Is Justified True Belief Knowledge? / Ist gerechtfertigte, wahre Überzeugung Wissen?. Edmund L. Gettier
folgenden gebracht werden:4*
(a) S weiß, dass P, genau dann, wenn (i) P wahr ist,
(ii) S glaubt, dass P, und
(iii) S gerechtfertigt darin ist, zu glauben, dass P.
Chisholm hat beispielsweise die Ansicht vertreten, dass die folgende Form notwendige und hinreichende Bedingungen für Wissen liefert:5*
(b) S weiß, dass P, genau dann, wenn (i) S P akzeptiert,
(ii) S angemessene Belege für P hat, und
(iii) P wahr ist.
[9]Ayer hat die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Wissen wie folgt angegeben:6*
(c) S weiß, dass P, genau dann, wenn (i) P wahr ist,
(ii) S sicher ist, dass P wahr ist, und
(iii) S das Recht hat, sicher zu sein, dass P wahr ist.
Ich werde dafür argumentieren, dass (a) falsch ist, da die Bedingungen, die hierin genannt werden, keine hinreichende Bedingung für die Wahrheit der Proposition, S wisse, dass P, darstellen. Dasselbe Argument wird zeigen, dass (b) und (c) scheitern, wenn man ›hat angemessene Belege für‹ oder ›hat das Recht, sicher zu sein, dass‹ überall durch ›ist gerechtfertigt darin, zu glauben, dass‹ ersetzt.
Ich möchte zunächst auf zwei Punkte hinweisen. Erstens ist es in dem Sinn von ›gerechtfertigt‹, in dem S’ Gerechtfertigtsein, P zu glauben, eine notwendige Bedingung ist für S’ Wissen, dass P, möglich, dass eine Person darin gerechtfertigt ist, eine tatsächlich falsche Proposition zu glauben. Zweitens gilt für jede Proposition P: Wenn S darin gerechtfertigt ist, P zu glauben, und wenn Q aus P folgt und wenn S sowohl Q aus P ableitet als auch Q als Ergebnis dieser Ableitung akzeptiert, dann ist S darin gerechtfertigt, Q zu glauben. Vor dem Hintergrund dieser beiden Punkte werde ich nun zwei Beispiele vorbringen, [122] in denen die [11]in (a) angegebenen Bedingungen für eine bestimmte Proposition erfüllt sind, es jedoch gleichzeitig nicht der Fall ist, dass die fragliche Person jene Proposition weiß.
Beispiel 1:
Angenommen, Smith und Jones haben sich auf eine bestimmte Stelle beworben. Und angenommen, Smith habe stichhaltige Belege für die folgende Konjunktion:
(d) Jones ist derjenige, der die Stelle bekommen wird, und Jones hat zehn Münzen in seiner Hosentasche.
Smiths Belege für (d) könnten etwa darin bestehen, dass der Firmenchef ihm versichert hat, Jones werde letztlich ausgewählt werden, und dass er, Smith, vor zehn Minuten die Münzen in Jones’ Hosentasche gezählt hat. Aus Satz* (d) folgt:
(e) Derjenige, der die Stelle bekommen wird, hat zehn Münzen in seiner Hosentasche.
Nehmen wir weiter an, dass Smith die Folgerungsbeziehung von (d) zu (e) bemerkt und (e) aufgrund von Satz (d), für den er stichhaltige Belege hat, akzeptiert. In diesem Fall ist Smith offensichtlich darin gerechtfertigt, (e) für wahr zu halten.
Man stelle sich aber außerdem vor, dass Smith selbst, ohne es zu wissen, derjenige ist, der die Stelle bekommen wird, und nicht Jones, und dass darüber hinaus Smith selbst, ebenfalls ohne es zu wissen, zehn Münzen in seiner Hosentasche hat. Satz (e) ist dann wahr, obwohl Satz (d), [13]aus dem Smith (e) gefolgert hat, falsch ist. In unserem Beispiel ist somit insgesamt Folgendes wahr: (i) (e) ist wahr, (ii) Smith hält (e) für wahr, und (iii) Smith ist darin gerechtfertigt, (e) für wahr zu halten. Aber es ist gleichermaßen offensichtlich, dass Smith nicht weiß, dass (e) wahr ist. Denn (e) ist wahr aufgrund der Anzahl der Münzen in Smiths Hosentasche; Smith hingegen weiß nicht, wie viele Münzen in seiner Hosentasche sind, und stützt seine Überzeugung bezüglich (e) darauf, dass er die Münzen in der Hosentasche von Jones gezählt hat, von dem er fälschlicherweise denkt, er werde die Stelle bekommen.
