Die Botschaft der Bhagavadgita. Sri Aurobindo

Die Botschaft der Bhagavadgita - Sri Aurobindo


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hat, als unnötig erklärt. „So viel Nutzen, wie in einer Quelle liegt, um die herum das Wasser in Fluten strömt, so viel Nutzen liegt in allen Veden für den Brahmanen, der das Wissen besitzt.“ Die Schriften werden sogar zum blockierenden Hindernis. Denn der Buchstabe des Wortes verwirrt – vielleicht weil es Streit über die Texte und ihre verschiedenen, voneinander abweichenden Auslegungen gibt –, das Verstehen, das seine Gewissheit und Konzentration nur durch das innere Licht finden kann. (87)

      2.53

      Wenn deine Intelligenz, die durch die Sruti (Veden und Upanishaden) verwirrt ist, unbeweglich und fest im Samadhi steht, wirst du den Yoga erlangen.

      Sruti ist der allgemeine Begriff für die Veden und Upanishaden. So anstößig diese Kritik an den Srutis für das konventionelle religiöse Empfinden auch sein mag – natürlich wurden durch die übliche, unerlässliche Fähigkeit des Menschen, Texte zu verbiegen, Versuche gemacht, einigen dieser Verse einen anderen Sinn zu geben –, so ist doch der Sinn deutlich und von Anfang bis Ende zusammenhängend. Das wird durch eine darauffolgende Stelle bestätigt und besonders hervorgehoben, in der die Erkenntnis des Wissenden beschrieben wird als ein Anstieg zu den Höhen, die sich jenseits der Veden und Upanishaden erheben, śabdabrahmātivartate. Sehen wir indessen zu, was all dies bedeutet. Denn wir können sicher sein, dass ein synthetisches und allumfassendes System wie das der Gita solche wichtigen Teile der arischen Kultur nicht im Geist bloßer Verneinung und Zurückweisung behandelt. (88)

      2.54

      Arjuna sprach:

       Was ist das Kennzeichen des Menschen in Samadhi, dessen Intelligenz fest in der Weisheit gegründet ist, O Keshava? Wie spricht, wie sitzt, wie handelt dieser Weise, dessen Verstehen sicheren Grund gefunden hat?

      Arjuna, die Stimme des durchschnittlichen menschlichen Mentals, fragt nach einem äußeren, physischen, praktisch unterscheidbaren Kennzeichen dieses hohen Samadhi. „Wie spricht, wie sitzt, wie handelt dieser Weise?“ Solche Kennzeichen können nicht gegeben werden, und der Lehrer versucht auch nicht, sie zu liefern. Denn der einzig mögliche Beweis dafür ist innerlich, dass jemand eben Samadhi besitzt und dass sich viele feindliche psychische Kräfte dagegen wenden. Gelassenheit ist das große Siegel der befreiten Seele und von dieser Ausgeglichenheit sind gerade die am meisten erkennbaren Zeichen nur subjektiv. (102)

      Kennzeichnend für einen Menschen in Samadhi ist nicht, dass er das Bewusstsein der Gegenstände und seiner Umgebung, seines mentalen und physischen Selbstes verliert und zu diesem Bewusstsein auch dann nicht zurückgerufen werden kann, wenn der Körper gebrannt oder gequält wird –, das ist die übliche Auffassung von Samadhi. Trance ist eine besondere Intensität, nicht das wesentliche Kennzeichen. (101)

      2.55

      Der Erhabene sprach: Wenn ein Mensch, O Partha, aus seinem mentalen Wesen alles Begehren ausmerzt und im Selbst durch das Selbst sein volles Genüge gefunden hat, dann sagt man von ihm, er ist in seiner Intelligenz fest gegründet.

      Das Kriterium des Samadhi besteht darin, dass alles Begehren ausgetrieben ist. Das Begehren kann nicht mehr an das mentale Wesen herankommen. Der innere Zustand ist es, aus dem unsere Freiheit entsteht und die Seligkeit der Seele, die in sich gesammelt ist mit ausgeglichenem Mental, das still, in hoher Gelassenheit oberhalb dessen verbleibt, was anzieht und abstößt, über dem dauernden Wechsel von Sonnenschein, Sturm und Spannung des äußeren Lebens. Ein solches mentales Wesen wird selbst dann nach innen gezogen, wenn es nach außen hin handelt. Es ist im Selbst konzentriert, auch wenn es auf die Dinge draußen schaut. Es wird völlig zum Göttlichen hingezogen, auch wenn es dem äußeren Betrachter als geschäftig und mit den Angelegenheiten der Welt befasst erscheint. (102)

      2.56

      Er, dessen Mental unerschütterlich bleibt inmitten von Leiden und Freuden, ist frei geworden vom Begehren, aus dem Vorliebe, Furcht und Zorn verschwunden sind, der ist der Weise, fest gegründet in seinem Verstehen.

