Seewölfe - Piraten der Weltmeere 136. Davis J.Harbord

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verstummte, und jetzt sah er aus wie ein Nußknacker, ein Nußknacker, der keine Nuß zerbissen, sondern heruntergeschluckt hat – eine Kokosnuß.

      „Ja“, sagte Hasard, „und Ferris’ Methode hat dazu noch mehrere Vorteile. Wir brauchen nicht stundenlang mühsam Gewichte zu mannen und sie dann ständig zu versetzen, sondern erledigen das mit dem Ein- und Ausfahren der Steuerbord-Culverinen. Das geht schnell und reibungslos und garantiert uns sogar einen exakten Trimm je nach Krängungslage der ‚Isabella‘. Gut, wie? Oder meinst du, wir sollten deine Methode vorziehen?“

      Carberry ging nicht direkt auf diese Frage ein und wußte im übrigen auch genau, daß sich eine Antwort erübrigte. Aber er fuhr Ferris Tukker an.

      „Hätte dir das nicht gleich einfallen können, du Schnarchsack, was, wie?“ fragte er grollend.

      „Der Teufel ist dein Schnarchsack“, erwiderte Ferris Tucker grinsend. „Und die Idee mit den Culverinen hättest du doch auch haben können, oder?“

      „Scheiße“, murmelte der Profos.

      „Eine Ausdrucksweise hat der Kerl“, sagte Ferris Tucker und schüttelte tadelnd den Kopf.

      Von der Großrah segelte Sir John, der Aracanga-Papagei, im Gleitflug heran, landete auf der Schulter Carberrys, ruckte hin und her und stieß Laute aus, die klangen, als kichere er.

      „Verschwinde, du Geier!“ knurrte Carberry. „Stör mich nicht, ich hab’ jetzt zu tun.“

      Sir John schwang sich aufs Ruderhaus, plusterte sich auf und begann sich zu putzen. Still blieb er dabei nicht. Es klang, als spucke er eine Reihe von Flüchen aus, die Ähnlichkeit mit Carberrys Kraftausdrücken hatten.

      „Carberrys Schule“, sagte Ferris Tucker. „Ich hab seinem Geier jedenfalls nicht beigebracht, wie man flucht. Ein Benehmen ist das!“ Er schüttelte wieder den Kopf. „Wie in der übelsten Hafenspelunke.“

      „Ha!“ sagte der Profos. „Was meinst du, wie deine verdammten Bohrwürmer fluchen? Und weißt du, warum, Mister Tucker? Weil sie sich schon um das bißchen Holz balgen müssen, das nur noch von den Muscheln zusammengehalten wird. Und von wem haben sie das Fluchen gelernt? Von dir!“

      „Wieso von mir?“

      „Wer kriecht denn dreimal am Tag in der Bilge ’rum, he? Ich vielleicht? Klopf ich die Planken ab, was, wie?“

      „Gentlemen“, sagte Hasard freundlich, „ich schätze, wir haben noch einiges zu tun. Vielleicht könntet ihr über das Thema der fluchenden Bohrwürmer weiter diskutieren, wenn wir Tanger erreicht haben. Das ist natürlich kein Befehl, sondern nur ein Vorschlag.“

      „Aye, aye, Sir“, sagte Ferris Tucker.

      „Aye, aye, Sir“, sagte Ed Carberry.

      Und damit zogen sie zur Kuhl ab.

      Unmittelbar darauf dröhnte Carberrys Stimme über die Decks: „Hoch mit den Steuerbordgeschützpforten, ihr Affenärsche! Hopphopp! Löst die Brocktaue, sinnig-sinnig! Bewegt euch, ihr verlausten Beachcomber, hurtig-hurtig! Grins nicht so dämlich. Matt Davies! Was ist mit deinem Haken los? Hat der schon Rost angesetzt wie dieser Sarg hier die Miesmuscheln, was, wie?“

      Matt Davies hob den spitzgeschliffenen Haken, der ihm die fehlende rechte Hand ersetzte.

      „Rost angesetzt?“ fragte er empört. „Du spinnst wohl? Der Haken wird zweimal am Tag poliert. Das weißt du ganz genau.“

      „Halt keine Volksreden, Mister!“ fuhr ihn Carberry an. „Sonst dreh ich dir ’n Achtknoten in deinen Haken! Munter-munter, Leute! Ja, hol durch, die Part, Batuti! Wenigstens einer von euch Rübenschweinen, der mal zupackt!“ Er wandte sich zu Ferris Tucker um. „He, Klamphauer, wie weit sollen wir die Dingerchen ausfahren? Bis ans Schanzkleid in Feuerstellung?“

      Die „Dingerchen“ hatten das Gewicht von einigen Zentnern. Aber mittels der Brooktaue, die über Taljen liefen, konnten die Lafetten, auf denen die schweren, überlangen Rohre eingebettet waren, mit Muskelkraft ein- und ausgefahren werden. Zwei Männer je Culverine genügten dafür.

