Die Botschaft der Bhagavadgita. Sri Aurobindo

Die Botschaft der Bhagavadgita - Sri Aurobindo


Скачать книгу
nur um das Recht, die Gerechtigkeit oder höhere Maßstäbe der Tugend handelt, durch ihre gewöhnlichen Mittel, durch große Menschen, durch mächtige Bewegungen, durch das Leben und Werk von Weisen, Königen und religiösen Lehrern ohne eine tatsächliche Inkarnation erhaltend wirken. Der Avatar kommt als Manifestation der göttlichen Natur in der menschlichen, als Enthüllung des göttlichen Charakters des Christus, des Krishna, des Buddha, damit die menschliche Natur ihr Prinzip, Denken, Fühlen, Handeln und Wesen nach den Grundlinien dieses Wesens des Christus, des Krishna, des Buddha gestalten und sich in das göttliche Wesen umwandeln kann. Das Gesetz, das Dharma, das der Avatar aufrichtet, wird hauptsächlich für diesen Zweck gegeben. Christus, Krishna, Buddha stehen in seiner Mitte als das Tor. Der Avatar bereitet durch sich hindurch den Weg, auf dem die Menschen folgen sollen. Darum stellt jede Inkarnation ihr eigenes Vorbild vor die Menschen und erklärt von sich: Ich bin der Weg und das Tor, und erklärt auch, ihr Menschsein ist eins mit dem göttlichen Wesen, verkündet, des Menschen Sohn ist eins mit dem Vater dort oben, von dem sie herabgekommen ist. Krishna im menschlichen Körper, mānuṣīṁ tanum āśritam, und der höchste Herr und Freund aller Geschöpfe sind nur zwei Offenbarungen des gleichen göttlichen Purushottama, der dort geoffenbart ist in seinem eigenen Wesen und hier geoffenbart ist in der Art des Menschengeschlechts. (147-49)

      4.11

       So wie sich Mir die Menschen nahen, nehme Ich sie in Meine Liebe auf (bhajāmi). Auf jeglichem Weg folgen die Menschen Meinem Pfad, O Sohn Prithas.

      4.12

       Diejenigen, die Belohnung für ihre Werke auf Erden begehren, opfern den Göttern (den verschiedenen Gestalten und Personifikationen der einen Gottheit). Denn rasch und leicht erzielt man in der Welt der Menschen Erfolg, der aus den Werken (den Werken ohne Wissen) entsteht.

      Die andere, die göttliche Selbst-Erfüllung im Menschen durch das Opfer, das er der erhabenen Gottheit mit Wissen darbringt, ist viel schwieriger. Seine Ergebnisse gehören einer höheren Ebene des Seins an und sind weniger leicht zu erfassen. Darum müssen die Menschen dem vierfachen Gesetz ihrer Art und ihres Wirkens folgen. Auf dieser Ebene menschlichen Handelns suchen sie die Gottheit durch ihre verschiedenen Eigenschaften. (147)

      4.13

       Die vierfache Ordnung wurde von Mir erschaffen gemäß der Einteilung der Eigenschaften und der aktiven Funktionen. Erkenne Mich als den, der dies bewirkt (das vierfache Gesetz der menschlichen Betätigungen), der Ich dennoch der ewig Nicht-Handelnde bin.

      Die vierfache Gesellschaftsordnung ist nur die konkrete Gestalt einer spirituellen Wahrheit. Diese selbst ist von der Form unabhängig. Sie beruht auf folgender Auffassung: Die Art des einzelnen Menschen, durch den das Wirken geschieht, drückt sich, richtig geordnet, im rechten Handeln aus, wobei diese Art ihm seine Richtung und seinen Bereich im Leben zuweist, im Einklang mit den ihm angeborenen Eigenschaften und dem sein Selbst ausdrückenden Aufgabenbereich. (6-7)

      4.14

       Das Wirken bleibt an Mir nicht haften, noch begehre Ich die Früchte des Handelns. Wer Mich so erkennt, ist nicht durch sein Wirken gebunden.