Beispiel 2:
Nehmen wir an, Smith habe stichhaltige Belege für folgenden Satz:
(f) Jones besitzt einen Ford.
Smiths Belege könnten etwa darin bestehen, dass Jones, soweit sich Smith erinnert, bisher immer ein Auto besessen hat, und immer einen Ford, und dass Jones, einen Ford fahrend, vor Kurzem erst Smith angeboten hat, ihn mitzunehmen. Stellen wir uns nun vor, Smith habe einen anderen Freund, Brown, und habe keine Ahnung, wo dieser sich momentan aufhalte. Smith wählt ziemlich zufällig drei Ortsnamen aus und bildet die folgenden drei Sätze:*
(g) Jones besitzt einen Ford, oder Brown befindet sich in Boston; [123]
(h) Jones besitzt einen Ford, oder Brown befindet sich in Barcelona;
[15](i) Jones besitzt einen Ford, oder Brown befindet sich in Brest.
Jeder dieser Sätze folgt aus (f). Nehmen wir an, dass Smith die Folgerungsbeziehung zwischen jedem der Sätze, die er gebildet hat, und (f) erkennt und daraufhin (g), (h) und (i) auf der Grundlage von (f) akzeptiert. Smith hat (g), (h) und (i) korrekt aus einem Satz abgeleitet, für den er stichhaltige Belege hat. Smith ist folglich vollkommen darin gerechtfertigt, jeden dieser drei Sätze für wahr zu halten. Smith hat aber natürlich keine Ahnung, wo sich Brown befindet.
Man stelle sich nun jedoch vor, dass zwei weitere Bedingungen erfüllt sind. Erstens besitzt Jones keinen Ford, sondern fährt zurzeit einen Mietwagen. Und zweitens ist der in Satz (h) erwähnte Ort durch puren Zufall, und ohne dass Smith davon auch nur im Entferntesten weiß, genau der tatsächliche Aufenthaltsort von Brown. Wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, dann weiß Smith nicht, dass (h) wahr ist, auch wenn (i) (h) wahr ist, (ii) Smith (h) für wahr hält und (iii) Smith darin gerechtfertigt ist, (h) für wahr zu halten.
Diese beiden Beispiele zeigen, dass Definition (a) keine hinreichende BedingungBedingung, hinreichende dafür liefert, dass jemand eine gegebene Proposition weiß. Entsprechend modifiziert, reichen diese Beispiele auch aus, um zu zeigen, dass Definition (b) und Definition (c) ebenso wenig eine solche Bedingung liefern.
Wayne State University
[17]Zu dieser Ausgabe
Der Abdruck des englischen Originaltextes folgt der Edition:
Edmund L. Gettier: Is Justified True Belief Knowledge? In: Analysis 23 (1963) Nr. 6. S. 121–123.
Die Originalpaginierung wird in eckigen Klammern wiedergegeben. Typographische Besonderheiten, wie etwa zur Hervorhebung kursiv gesetzter Textteile, wurden beibehalten. Die Rechtschreibung und Zeichensetzung folgt der Vorlage buchstaben- und zeichengenau.
[23]Literaturhinweise
Zu zentralen Texten der Gettierdebatte sowie solchen, die einen guten Einstieg oder Überblick bieten, finden sich kurze Kommentare.
Austin, David: Preface. In: D. A. (Hrsg.): Philosophical Analysis. A Defense by Example. Dordrecht 1988. S. IX–XII.
Ayer, Alfred J.: The Problem of Knowledge. London 1956.
Bird, Alexander: Justified Judging. In: Philosophy and Phenomenological Research 74 (2007) Nr. 1. S. 81–110.
Boh, Ian: Epistemic Logic in the Later Middle Ages. London 1993.
BonJour, Laurence: Externalist Theories of Empirical Knowledge. In: Midwest Studies in Philosophy 5 (1980) Nr. 1. S. 53–73.
Borges, Rodrigo / de Almeida, Claudio / Klein, Peter D. (Hrsg.): Explaining Knowledge. New Essays on the Gettier Problem. Oxford 2017. [Aktuelle Aufsatzsammlung, zu der viele, die in der Erkenntnistheorie Rang und Namen haben, beigetragen haben. Insgesamt eine