Seewölfe - Piraten der Weltmeere 261. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 261 - Davis J.Harbord


Скачать книгу
Seewolf befand sich in einem verheerenden Zustand der Niedergeschlagenheit. Es würde einiger Zeit bedürfen, um mit der ganzen Sache ins Reine zu gelangen. Vor sich selbst stand er zunächst wie ein Versager da, er ersparte sich nicht die schärfste Kritik.

      Gemeinsam mit den Männern stieg er vom Achterdeck auf den Sandhaufen hinunter, der das Hauptdeck überlagerte.

      Sie bückten sich und begannen mit den Händen zu graben.

      Es war eine scheußliche Plackerei, die nur unter viel Schimpfen und Fluchen voranging. Sie alle wühlten mit ihren Händen, zweiundzwanzig Männer und zwei Jungen, ja, selbst Arwenack ahmte „seine Menschen“ nach und grub mit seinen Vorderpfoten – doch immer wieder rutschte Sand in die Tiefe ab und drohte das entstehende Loch ganz zuzuschütten.

      So und nicht anders mußte es Sisyphus ergangen sein, jenem legendären Straßenräuber der alten griechischen Sage, der in der Unterwelt zur Strafe für seine verübten Schandtaten einen immer wieder zurückrollenden Stein auf einen Berg schieben mußte – eine sinnlose Anstrengung, eine vergebliche Arbeit.

      Doch die Männer schufteten verbissen weiter und gönnten sich keine Ruhepause. Hasard stieg schließlich in die Grube hinunter und setzte seine Anstrengungen von unten fort, was eigentlich noch mühsamer war, denn er konnte den Sand nicht einfach zur Seite oder nach hinten fortschaufeln, sondern mußte ihn erst hochwerfen zum Rand des Loches, wo Ben, Shane, Carberry, die O’Flynns und die anderen ihn in Empfang nahmen und weiter fortbeförderten.

      Endlich stieß Hasard auf einen Widerstand unter seinen Füßen.

      „Hört auf zu lästern“, sagte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ich glaube, wir haben doch die richtige Stelle erwischt. Wenn ich mich nicht gewaltig irre, stehe ich auf dem Dollbord einer unserer Jollen.“

      Diese Nachricht wurde mit Jubel begrüßt, sie gab den Männern einen zusätzlichen Anreiz und spornte sie zu schnellerem Arbeiten an.

      Ben und Ferris sprangen zu Hasard hinunter und unterstützten ihn. Bald waren in gemeinsamem Bemühen zwei Duchten und ein Stück des Dollbordes freigelegt, und schon wenig später wurden die Konturen des Bootes sichtbar.

      Der Sand lastete schwer auf der Jolle, es war keine leichte Sache, sie halbwegs freizugraben. Selbst mit vereinten Kräften konnten die Männer sie nicht herausziehen, es war, als hielte der Klammergriff eines Giganten das Boot fest.

      Endlich aber ragte die Jolle wie das noch nicht fertiggestellte Werk eines Bildhauers aus den Sandmassen hervor, und jetzt konnten die Männer anpakken und unter lauten Hauruck-Rufen das Fahrzeug zu sich heranzerren.

      Sobald sich das Boot am Ufer des zugewehten Kanals befand, begannen die Männer, auch die zweite Jolle auszugraben. Wieder dauerte es verhältnismäßig lange, bis sie wenigstens das Holz unter sich fühlten, doch dann ging es schneller mit der Arbeit voran, wozu vielleicht auch Carberrys Gebrüll beitrug. Er bediente sich der schönsten Flüche aus seiner riesengroßen Sammlung, auf englisch und auch auf spanisch, und fast war es für wenige Augenblicke wieder so, als purre er die Crew durch sein Wettern an die Schoten und Brassen, um das nächste Segelmanöver an Bord der „Isabella“ durchzuführen.

      Als endlich auch das zweite Boot dem Sand abgerungen war, teilte Hasard seine Mannschaft in zwei Gruppen, und so hoben sie die Jollen an und transportierten sie zu jener Stelle des Kanals, wo dieser noch Wasser führte.

      Hasard rechnete überschlagsmäßig nach, wie lange es wohl gedauert hätte, den aus dem Sand ragenden Teil des Achterkastells auseinanderzumontieren und aus den Planken ein Floß zu bauen. Ferris Tucker hatte recht, sie hätten dazu genauso lange, wenn nicht noch länger gebraucht. Im Endeffekt war es weitaus günstiger, zwei Jollen, statt eines so primitiven Behelfsfahrzeugs zu haben. Folglich hatte er die richtige Entscheidung getroffen.

      Sie ließen die Boote zu Wasser und hatten es geschafft. Jetzt konnten sie den noch verbleibenden Teil des Nachmittags dazu nutzen, wenigstens noch ein Stück in westlicher Richtung voranzugelangen.

