dem Trockenen zwischen den Steinen.

      Das war es aber nicht, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, denn um das Fäßchen herum bewegte sich etwas, duckte sich zwischen die Steine und verharrte reglos.

      „Ratten“, sagte Bill. „Mann, das sind Ratten!“

      Er hob einen Stein und wollte ihn nach den beiden Ratten schleudern, aber Hasard hielt seine Hand fest.

      „Laß sie“, sagte er, „die Ratten können hier nichts ausrichten, sie werden sich auch kaum vermehren, denn was sollen sie hier schon fressen?“

      „Aber wie gelangen Ratten auf die Insel, Sir?“ wollte der Moses wissen.

      „Die sind auch von dem Schiff, du weißt ja, daß die Biester in den extremsten Situationen überleben. Irgendwie haben sie sich an Land gerettet, auf einer Planke oder auf dem Fäßchen selbst.“

      Die beiden Nager verzogen sich noch weiter, als die Männer die Stelle erreicht hatten. Eine der Ratten lief zwischen die großen Steine, die andere huschte den Strand entlang, blieb aber nach ein paar Yards sitzen und äugte frech herüber.

      Hasard deutete auf das Faß. Es zeigte starke Bißspuren, und eine der Dauben war bereits bis zur Hälfte durchgenagt.

      In den Mägen der Ratten mußte der Hunger wühlen, denn sie hatten versucht, an den Inhalt des Fasses zu gelangen, und das hätten sie innerhalb kürzester Zeit auch geschafft. Sie fraßen alles, was sie kriegten, sogar Holz, und verstanden es ausgezeichnet, sich an die jeweilige Umwelt anzupassen. Sie hatten keine Schwierigkeiten wie ein Mensch etwa.

      Während Hasard das Faß hielt, schob Carberry die Klinge seines Entermessers zwischen die -oberen Dauben. Mit einem kurzen Ruck hebelte er eine kleine Daube heraus.

      Der Duft, der dem Faß entströmte, nahm ihnen fast den Atem. Ein lieblicher Wohlgeruch drang in ihre Nasen, ein Geruch, den sie nicht kannten.

      „Irgendein Gewürz“, sagte Ferris Tucker und rieb seine Nase. „Das wird der Kutscher bestimmt verwenden können. Himmel, riecht das köstlich. Das Zeug hätten die Ratten bestimmt nicht gefressen.“

      „Da bin ich mir nicht so sicher“, sagte Hasard. „Die fressen auch Gewürze, wenn sie nichts anderes haben.“

      Der Inhalt bestand aus braunen, knospenartigen Dingern, länglichen Blüten ähnlich, die man getrocknet hatte. Aber keiner der Seewölfe hatte dieses Gewürz jemals gesehen.

      Nachdem jeder daran geschnuppert hatte und in Begeisterungsrufe über den herrlichen Duft ausbrach, verschloß Ferris Tucker das kleine Faß wieder, indem er die Daube einsetzte und festklopfte. Dann klemmte er es sich unter den Arm.

      „Auf den Gewürzinseln wächst ähnliches Zeug“, erklärte der Seewolf. „Ich bin sicher, daß auch dieses Fäßchen von dem untergegangenen Schiff stammt und nicht von einem anderen, denn der Inhalt ist knochentrocken und nicht beschädigt. Das beweist uns immer wieder, daß das Unglück noch nicht lange her sein kann.“

      Die eine Ratte wich vor ihnen zurück, als sie weitergingen, die andere hatte sich zwischen den Steinen im groben Sand bereits einen Gang gewühlt und war verschwunden.

      Der weitere Weg brachte keine Überraschungen mehr. Es wurde nichts mehr gefunden.

      Ab und zu bewegten sie sich am Wasser durch dichte Nebelschwaden. Mitunter war der Nebel so dick, daß einer den anderen nicht sah.

      Bis sie die Krümmung erreichten, verging eine halbe Stunde. Immer noch hatten sie außer den beiden Ratten kein einziges Tier gesichtet. Nicht eine Möwe ließ sich blicken, und nur einmal sahen sie einen Fisch aus dem Wasser springen.

