Seewölfe - Piraten der Weltmeere 257. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 257 - Davis J.Harbord


Скачать книгу
Söhnchen waren damals keineswegs von ihm angetan“, sagte Big Old Shane nachdenklich. „Seine Augen gefielen ihnen nicht. Hasard junior verglich sie sogar mit den Augen des Zauberers Kaliban. Erinnerst du dich?“

      Hasard wischte sich über die Stirn. „Ja, diese Augen. Merkwürdigerweise hatte ich in den letzten Wochen mehrfach das Gefühl, diesen Augen begegnet zu sein.“

      „Wir treffen den Kerl ja in Kairo“, sagte Carberry. „Da sollten wir ihn ein bißchen ums Spill wickeln und fragen, wie das nun mit dem Hochwasser sei. Oder wir hängen ihn an ’ne Talje und ziehen ihn in die Länge …“

      „Ed“, mahnte Hasard, „wir sind keine Folterknechte.“

      „Ist doch wahr“, brummte der Profos. „Stell dir mal vor, der hat uns wirklich angeschmiert, Sir. Da sind wir zwei Monate auf dem Nil herumgegurkt, haben uns mit allen möglichen Kerlen herumprügeln müssen, die uns an den Kragen wollten, haben eingewickelte Leichen besichtigt, sind in finstere Grabkammern gestiegen – und dabei hätten wir diesen verdammten Kanal vielleicht schon vor zwei Monaten finden und befahren können.“

      Die Männer nickten. Jawohl, vielleicht hatten sie zwei Monate verplempert und hätten längst zurück nach England segeln können.

      Old O’Flynn scharrte mit dem Holzbein über die Planken und sagte etwas verbissen: „Fast genau vor einem Monat hatten wir diesen Lotsen Mohamed bei uns an Bord. Damals erklärte ich, dieser Kerl hätte sich die linke Visage maskiert, die so aussah, als hätte er damit auf glühender Holzkohle gepennt. Die Augen dieses Mannes erinnerten mich ebenfalls an die Augen des Hafenbeamten in Kairo.“ Der Alte blickte Hasard an. „Damals hast du mich angebrüllt und für verrückt erklärt, als ich empfahl, den Kopf des Kerls mal in eine Balje mit Seifenwasser zu tunken. Da wäre dieses Brandmal nämlich sehr schnell weg gewesen. Der Kerl war unecht, da gehe ich jede Wette ein.“

      „Das nutzt uns jetzt auch nichts“, sagte Hasard. „Als Lotse war er jedenfalls hervorragend.“

      „Ein unverschämter Kerl war das“, erklärte Old O’Flynn. „Den Lammbraten vom Kutscher hat er außenbords gefeuert, dieser Halunke. Außerdem ist mir aufgefallen, daß er unablässig jeden von uns beobachtet hat.“

      „Und was soll er davon gehabt haben?“ fragte Hasard stirnrunzelnd. Entweder war Old O’Flynn mal wieder am Spinnen, oder er hatte tatsächlich etwas bemerkt, was niemandem sonst aufgefallen war.

      Old O’Flynn kniff die Augen zusammen. „Es sah aus, als versuche er, jeden einzelnen von uns einzuschätzen. Er hat uns sozusagen studiert.“

      „Dich auch?“

      „Mich auch, aber ich hab zurückgestiert, und da hat er immer schnell weggeschaut“, brummte Old O’Flynn. „Wenn ich nach unserem Krach damals noch einen Verdacht gegen diesen Kerl geäußert hätte, wärst du wahrscheinlich vor Wut geplatzt. Du warst ja nicht mehr ansprechbar.“

      „Na gut“, sagte Hasard, „vielleicht hätte ich auf dich hören sollen, Old Donegal, aber mir will auch jetzt absolut nicht in den Kopf, warum uns dieser Lotse ‚studiert‘ haben sollte, wie du es genannt hast. Er ist in Karnak von Bord gegangen, und wir haben ihn nie wiedergesehen.“

      „Ich kann mir nur vorstellen, daß er herumspioniert hat“, erklärte Old O’Flynn. „In den drei Tagen, die er an Bord war, hat er alles mitgekriegt, was sich hier so tut. Auf diese Weise hat er alles über unser Schiff und die Crew erfahren.“

      „Er hat immer vor dem Ruderhaus gesessen“, sagte jetzt Ben Brighton, „und sich kaum von der Stelle gerührt. Von unserer Ladung kann er nichts mitgekriegt haben.“

      „Meinst du?“ Old O’Flynn schüttelte den Kopf. „Da braucht nur einer von uns etwas Unbedachtes über unsere Ladung geäußert zu haben, und schon hätte er’s mitgehört.“

      „Er kannte unsere Sprache ja gar nicht“, sagte Dan O’Flynn. „Ich glaube, du siehst das ein bißchen zu schwarz, Dad.“

      „Und wer sagt dir, daß er unsere Sprache nicht kennt?“ fragte Old O’Flynn. „Wir haben lediglich angenommen, daß er uns nicht versteht, aber wir wissen es nicht. Würde ich auf dem Schiff eines fremden Landes herumschnüffeln und die betreffende Landessprache verstehen, würde ich das der Crew auch nicht auf die Nase binden.“

