Die Botschaft der Bhagavadgita. Sri Aurobindo
eine positive Forderung hält, kann er ein gewisses Maß von irdischem oder himmlischem Erfolg, von Zufriedenheit und Glück erlangen. Das nur skeptische Mental verliert sich im Leeren. (204)
4.41
Wer aber alles Zweifeln durch Wissen zerstört und durch Yoga alle Werke aufgegeben hat und im Besitz des Selbstes ist, der, O Dhananjaya, ist nicht durch seine Werke gebunden.
In diesem Sinne spricht die Gita, wenn sie sagt, die Gesamtheit allen Wirkens findet Vollendung, Höhepunkt und Ziel im Wissen, sarvaṁ karmākhilaṁ jñāne parisamāpyate. „So wie ein loderndes Feuer seinen Brennstoff in Asche verwandelt, verwandelt auch das Feuer des Wissens alle Werke in Asche.“ Damit ist aber keineswegs gemeint, dass das Wirken aufhören soll, sobald das Wissen vollständig geworden ist. Was wirklich gemeint ist, wird von der Gita deutlich gemacht, wenn sie sagt, dass der, der durch Wissen allen Zweifel zerstört hat, der im Yoga alles Wirken überantwortete und im Besitz des Selbstes ist, nicht durch seine Werke gebunden wird, yoga-sannyasta-karmāṇam ātmavantaṁ na karmāṇi nibadhnanti, und dass der, dessen Selbst zum Selbst aller existierenden Wesen geworden ist, zwar handelt, aber in keiner Weise durch sein Wirken belastet wird, sich nicht in ihm verfängt, von ihm keine Gegenwirkung erleidet, die seine Seele umgarnt, kurvann api na lipyate. (200-01)
4.42
Darum zerschlage mit dem Schwerte des Wissens diesen Zweifel, der sich aus Unwissenheit erhoben und in deinem Herzen festgesetzt hat, und nimm Zuflucht zum Yoga! Erhebe dich, O Bharata!
Im niederen Wissen jedoch haben Zweifel und Skepsis ihren vorübergehenden Wert. Im höheren Wissen werden sie zum schweren Hindernis. Denn dort besteht das ganze Geheimnis nicht darin, dass wir Wahrheit und Irrtum gegeneinander ausbalancieren, sondern dass wir in der Verwirklichung der geoffenbarten Wahrheit ständig fortschreiten. Im intellektuellen Wissen findet sich stets eine Beimischung von Falschem oder Unvollständigem, das dadurch ausgemerzt werden muss, dass wir die Wahrheit selbst einer skeptischen Erforschung unterwerfen. Im höheren Wissen kann das Falsche nicht eindringen. Und das, was der Intellekt dazu beiträgt, indem er sich dieser oder jener Meinung anschließt, kann nicht durch bloßes Anzweifeln ausgemerzt werden. Es wird von selbst wegfallen, wenn wir beharrlich in der Verwirklichung bleiben. Jede etwaige Unvollständigkeit in der bisher erlangten Erkenntnis kann nicht dadurch ausgemerzt werden, dass wir im Grunde infrage stellen, was bereits verwirklicht worden ist, sondern dadurch, dass wir zu weiterer und vollständigerer Verwirklichung fortschreiten, indem wir immer tiefer, höher und umfassender im Geist leben. Alles, was noch nicht verwirklicht wurde, muss durch Glauben vorbereitet werden, nicht durch ein skeptisches Anzweifeln. Denn es ist eine Wahrheit, die uns der Intellekt nicht geben kann und die tatsächlich oft ganz den Ideen entgegengesetzt ist, mit denen das vernünftig und logisch denkende Mental umgeht. Es ist keine Wahrheit, die bewiesen werden muss, sondern eine Wahrheit, die man in seinem Inneren leben muss, eine größere Wirklichkeit, in die wir hineinwachsen müssen. Schließlich ist dieses Wissen in sich selbst eine selbst-seiende Wahrheit. Sie wäre von selbst einleuchtend, gäbe es nicht die Zauberkünste der Unwissenheit, in der wir leben. Die Zweifel, die Verwirrungen, die uns daran hindern, sie anzunehmen und zu befolgen, entstehen gerade aus dieser Unwissenheit, aus dem von den Sinnen verwirrten, in seiner Meinung verunsicherten Herz und Mental, die tatsächlich in einer niedrigeren, an die Erscheinungen verhafteten Wahrheit leben und darum die höheren Wirklichkeiten infrage stellen, ajnñāna-sambhūtaṁ hṛtsthaṁ saṁśayam. Die Gita sagt, sie müssen mit dem Schwert des Wissens weggehauen werden, mit Wissen, das sich dadurch verwirklicht, dass es sich dauernd an den Yoga hält, das heißt: Durch nach außen gelebte Vereinigung mit dem Erhabenen, dessen Wahrheit zu wissen, bedeutet, alles zu wissen, yasmin vijñate sarvaṁ vijñatam. (204-05)
1 Das Wort Avatara bedeutet eine Herabkunft. Es ist ein Herabkommen des Göttlichen in den Bereich unterhalb der Linie, die die göttliche Welt, den göttlichen Zustand, vom menschlichen trennt. (Sri Aurobindos Anmerkung)
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