Seewölfe - Piraten der Weltmeere 65. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 65 - John Curtis


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paßt es ihm nicht, sich von ihr sagen zu lassen, was er tun soll. Das würde keinem von uns passen. Aber mit ihr mal bei Mondschein zu baden, dagegen hätte keiner von uns etwas einzuwenden.“

      „Nackt, wie?“

      „Sir“, erwiderte Pete Ballie mit Würde, „das hast du gesagt.“

      Hasard seufzte wieder. Dann erwiderte er: „Ich glaube, wir werden, wenn wir Tortuga verlassen, einen Standortwechsel vornehmen. Ich habe keine Lust, mit verliebten Katern durch die Karibik zu streunen, vor allem mit solchen Katern, die anfangen, zu träumen und dabei vergessen, welchen Kurs sie steuern sollen. Ist das klar, Mister Ballie?“

      „Aye, aye, Sir“, sagte Pete Ballie und peilte andächtig zum Großsegel hoch.

      Und daraus entnahm Philip Hasard Killigrew, daß es wirklich allerhöchste Zeit wurde, die nächsten Raids ohne die Rote Korsarin vorzunehmen.

      Wie schnell und wie brutal diese Situation eintreten würde, das wußte der Seewolf zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und wenn er es gewußt hätte, dann hätte er sich einen anderen Anlaß gewünscht.

      Fast gleichzeitig fielen bei den beiden Schiffen die Anker. Sie hatten in der Bucht ziemlich dicht an den Hafen heransegeln können, weil sie genügend Tiefe unter dem Kiel hatten. Die Südküste Tortugas präsentierte sich mit einer üppigen Vegetation. Hinter den Häusern am Hafen stieg das Gelände steil an, aber die Natur hatte terrassenförmige Abschnitte gebildet, auf denen Feigen- und Manschinellenbäume sowie Bananenstauden wuchsen. Ganz oben, auf dem Rücken der Schildkröte, hatte sich ein Wald riesiger Mahagonibäume gebildet.

      Diese Insel gehörte niemandem. Für die Spanier war sie zu unbedeutend, nicht aber für jene Gesellen, deren Handwerk die Seeräuberei war und die einen Platz brauchten, wo sie ihre Beute absetzen, ihre Schiffe ausbessern und für die nächste Kaperfahrt ausrüsten konnten.

      Zu einem solchen Platz hatte sich Tortuga gemausert. Da war kein Gouverneur, der Verordnungen erließ oder Steuern eintrieb. Wenn überhaupt, dann gab allenfalls derjenige den Ton an – und das auch nur zeitweise –, der die härtesten Fäuste und die erforderlichen kämpferischen Qualitäten hatte, sich gegenüber den anderen Karibik-Wölfen durchzusetzen.

      Der Pirat Caligu war ein solcher Typ gewesen, aber dieser wüste Kerl gehörte bereits der Vergangenheit an, denn er hatte seinen Meister gefunden – den Seewolf. Sogar die übelsten Sünder auf Tortuga hatten aufgeatmet, als sie die Kunde vernahmen, daß diese Plage der Karibik nur mehr Haifischfutter war.

      Zur Zeit lagen an den primitiven Bohlenstegen, von denen kein Mensch mehr wußte, wer sie gebaut hatte, ein paar Einmastschaluppen, drei kleine Zweimaster sowie einige Ruderbarken mit Besegelung.

      Spätestens fünf Minuten nach dem Fallen der Anker wußte jedermann auf Tortuga, daß die Rote Korsarin aufgekreuzt sei. Die Dreimast-Galeone wußte man nicht so recht unterzubringen, aber dieses Schiff erregte mehr Aufsehen als die Karavelle mit den roten Segeln, die jetzt aufgegeit wurden.

      Wer von den herumlungernden Kerlen am Hafen die Galeone sah, erkannte mit fachmännischem, meist neidischem Blick, daß dieses Schiff von einem Meister seines Fachs entworfen und gebaut worden sein mußte. Es wirkte nicht so behäbig wie die Galeonen üblicher Bauart, trug aber dennoch eine Armierung, die einer Festung zur Ehre gereicht hätte – an Backbord und Steuerbord je acht 17-Pfünder-Culverinen und vorn und achtern je zwei Drehbassen.

      Von der Kuhl der Galeone wurde ein Boot abgefiert, in das fünf Männer abenterten. Sie pullten das Boot zu der Karavelle und nahmen noch einen Mann sowie die Rote Korsarin auf. Dann pullten sie zu den Bohlenstegen.

      Unter allen denen, die das Einlaufen der beiden Schiffe, das Ankermanöver und das Übersetzen zum Anleger beobachtet hatten, befand sich eine Person, die sehr genau wußte, was das für eine Galeone und wer ihr Kapitän war.

      Als diese Person die Karavelle und die Galeone erkannt hatte, war eine Haßwelle in ihr hochgestiegen, die sie fast erstickt hätte.