      Hasard ordnete die Gruppen neu. „Ich leite die eine Abteilung“, sagte er zu den Männern. „Ben die andere. Hasard und Philip, ihr bleibt bei mir, außerdem begleiten mich Dan O’Flynn, Shane, Gary Andrews, Batuti, Matt Davies, Ed Carberry, Stenmark, der Kutscher und Blacky. Ben, du hast also Ferris, Pete Ballie, Al Conroy, Smoky, Sam Roskill, Bob Grey, Will Thorne, Old Donegal, Jeff Bowie, Bill und Luke Morgan unter deinem Kommando.“

      „Aye, Sir“, sagte sein Erster Offizier und Bootsmann.

      „Und was wird aus Arwenack?“ fragte Philip junior, einer der Zwillinge.

      „Der bleibt natürlich bei uns“, erwiderte Dan O’Flynn.

      Der Schimpanse hockte denn auch schon zwischen Dan und Batuti auf dem Sand und wartete darauf, daß man in die Boote kletterte. Sir John, der Papagei, saß wie üblich auf der Schulter des Profos’, und somit war von vornherein geregelt, welcher Gruppe er zugeteilt war.

      Die Männer stiegen in die Boote und begannen, die Masten zu richten. Die Reise konnte losgehen, sie warteten nur noch auf das Kommando des Seewolfs.

      Die Boote legten vom Ufer ab und glitten nach Westen davon. Bei dem beständig wehenden Nordwind setzten die Männer die Segel, eine zügige Fahrt war ihnen vorerst gesichert. Jede Jolle verfügte über ein trapezförmiges Großsegel und eine Fock, die für einen recht beachtlichen Schub sorgten.

      „Bei halbem Wind westwärts“, sagte der Kutscher. „Das hört sich fast poetisch an, nicht wahr?“

      „Du mit deinen schlauen Sprüchen“, brummte Carberry. „Bete lieber, daß wir nicht absaufen, das ist viel wichtiger.“

      Allerdings – beide Boote waren ziemlich überfüllt und hatten starken Tiefgang, hart an der Grenze des Zumutbaren. Irgendwie ging dies alles aber doch, und so begannen einige der Männer schon aufzuatmen, da ihnen der anstrengende, an Kraft und Nerven zehrende Marsch durch die Wüste erspart blieb.

      Sie alle aber warfen immer wieder wehmütige Blicke zur „Isabella“ zurück. Allmählich wurden die Konturen des noch aus dem Sand aufragenden Achterkastells kleiner, bald würden sie ganz verschwunden sein. So ließen sie ihre „Old Lady“, die „alte Tante“, wie sie sie immer liebevoll genannt hatten, zurück in einem Grab, das sie bis in alle Ewigkeit versiegeln und erhalten würde, luftdicht abgeschlossen wie die Gräber der Pharaonen. Aus war der Traum von einer ruhmreichen Entdeckung und Erforschung des kürzeren Seeweges nach Indien und von einer aufsehenerregenden Heimkehr nach England. Nie wieder würde das stolze Schiff unter vollem Zeug über die Weltmeere segeln, und dieser Gedanke erfüllte die Seewölfe mit Trauer.

      Sie fühlten sich mit ihrem Schiff verwachsen, es war ihr treuer Gefährte auf großer Fahrt gewesen, hatte ihnen Schutz und Verteidigung in oft ausweglos erscheinenden Situationen geboten. Mit der „Isabella“ waren sie mehrfach in der Neuen Welt gewesen, mit ihr hatten sie die gesamte Südsee durchkreuzt, waren im geheimnisvollen China gewesen, im rätselhaften Südland, in Indien und Afrika – und nun mußten sie sie aufgeben.

      Ihre Stimmung war miserabel, ihr Tun erschien ihnen wie ein Verrat. Die Enttäuschung über den Verlust ihres Schiffes saß ihnen tief in den Knochen – und die Wut über sich selbst, weil sie einem Phantom nachgejagt und einem ausgekochten Schlitzohr aufgesessen waren.

      So war es nicht Hasard allein, der sich wegen dieser Niederlage am liebsten selbst geohrfeigt hätte. Auch die Crew bereitete sich die bittersten Vorwürfe.

      Dreck, dachte Blacky, verfluchter Mist, man hätte Hasard rechtzeitig warnen müssen. Aber wir, was haben wir getan? Ein bißchen gemurrt haben wir, aber dann sind wir doch alle auf den Bastard Ali Abdel Rasul reingefallen.

      Wie die blutigen Anfänger haben wir uns benommen, dachte Smoky grimmig, da hat es auch nichts mehr genutzt, daß wir Ali, diesen Hund, nach Strich und Faden verprügelt haben und er jetzt endlich verreckt ist.

      Wir stecken bis zum Hals in der Scheiße, sagte sich Matt Davies im stillen, und es genügt nicht, kräftig mit den Beinen zu strampeln und mit den Armen zu rudern. Hier wieder rauszukommen, wird


Скачать книгу