      An der Krümmung blieben sie stehen. Der Strand lief hinter dem Bogen endlos lange weiter, und er sah genauso trostlos aus wie dieses Stück, das sie hinter sich gebracht hatten.

      Ob dies eine weitere Bucht war, oder ob es weiter hinten noch eine schmale Durchfahrt gab, war von hier aus nicht zu erkennen. Felsen nahmen ihnen die Sicht, die sich mitunter weit ins Meer schoben.

      Darin, daß sie noch nie eine einsamere und trostlosere Insel gesehen hatten, waren sich alle einig.

      Der Seewolf ging nicht denselben Weg zurück. Sie wählten einen Umweg über eine kurze Strecke ins Inselinnere, und von hier ab wurde der Weg beschwerlicher.

      Es gab keinen Pfad, nur immer wieder Steine, manche von Eis dick überzogen, andere wie glatt geschmirgelt. Der Berg, der weit vor ihnen aufragte, lag immer noch in dichtem Nebel.

      „Hier muß es doch auch mal einen Tag geben, an dem die Sonne nur ein klein wenig scheint“, schimpfte Carberry.

      „Vielleicht einen im Jahr“, erwiderte Ferris Tucker, „aber den haben wir nicht erwischt. Nein, hier möchte ich wirklich nicht begraben sein“, setzte er kopfschüttelnd hinzu.

      Die „Isabella“ hatten sie immer noch im Blickfeld, sobald die Felsen niedriger waren oder von größeren Steinfeldern unterbrochen wurden. An Bord war alles ruhig, und nur Dan konnte mit seinen scharfen Augen sehen, wenn sich jemand auf dem Deck bewegte. Er sah die hochgezogenen Stückpforten und wußte, daß sich die „Isabella“ schlagartig in eine schwimmende Festung verwandeln konnte, aber wer sollte sie hier schon angreifen?

      In einem großen Bogen kehrten sie wieder zurück. Die Feuerstelle mit den Toten hatten sie diesmal umgangen, denn der Anblick erinnerte nur an Tod, Nebel, Einsamkeit und Trostlosigkeit.

      Schließlich standen sie an dem Beiboot.

      Der Seewolf zuckte mit den Schultern.

      „Wo und unter welchen Umständen das Schiff untergegangen ist, wissen wir immer noch nicht. Also werden wir uns die andere Richtung vornehmen, diesmal mit dem Boot. Es muß hier irgendwo Klippen geben, auf die das Schiff aufgelaufen ist. Segeln wir also in die andere Richtung.“

      „Wir werden es schon finden“, sagte Dan zuversichtlich. Als er ins Boot steigen wollte, erklang von der „Isabella“ her ein scharfer, durchdringender Pfiff.

      Steif wie Marionetten verharrten sie und blickten hinüber.

      Ben Brighton stand auf dem Achterkastell und winkte. Dann legte er die Hände trichterförmig an den Mund und schrie: „Dort vorn qualmt etwas! Sieht nach Rauchzeichen aus!“

      Aus ihrer Position konnten sie es nicht sehen, aber Ben hatte von der „Isabella“ einen besseren Ausblick.

      „Zurück an Bord!“ befahl Hasard.

      „Hoffentlich hat Ben sich nicht durch den Nebel täuschen lassen“, sagte Dan. „Der sieht in der Ferne mitunter tatsächlich wie Rauch oder Qualm aus. Da kann man sich leicht irren.“

      Als sie über die Jakobsleiter aufenterten, ließ Hasard sich das Spektiv geben, während die anderen ihren Kameraden zeigten, was sie am Strand gefunden hatten.

      Hasard blickte in die von Ben angegebene Richtung. Im Spektiv sah er Berge, darunter einen von ganz beachtlicher Höhe, aber dessen Gipfel trug noch immer das dichte Nebelkleid, so daß sich keine Einzelheiten erkennen ließen.

      Auch Dan O’Flynn trat hinzu und blickte in die Richtung.

      „Das


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