      Die Selbst-Erziehung der Stoiker nimmt Begehren und Leidenschaft in ihre Arme wie ein Ringer und zermalmt sie zwischen diesen, wie einst Dhritarashtra im Epos das eiserne Bild des Bhima. Sie erträgt den Schock der schmerzhaften und freudvollen Dinge, die Ursachen der physischen und mentalen Erregungen der Natur und bricht deren Wirkungen in Stücke. Sie ist abgeschlossen, wenn die Seele alle Einwirkungen ertragen kann, ohne an ihnen zu leiden, von ihnen angezogen, freudig erregt oder verwirrt zu werden. Sie sucht den Menschen zum Eroberer und König über seine Natur zu machen.

      Indem die Gita ihren Anruf an die Krieger-Natur des Arjuna richtet, beginnt sie mit dieser heroischen Bewegung. Sie fordert ihn auf, sich gegen den großen Feind, das Begehren, zu wenden und ihn zu erschlagen. Ihre erste Beschreibung der Gelassenheit ist die eines Philosophen der Stoa. (195-96)

      Aber die Gita akzeptiert die Erziehung der Stoiker, diese heroische Philosophie, unter derselben Bedingung, unter der sie das tamasische Zurückschrecken akzeptiert: Sie muss über sich die sattwische Schau der Erkenntnis, an ihrer Wurzel das Ziel, das Selbst zu verwirklichen, und in ihren Schritten den Aufstieg zur göttlichen Natur haben. Eine stoische Erziehung, die nur die gewöhnlichen Neigungen unserer menschlichen Natur zertrümmert – auch wenn sie weniger gefährlich ist als tamasische Lebensmüdigkeit, unfruchtbarer Pessimismus und sterile Trägheit, da sie wenigstens die Macht und die Meisterschaft der Seele aus dem Selbst vermehrt –, wäre doch kein unvermischtes Gut, da das zur Unempfindlichkeit und einer unmenschlichen Isolierung führen könnte, ohne die spirituelle Befreiung zu bewirken. Die Gelassenheit der Stoa wird als ein Element in der Erziehung der Gita zugelassen, da sie mit der Verwirklichung des freien, unwandelbaren Selbstes im wandelbaren menschlichen Wesen vereint werden, zu dieser helfen, paraṃ dṛṣṭvā, und zum sicheren Stand in jenem neuen Selbstbewusstsein führen kann, eṣā brāhmi sthitiḥ. (197)

      2.57

      Wer in jeder Lage ohne Gemütsbewegung ist, auch wenn er von diesem Guten oder jenem Bösen heimgesucht wird, und weder hasst noch frohlockt –, dessen Intelligenz ruht auf starkem Fundament in der Weisheit.

      2.58

      Wer die Sinne von den Gegenständen der Sinne zurückzieht, so wie die Schildkröte ihre Glieder in ihren Panzer einzieht –, dessen Intelligenz ruht auf starkem Fundament in der Weisheit.

      Die erste Bewegung muss offensichtlich die sein, dass wir vom Begehren frei werden, das die tiefste Wurzel des Bösen und des Leidens ist. Um vom Begehren frei zu werden, müssen wir der Ursache des Begehrens, dem Hinausstürmen der Sinne, die ihre Gegenstände erfassen und genießen wollen, ein Ende setzen. Wir müssen sie zurückziehen, wenn sie die Neigung haben, sich so nach außen zu stürzen. Wir müssen sie von ihren Gegenständen zurückziehen –, wie die Schildkröte ihre Glieder in ihr Gehäuse zurückzieht, so diese Sinne zurück in ihren Ursprung, beruhigt im Mental, das Mental in der Intelligenz zur Ruhe gebracht, die Intelligenz in der Seele und ihrer Erkenntnis des Selbstes zur Ruhe gebracht. So müssen wir das Wirken der Natur beobachten, ihr aber nicht unterworfen und nicht durch unser Begehren an etwas gebunden sein, das das objektive Leben geben kann.

      Um ein Missverständnis zu vermeiden, das sich leicht ergeben kann, wendet aber Krishna sofort ein: Was ich lehre, ist nicht äußeres Asketentum, nicht den Gegenständen der Sinne körperlich zu entsagen. Die Entsagung der Sankhyas oder die Kasteiungen der strengen Asketen mit ihrem Fasten, der Auszehrung ihres Körpers und dem Versuch, sich überhaupt der Nahrung zu enthalten, sind nicht jene Selbst-Disziplin oder Enthaltung, die ich meine. Ich spreche von einer inneren Zurückgezogenheit, einer Zurückweisung des Begehrens. (99)

      2.59

      Wenn sich jemand der Nahrung enthält, hören wohl die Gegenstände seiner Sinne auf zu wirken, doch die Neigung in den Sinnen selbst, rasa, bleibt bestehen; wenn der Höchste geschaut wird, hört auch rasa auf.

      Da die verkörperte Seele einen Leib besitzt, muss sie ihn normal für seine normale physische Betätigung mit Nahrung versorgen. Wenn sie sich der Nahrung enthält, legt sie einfach den physischen Kontakt zum Objekt der Sinne von sich ab. Sie wird aber die innere Beziehung nicht los, die den Kontakt


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