Seewölfe - Piraten der Weltmeere 261. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 261 - Davis J.Harbord


Скачать книгу
Ruderpinne bediente, drehte sich noch einmal um und sandte einen letzten Blick zur „Isabella VIII.“ zurück. Eine Hand schien sich um sein Herz zu schließen, eiskalt und erbarmungslos, doch er wehrte sich dagegen und schüttelte sie ab.

      Rasch wandte er sich wieder seinen Männern zu.

      „Hört mal her“, sagte er. „Ich weiß, wie euch zumute ist, aber ihr solltet den Kopf nicht hängen lassen.“

      „Mir ist zum Heulen zumute, ehrlich, Dad, Sir“, sagte Philip junior.

      „Mir auch“, pflichtete sein Bruder ihm sofort bei.

      „Aber dazu besteht kein Grund“, sagte der Seewolf mit fester Stimme. „Haltet euch vor Augen, daß nunmehr endgültig die Heimreise nach England beginnt. Nur daran sollt ihr denken, an nichts anderes. Alles andere hat keinen Sinn.“

      „Aye, Sir“, murmelten die Männer.

      „Und wir alle sind doch fest entschlossen, in England eine ‚Isabella IX.‘ auf Stapel legen zu lassen, eine neue ‚Lady‘, ein besseres und größeres Schiff als unsere echte ‚Isabella‘, nicht wahr? Oder hat jemand was dagegen?“

      „Verdammt, nein, Sir!“ rief Big Old Shane. „Ich will auf der Stelle von dieser Ducht kippen und in dem Scheißkanal hier ersaufen, wenn es nicht unser aller Verlangen ist, so bald wie möglich wieder ein anständiges Schiff unter die Füße zu kriegen.“

      „Jawohl“, sagte auch Ferris Tukker.

      „Und wenn wir auch die Schätze nicht mitnehmen konnten, sind wir doch andererseits auch nicht mittellos“, sagte Hasard und klopfte mit der Hand gegen den Gürtel, den er wie alle anderen um die Hüften trug.

      „Richtig!“ rief Ben Brighton vom anderen Boot herüber. Ihm gelang sogar ein Lachen. „Jeder von uns trägt ein kleines Vermögen, und damit wäre unsere Heimreise nach England schon so gut wie gesichert!“

      „Ho!“ schrie der Profos. „Also haben uns die Pharaonen, diese halbverwesten Stockfische und eingewickelten Mumien, am Ende doch noch was genutzt! Beim Henker, Männer, wir könnten uns sogar eine kleine Flotte bauen lassen, wenn wir wollten!“

      Die Männer stießen Pfiffe aus und johlten. Jawohl, es war noch nicht alles verloren, sie brauchten sich selbst nicht aufzugeben, und es hatte keinen Zweck, die Dinge in einem zu sentimentalen Licht zu sehen. Schließlich war die „Isabella VIII.“ kein Wesen, sondern nur ein großer Kasten aus Holz und Eisen, der irgendwann sowieso gesunken wäre, im Sturm oder in einer Schlacht.

      Die Männer berührten ihre breiten, von Will Thorne genähten Ledergürtel, deren Innentaschen Perlen und Goldstücke bargen. Diese Geste brachte Glück, und sie würde ein gutes Omen für die Zukunft sein.

      Diese Ansicht teilte sogar Old Donegal Daniel O’Flynn, der sonst das, was vor ihnen lag, gar nicht schwarz genug malen konnte.

      Die „Isabella VIII.“ versank im Sand, sie war von den davonsegelnden Booten aus nun nicht mehr zu erkennen. Somit gehörte ein Stück „Seewölfe-Geschichte“ der Vergangenheit an, doch neue Abenteuer warteten auf Hasard und seine Männer, und er konnte noch froh sein, daß es keine Verluste in den Reihen seiner Crew gegeben hatte.

      2.

      Die Dunkelheit rückte mit großen Schritten an und warf sich auf das Land Ägypten, als wolle sie es überraschen und überwältigen. Der Wind aus Norden nahm bald zu und pfiff über die Dünen und kahlen Felsen der Wüste. Er trieb wieder feinen Sand in die harten und verkniffenen Gesichter der Männer, und unwillkürlich duckten sie sich auf den Duchten ihrer Boote, denn sie befürchteten den Ausbruch eines neuen Sandsturms.

      Wie so ein Sandsturm verlief, hatten sie ja nun schon zur Genüge erlebt. Nach einem neuerlichen „Wüstenorkan“, wie Carberry das Wetter nannte, stand ihnen nicht der Sinn, aber sie wußten natürlich, daß sie den Unbilden der Natur keinen Einhalt gebieten konnten.