      Diese Person war ein schwarzhaariges Weib mit kräftigen Hüften und großen Brüsten – Attributen, die in der rauhen Männerwelt der Karibik Gold wert waren, wie das Weib wußte. Aber da waren noch zwei andere Attribute, die für das einträgliche Geschäft einer Edelhure eine Wertminderung bedeuteten, nämlich zwei fürchterliche Narben, die das Gesicht dieses schwarzhaarigen Weibes auf entsetzliche Weise entstellten. Die eine Narbe war älteren Datums und verheilt, aber die andere wies noch Schorf und Grind auf und zeigte an, daß sie höchstens drei, vier Wochen alt war.

      Beide Narben hingen mit den beiden Personen zusammen, die dort in dem Boot zum Anleger gepullt wurden – mit dem Seewolf und Siri-Tong, der Roten Korsarin. Die verheilte Narbe war die Folge eines Messerschnitts, den das Weib von einem spanischen Soldaten namens Valdez empfangen hatte, der sich vor knapp zwei Jahren auf die Seite des Seewolfs geschlagen hatte und in dessen Mannschaft aufgenommen worden war. Für die frische Narbe war Siri-Tong, die Rote Korsarin, verantwortlich.

      Und beide – der Seewolf und die Rote Korsarin – hatten es geschafft, Caligu, den Schrecken der Karibik, vernichtend zu schlagen und zur Hölle zu schicken, jenen Caligu, dessen Geliebte das schwarzhaarige Weib gewesen war, das sich Maria Juanita nannte.

      Kein Wunder also, daß das narbengesichtigte Weib jetzt beim Anblick des Seewolfs und der Roten Korsarin nahezu den Verstand verlor.

      Nun befanden sich allerdings zwei Kerle bei ihr, die das Aufstöhnen Maria Juanitas für eine Äußerung der Lust hielten und sich bemüßigt fühlten, zu eindeutigeren Aktivitäten überzugehen. Denn sie turtelten beide bereits seit über einer Stunde vor dem Quartier Maria Juanitas herum, einer miserablen Bretterbude abseits am Hafen zwischen verrotteten Fässern, vergammelten Abfällen und stinkenden Fischresten.

      So tief war das schwarzhaarige Weib gesunken, das vor nicht allzu langer Zeit zusammen mit Caligu Tortuga beherrscht und die Puppen hatte tanzen lassen.

      Jetzt mußte sie froh sein, von Typen wie Bombarde und dem Marquis, so hießen die beiden Kerle, umworben zu werden. Sie hatte sich wechselweise mit einem der beiden Kerle auf der Seegrasmatratze in ihrer Bude gewälzt, aber an diesem Tage waren beide gleichzeitig erschienen, um ihre Liebeskünste in Anspruch zu nehmen.

      Aus diesem Zufall entstand in Maria Juanitas vom Haß umnebelten Gehirn ein Plan, der Genugtuung und eine Befriedigung ihrer Rachegelüste versprach.

      Bombarde war ein gedrungener, kurzbeiniger Kerl – daher der Name – mit gelben, tückischen Augen, einer Halbglatze und verknorpelten Ohren. Der Mann, der sich Marquis nannte, war zwar Franzose, aber gewiß kein Marquis. Er war schlank, schwarzhaarig und dunkeläugig, ein Liebling der Frauen, die meist zu spät merkten, daß dieser Schönling mit dem schmelzenden Lächeln ein brutaler, rücksichtsloser Bettgenosse war.

      Beide hatten kein Schiff und das Kaliber Caligus schon gar nicht, aber in der ungeschriebenen Rangliste der Karibik-Wölfe standen sie nun auch nicht wieder ganz unten, sondern durften sich durchaus zu jenen rechnen, die das Schiffsvolk zu respektieren hatte, wollte es nicht riskieren, was auf die Schnauze zu kriegen.

      In Ermangelung des verblichenen Caligu waren die beiden zu den bevorzugten Favoriten Maria Juanitas geworden, die nun in vollen Zügen das genossen, was einmal Caligu besessen hatte. Die Narben waren sie geneigt zu übersehen, man brauchte ja nicht hinzuschauen, wenn man sich der lustvollen Kurzweile hingab. Und im übrigen war bei dem Narbenweib alles am richtigen Platz, von ihrer Kunst, den Liebesdurst ihrer Verehrer auf vielfältige Weise zu löschen, ganz zu schweigen.

      Wie gesagt, Maria Juanitas Stöhnen, das ein Stöhnen der Wut war, nahmen Bombarde und der Marquis als Aufforderung, weiteres Gelände zu erkunden, das sie beide zwar schon kannten, aber dennoch stets aufs neue untersuchten.

      Bombarde betatschte die Brüste Maria Juanitas, der Marquis streichelte ihre Hüften. Als sie einen Ortswechsel vornahmen, begriffen sie, daß sie sich gegenseitig im Wege waren.

      Während das Narbenweib mit funkelnden Augen beobachtete, wohin sich der Seewolf, die Rote Korsarin und die fünf Männer wandten – nämlich zu einer Spelunke mit dem sinnigen Namen „Zur Schildkröte“


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