Seewölfe - Piraten der Weltmeere 180. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 180 - Fred McMason


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zu sehen, aber vorhin stieg eine etwas dunklere Rauchwolke in den Himmel. Sieh mal etwas weiter nach links, dort brodelt es immer noch, aber die Abstände werden jetzt viel kürzer.“

      „Das könnte Rauch sein“, sagte Hasard nach einer Weile und setzte den Kieker ab.

      Um den Berg herum quirlte und brodelte es. Nebel stieg in langen Fahnen hoch, bildete dort eine Wolke, die wieder nach allen Richtungen auseinandertrieb und sich verflüchtigte, während weiterer Nebel vom Boden nachstieg und das Schauspiel wiederholte.

      „Vorhin war es viel dunkler, und Nebel hat diese Farbe nicht“, sagte Ben. „Glaube mir, ich habe mich nicht geirrt. Ich weiß, von was ich spreche.“

      „Ja, das stimmt“, sagte Dan. „Wenn man genau hinsieht, erkennt man noch die etwas dunklere Schicht über der Nebelwolke. Ben hat sich nicht geirrt.“

      Hasard überlegte, daß sich wohl kein Schiffbrüchiger bis oben in die Berge begeben würde, denn da wehte der Wind noch kälter, da war es viel eisiger als hier zwischen den Steinen am Strand oder den Felsen etwas weiter im Landesinnern. Andererseits, wenn jemand die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte, dann erklomm er wohl doch den höchsten Punkt, denn von da oben waren Feuer oder Rauchzeichen doch wesentlich weiter zu sehen.

      „Wie hoch schätzt du den Berg, Ben?“ fragte Hasard.

      „Gut zweitausend Yards, soweit man bis zum Gipfel sieht“, erwiderte Ben. „Das scheint ebenfalls ein erloschener Vulkanberg zu sein wie der andere, den wir vorhin schon sahen.“

      „Gut, wir segeln hin und sehen nach. Gefechtsbereitschaft bleibt bestehen. Hoch mit dem Anker! Das Boot ziehen wir hinter uns her.“

      Das Vorhaben, die Insel auf der anderen Seite zu erkunden, wurde damit aufgegeben. Außer angelandetem Treibholz würde sich da ohnehin kaum etwas finden.

      Die Entfernung mochte etwa fünf Meilen betragen, mehr waren es ganz sicher nicht.

      Der Profos ließ den Anker hieven und scheuchte die anderen Männer an Falle, Brassen und Schoten.

      Dann segelte die „Isabella“ weiter, jener Stelle entgegen, von der die geheimnisvollen Rauchzeichen stammten.

      2.

      Jede Nacht waren die Nordmänner erschienen, um die kleine Gruppe um Visser und Vermeulen auszulöschen.

      Zum größten Teil war ihnen das auch gelungen, aber bei den Nordmännern hatte es bereits sieben Tote gegeben.

      Die Holländer hatten sich wie rasende Teufel zur Wehr gesetzt.

      Das Boot hatten sie nicht mehr, damit waren wahrscheinlich de Jong und te Poel verschwunden, wie sie vermuteten. Also konnten sie die Insel auch nicht verlassen.

      Am vorletzten Tag waren sie nur noch zu dritt gewesen. Vermeulen, Visser und der schwerverletzte Breukel. Die anderen waren tot, erschlagen oder erstochen.

      In dieser Nacht starb ihnen auch Breukel unter den Händen. Sie konnten ihm nicht mehr helfen, sie konnten nicht einmal seine Schmerzen lindern. Sie hatten nichts mehr, außer dem bißchen Zeug, das sie auf dem Leib trugen, ein paar nasse Dekken und etwas Proviant.

      Trinkwasser spendete ihnen der Himmel, wenn es schneite oder regnete. Außerdem konnte man das Eis von den Steinen und Felsen brechen und vorsichtig lutschen. Das hatten sie längst herausgefunden.

      Nun hockten sie in der primitiven Hütte, die sie aus zusammengetragenen Steinen erbaut hatten, und starrten mit ausdruckslosen Gesichtern auf ihren toten Kameraden.

      Vermeulen hob kleine Steine vom Boden auf, warf sie in die Höhe und fing sie wieder auf. Das tat er seit mehr als einer Stunde. Ab und zu blickte er nach oben, wo das zerfetzte Segelleinen, das ihnen als Dach diente, im Wind flatterte.