      Es nahte jedoch kein Sandsturm, sondern in dieser Nacht vom 20. auf den 21. Mai wurden sie von den Ausläufern eines schweren Wetters erreicht, das von Norden her gegen die nordafrikanische Küste brandete. So war der Andrang der Sandmassen relativ gering. Richtig beängstigend war der Vormarsch der Dünen nur, wenn er aus der Wüste heraus erfolgte, also von Osten oder von Süden.

      Rasch legte sich die Unruhe der Männer, es bestand keine Gefahr, daß auch dieser Teil des Kanals zuwehte, vorläufig jedenfalls nicht. Vielmehr konnten sie die Ausläufer des Sturmes wahrnehmen und mit ihren Booten unter Höchstfahrt nach Westen segeln, so schnell, wie sie in ihren kühnsten Erwartungen nicht zu hoffen gewagt hatten.

      „Geigt voran die Kähne!“ schrie Carberry im Jaulen des Windes. „Vorwärts, vorwärts, nutzen wir’s aus! So eine Gelegenheit kriegen wir so schnell nicht wieder!“

      „Stimmt genau“, meinte im zweiten Boot Ferris Tucker und grinste. „He, Ben, weißt du eigentlich, wie weit es noch bis zu der Gabelung ist, an der wir den Seitenarm des Nils passiert haben?“

      „In Meilen natürlich nicht“, erwiderte Ben Brighton.

      „Etwa siebzig, achtzig Meilen!“ schrie Hasard aus seinem Boot herüber. Er hatte jedes Wort verstanden. „Wenn wir weiterhin Glück mit dem Wind haben, sind wir morgen abend bereits in dem Delta-Arm!“

      „Na, Gott sei Dank“, sagte der Kutscher. „Wenn wir den erst mal erreicht haben, geht alles viel leichter. Dann haben wir die Strömung, für den Fall, daß der Wind mal wieder einschläft.“

      „Und wir brauchen kaum einen Finger zu krümmen“, meinte Dan O’Flynn. „Das wird so ein richtiger Spaziertörn, bei dem wir uns endlich mal wieder ausruhen können.“

      „Sag das nicht zu früh“, warnte Gary Andrews.

      „Hör auf“, sagte Stenmark. „Wir werden ja wohl nicht immer vom Pech verfolgt sein.“

      „Bestimmt nicht“, brummte Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia. „Morgen wird schöner Tag, Ägypten vergessen, Seewölfe hauen ab.“

      „Holla!“ rief Big Old Shane. „Du hast dich wohl in den Entfernungen vertan, was? So schnell, wie du denkst, gelangen wir hier nicht heraus!“

      „Aber Batuti riecht schon Salzluft“, sagte der schwarze Riese.

      „Das ist der Sand, der dir in den Nasenlöchern sitzt!“ rief Blacky.

      „Sand nicht salzig“, gab der schwarze Herkules empört zurück.

      „Wieso?“ sagte Stenmark erstaunt. „Hast du ihn auch schon im Mund, daß du ihn schmecken kannst?“

      „Blöder Hund“, sagte Batuti.

      Die anderen lachten. Die Stimmung besserte sich, ab und zu wurden endlich wieder Witze gerissen. Die Boote schoben sich schneller voran, und mit jedem Yard rückte das ersehnte Ziel näher. Bald schien man die Salzluft des Mittelmeers wirklich zu spüren. Schließlich wehte der Wind ja aus Norden.

      Hasard schöpfte neue Zuversicht, er hatte die berechtigte Hoffnung, daß nun doch noch alles gut wurde.

      Zu dieser selben Zeit bahnte sich auf dem Mittelmeer, vor der Küste nur wenige Meilen vor Damiette an der östlichen Nilmündung, ein Drama an. Ein holländischer Handelsfahrer, der nach Beirut wollte, war in den Sturm geraten, der ihn unbarmherzig auf Legerwall trieb.

      Die „Zeland“ – so hieß das Schiff – konnte sich trotz aller verzweifelten Bemühungen seiner Mannschaft nicht mehr freisegeln und geriet immer dichter an die Küste. Da nutzte es nichts, daß sich der Kapitän die Seele aus dem Leib brüllte, daß der Bootsmann selbst aufs Hauptdeck stürzte und mit anpackte, daß der Profos auf die Mannschaft einhieb: Die „Zeland“ war verloren, ihr Schicksal schon jetzt besiegelt.

      Der Seegang zerschlug die Oberdecksluken. Die Schreie der entsetzten Männer gellten durch die Nacht. Brecher ergossen sich rauschend in die Frachträume und spülten alles und jeden fort, der ihnen im Wege war.


Скачать книгу