      Hasard seufzte und sagte: „Das bringt uns jetzt alles nicht weiter, obwohl ich zugebe, daß mich Old Donegals Beobachtungen nachdenklich stimmen. Mich erinnerten die Hände des Lotsen an jemanden, den ich kenne. Aber bis heute ist mir nicht eingefallen, wer das sein könnte. Bei allem, was wir bisher am Nil erlebt haben, ist sehr viel Verwunderliches geschehen, wobei auffällt, daß uns in gefährlichen Situationen absolut nichts passiert ist. Wir sind immer so eben klargefahren und mit einem blauen Auge davongekommen. Das ist ja gerade das Verrückte. Was diesen Lotsen betrifft, könnte er geschnüffelt haben, da gebe ich Old Donegal recht. Aber weiter: als einzelner hat er gegen uns keine Chance. Hat er dann vielleicht im Auftrag eines anderen gehandelt? Wenn ja, können wir nicht vorsichtig genug sein. Anders ausgedrückt: Wir haben noch etwas zu erwarten. Ein Auftraggeber bedeutet immer, daß er Macht hat. Oder Einfluß und Geld, vielleicht beides. Also sperrt die Augen auf, Männer! Wir wollen unsere ‚Isabella‘ wohlbehalten nach England zurückbringen – und uns auch. Ich bin ehrlich genug, jetzt zu sagen, daß mich Old Donegal bei dieser Nilfahrt oft genug mit seiner Schwarzseherei und seinen dunklen Andeutungen geradezu wild gemacht hat …“

      „Du nanntest es ‚Gänsegeschnatter’“, sagte Old O’Flynn voller Genugtuung. „Und zusammengeputzt hast du mich, daß mir mein Holzbein nicht mehr paßte.“

      Die Männer grinsten verstohlen.

      „Ich bitte ja um Verzeihung“, sagte Hasard, „und laß mich bitte zu Ende sprechen. Von jetzt ab möchte ich, daß auch Vermutungen geäußert werden – und seien sie noch so vage. Was irgendwie Verdacht erregt, muß der Schiffsführung gemeldet werden. Alles kann wichtig sein. Jeder von euch hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, Augen und Ohren aufzusperren. Ich behaupte: Irgend etwas stimmt nicht mehr. Ich sagte zwar, daß ich auf Gefühle nichts gebe. Das revidiere ich jetzt. Da wir zur Zeit nichts wissen, sind wir auf Instinkte und Gefühle angewiesen.“

      Big Old Shane, der Riese mit dem granitharten Gesicht, sagte trocken: „Dann sagt mir schon jetzt mein Instinkt, daß wir zusehen sollten, das Mittelmeer zu erreichen. Diesen Kanal halte ich für eine Phantasterei. Wenn es ihn wirklich gäbe, würde er auch benutzt werden, und das würde bestimmt kein Geheimnis bleiben. So etwas spricht sich herum. Außerdem könnten sich die geschäftstüchtigen Türken einen erheblichen und ständigen Gewinn sichern, wenn sie von jedem Benutzer des Kanals eine Art Wegezoll verlangten.“ Er schüttelte den mächtigen Schädel. „Also, ich glaube nicht daran. Außerdem stimme ich Ed zu. Wir sollten diesen Othman Mustafa Ashmun schwer ins Gebet nehmen, wenn wir Kairo erreicht haben.“

      „Na gut“, sagte Hasard, „dennoch bietet sich hier die Gelegenheit, das Geheimnis etwas zu lüften. Damit wären wir wieder bei dem Punkt, den ich mit euch besprechen wollte. Mir ist durch den Kopf gegangen, ob es nicht ratsam wäre, etwa zwei Mann ostwärts zu schicken und die Lage peilen zu lassen, das heißt, festzustellen, ob die dünne Linie auf dieser Karte identisch mit dem Westufer des Roten Meeres ist. Wenn die errechnete Distanz von etwa siebzig Meilen von Kuft bis zum Westufer des Roten Meeres stimmt, könnten die beiden Männer in drei, vier Tagen wieder zurück sein. Natürlich müßten sie auf Kamelen losziehen, die wir sicherlich drüben in Kuft besorgen können.“ Hasard blickte seine Männer der Reihe nach an, zuletzt den Profos.

      Carberry kratzte sich verlegen den Nacken.

      „Sir“, sagte er zögernd, „fürs Lagepeilen bin ich immer der richtige Mann, aber mit so einem verlausten Bock loszuschaukeln, das ist nichts für den alten Carberry. Da geh’ ich lieber zu Fuß, Sir, damit du nicht denkst, ich wollte mich drücken. Hast du mal gesehen, was diese Hökkerviecher für dämliche Gesichter haben? Wie eingebildete Lordschaften! Denen könnte ich auch dauernd was auf die Schnauze hauen. Wo war ich stehengeblieben? Ach so, ja, also zu Fuß melde ich mich freiwillig, da kenne


Скачать книгу