      „Wir können hier nicht länger bleiben, Cap“, sagte Visser. „Die Kerle tauchen heute nacht bestimmt wieder auf, und dann erwischen sie auch uns. Es ist ein Wunder, daß wir überhaupt noch leben. Die Kälte, die Nässe, wir müßten längst tot sein.“

      „Ja“, murmelte der Kapitän. „Wir müßten nach menschlichem Ermessen längst tot sein, erfroren nämlich oder eingegangen an einer Lungenentzündung, aber wir sind es nicht. Wenn uns das Land nicht holt, dann holen uns diese hinterhältigen Teufel. Wie aber willst du von hier weg? Schwimmen?“ fragte der Cap höhnisch.

      „Wir waren noch nicht auf der anderen Seite, Cap. Je weiter der Weg für diese Kerle ist, desto eher werden sie es aufgeben. Ich habe keine Lust, mich einfach abschlachten zu lassen.“

      „Warum trachten sie uns überhaupt nach dem Leben?“ fragte Vermeulen. „Sie haben doch nichts davon und wissen ganz, genau, daß wir früher oder später von allein krepieren.“

      „Vielleicht belastet es ihr Gewissen, wenn wir noch leben.“

      „Gewissen? Die haben doch kein Gewissen, diese Schlächter.“

      Vermeulen erhob sich aus seiner kauernden Stellung und stand auf. Er reckte seine übermüdeten, halberfrorenen und mitunter gefühllos gewordenen Glieder. Wenn diese entsetzliche Kälte nur nicht wäre, dachte er. Alles andere ließ sich ja noch ertragen, aber die Kälte würde sie bald schaffen, noch schneller als der Hunger.

      Er trat hinaus und blickte zu der Nachbarinsel hinüber, wo die Nordmänner hausten. Aber dort war niemand zu sehen, die Kerle hockten in ihren Höhlen, fraßen ihren Proviant auf und wärmten sich.

      Ihre Toten lagen immer noch herum, niemand hatte sie mitgenommen, als der zweite oder dritte Angriff erfolgt war.

      Visser war seinem Gefährten gefolgt. Er hatte sich eine Decke um den Körper gewickelt und eine andere über den Kopf gehängt. Die beiden Männer sahen wie Gespenster aus.

      Meist redeten sie vom Essen oder von einem warmen Plätzchen, wo man sich ausziehen und trocknen konnte. Aber alle diese Gespräche führten zu nichts, sie waren bloßes Wunschdenken.

      Heute nacht, dachte er, gleich bei Anbruch der Dunkelheit, da würden diese lausigen, hohlwangigen Kerle wieder lautlos erscheinen, um sie auch noch umzubringen.

      Nein, sie konnten wegen der Kälte ohnehin kaum schlafen, und doch waren sie übermüdet und kaputt. Die Nordmänner würden diesmal leichtes Spiel mit ihnen haben.

      Sie mußten hier weg, ans andere Ende der Insel, wo sie noch nicht gewesen waren.

      „Wenn wir uns im Schutz der Hütte davonschleichen“, sagte der Cap, „dann sehen sie es nicht. Brechen wir gleich auf. Die restlichen Decken wickeln wir uns um den Körper. Das bißchen Zeug, was wir noch haben, das tragen wir leicht.“

      Visser nickte. „Und Breukel?“ fragte er, auf die Hütte deutend, in der der Tote lag.

      „Er ist tot. Wir lassen ihn da liegen. Verdammt, ich habe nicht mehr die Kraft, noch ein Grab zu schaufeln. Die Hütte wird sein Grab sein, ich kann nichts weiter für ihn tun.“

      Sie waren abgestumpft und zum Teil auch gleichgültig geworden. Es hatte Tage gegeben, da waren sie auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt und sprachen von Selbstmord.

      Aber dann, als einer nach dem anderen starb, reichte der Proviant etwas länger, und immer wieder hatten sie es hinausgeschoben, gezögert und gewartet, weil ein kleiner Funke Hoffnung sie aufrechterhielt.

      Ihr Entschluß war jetzt gefaßt. Den Nordmännern wollten sie nichts überlassen, kein Stückchen Holz, keinen Fetzen Tuch, und so nahmen sie auch die zerrissene Plane vor dem Eingang und die andere mit, die die Hütte oben abdeckte.

      Etwas später zogen sie los, zwei Elendsgestalten, die sich nur mühsam und schwerfällig fortbewegten und gebeugt dahinschlichen, als hätten sie längst den Tod in den Knochen.

      Sie nahmen die Richtung, die sie schon einmal gegangen waren. Nur gab es noch ein kleines Stück, das sie nicht erkundet hatten.

      Immer wieder drehten sie sich und blickten zu den Höhlen der Nordmänner. Alles


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