      Ferris Tucker peilte zum Großtopp hoch. Er stand hinter der letzten, achteren Culverine.

      „Fahrt erst die vier mittleren Culverinen bis ans Schanzkleid aus, Ed!“ rief er. „Aber langsam, bitte sehr!“

      „Habt ihr’s gehört, ihr Hüpfer? Aber langsam, hat der Schiffszimmermann gesagt!“ donnerte Carberry. „Langsam heißt sinnig, mit Gefühl, wenn ich bitten darf. Culverine drei, vier, fünf, sechs, holt durch die Lose!“

      Langsam ruckten die vier Culverinen auf ihren Holzrädern über das nach Lee geneigte Deck auf das Schanzkleid zu.

      Carberry blickte zu Ferris Tucker, der wieder zum Großtopp hochpeilte und mit der erhobenen linken Hand winkte, weiter durchzuholen. Dann ballte er die Hand plötzlich zur Faust.

      „Belege!“ brüllte Carberry.

      Die Männer setzten die Brooktaue über Klampen fest und verkeilten die Lafettenräder. Alle hatten sie jetzt das Gefühl, auf einem weniger schräggeneigten Deck zu stehen. Dabei waren die vier Culverinen noch nicht voll ausgefahren.

      Hasard stand an der Schmuckbalustrade, die das Achterdeck zur Kuhl hin abgrenzte, und nickte zufrieden.

      „Fein, Ferris“, sagte er, „jetzt haben wir sogar noch Trimmgewichte in Reserve. Wollen wir das Großsegel wieder setzen?“

      „Klar! Das ist kein Risiko mehr.“

      Das Manöver war schnell durchgeführt, nachdem die „Isabella“ in den Wind gegangen war. Als sie dann auf ihren alten Kurs abfiel, hatte sich ihre Schräglage nach Lee wieder vergrößert. Ferris Tucker trimmte die beiden mittleren Culverinen bis ans Schanzkleid und behob die Krängung.

      Es war das Ei des Columbus.

      Noch mehrere Male huschten die Katzenpfoten heran und versuchten, die „Isabella“ umzulegen. Sie schafften es nicht. Wenn die Lage bedrohlich wurde, trimmten sie auch mit der ersten und zweiten sowie der siebten und achten Steuerbord-Culverine. Das klappte von Mal zu Mal besser.

      Dan O’Flynn, der Mann mit den besten Augen an Bord der „Isabella“, beobachtete die Luvseite. Dort kündeten sich die Katzenpfoten an. Der Wind ist unsichtbar, aber er verrät sich doch. Denn die Katzenpfoten, die lautlos und in der Luft unsichtbar von Osten bis Südosten heranhuschten, streiften über das Wasser. Und dort verrieten sie sich. Es waren große Fächer, die sich plötzlich auf der Oberfläche ausbreiteten und ein Muster aus Kringeln und Kreisen bildeten. Auch die Farbe des Wassers veränderte sich. Sie wurde dunkler.

      Wer einen geübten Blick hat, sieht diese leichten Böen. Dan O’Flynn hatte diesen Blick. Und er sang die Bö aus, wenn sie noch zwei-, dreihundert Yards im Luvsektor entfernt war. Er konnte sogar ihre Stärke bestimmen, denn auch das verraten die Muster.

      So wurden Ferris Tucker und die Männer an den Culverinen vorgewarnt und konnten sich bereits auf den richtigen Trimm einstellen.

      Es war die seltsamste Fahrt der „Isabella“. Fast schien es, als spüre sie, daß ihr die Männer helfen wollten. Sie war eben nicht irgendein Schiff, nein, sie war wohl sogar das beste Schiff, das in diesen Jahrzehnten je auf Englands Werften gebaut worden war. Ihr eisenhartes Holz hatte den Bohrwürmern getrotzt, auch wenn Carberry unkte, sie „balgten“ sich bereits um die letzten Holzreste. Carberry hatte das auch nicht so gemeint, schon deswegen nicht, weil er selbst derjenige war, der ständig durch alle Räume der „Isabella“ geisterte – bis hinunter in die Bilge –, um alles zu kontrollieren. Die „Isabella“ war ein Teil von ihm, genauso wie sie ein Teil aller Männer war, die auf ihr fuhren.

      So war das eben. Sie war das beste Schiff Englands, und sie hatte die Mannschaft, die ihrer würdig war, von ihrem Kapitän Philip Hasard Killigrew bis hinunter zu dem Schiffsjungen Bill, vom Kutscher, dessen Namen niemand kannte und der als Feldscher und Koch an Bord fuhr, bis zu Smoky, dem rauhbeinigen Decksältesten, von Batuti, dem Herkules aus Gambia, bis zu dem großen, blonden


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