      Es ist tief bedeutsam, dass Gott selbst sich dem befreiten Menschen als Vorbild gibt. Denn dies offenbart die ganze Grundlage der Philosophie der Gita über göttliches Wirken. Der befreite Mensch hat sich in die göttliche Natur erhoben. Darum müssen seine Handlungen im Einklang mit dieser göttlichen Natur stehen. Was ist aber diese göttliche Natur? Es ist nicht völlig und allein die des Akshara, das unbewegliche, inaktive, apersonale Selbst. Denn sie würde durch sich selbst den befreiten Menschen zu einer tatenlosen Unbeweglichkeit führen. Es ist auch nicht in bezeichnender Weise die des Kshara, der vielfältige, persönliche Purusha, der sich selbst der Prakriti untertan gemacht hat. Denn sie würde ihn von selbst dahin zurückführen, dass er seiner Personalität, der niederen Natur mit ihren Eigenschaften unterworfen ist. Es ist die Natur des Purushottama, die diese beiden zusammenhält. Durch seine erhabene Göttlichkeit harmonisiert er beide in göttlicher Aussöhnung, die das höchste Geheimnis seines Wesens ist, rahasyaṁ hyetad uttaman. Er ist nicht der Vollbringer der Werke im personalen Sinn unseres in Prakriti verwickelten Handelns. Denn Gott wirkt durch seine Macht, durch die bewusste Natur, die effektive Kraft – Shakti, Maya, Prakriti –, verbleibt aber doch über ihr, ihr nicht involviert, ihr nicht unterworfen, durchaus in der Lage, sich über ihre Gesetze hinaus zu erheben, über die Wirkensweisen und Gewohnheiten des Handelns, die sie erschafft, nicht durch sie beeinträchtigt, noch durch sie gebunden, wohl fähig, sich von den Wirkensweisen von Leben, Mental und Körper zu unterscheiden, während wir dazu unfähig sind. Er ist es, der die Werke vollzieht und doch nicht handelt, kartāram akartāram. (139-40)

      4.15

       In solcher Erkenntnis wurde einst von den Ahnen, die Erlösung suchten, das Werk verrichtet. Wirke deshalb auch du nach jener älteren Art der Ahnen.

      Aus dem Kommen des Avatars gewinnen dessen innere Frucht jene Menschen, die daraus die wahre Art der göttlichen Geburt und der göttlichen Werke kennenlernen. Sie werden in ihrem Bewusstsein immer mehr von ihm erfüllt. Mit ihrem ganzen Wesen nehmen sie ihre Zuflucht bei ihm, manmayā mām upāśritāḥ. Geläutert durch die verwirklichende Kraft ihrer Erkenntnis und befreit von ihrer niederen Natur erlangen sie das göttliche Wesen und die göttliche Natur, madbhāvam. Der Avatar kommt hernieder, um die göttliche Natur zu offenbaren, die im Menschen über seiner niederen Natur existiert. Er will zeigen, was die göttlichen Werke sind: Frei, unegoistisch, uneigennützig, ohne egoistischen Interessen, apersonal, universal, erfüllt vom göttlichen Licht, von der göttlichen Macht, von der göttlichen Liebe. Er kommt als die göttliche Persönlichkeit, die das Bewusstsein des menschlichen Wesens erfüllen und die begrenzte egoistische Persönlichkeit so ersetzen soll, dass sie, aus dem Ego befreit, eingehen kann in die Unendlichkeit und Universalität, aus der Geburt in die Unsterblichkeit. Er kommt als die göttliche Macht und Liebe, die die Menschen zu sich ruft, so dass sie ihre Zuflucht darin suchen und nicht mehr in der Unfähigkeit ihres menschlichen Willens und im Ringen ihrer menschlichen Furcht, ihres Zorns und ihrer Leidenschaft. Befreit von all dieser Unruhe und diesem Leiden dürfen sie in der Stille und Seligkeit des Göttlichen leben. Dabei ist es ganz unwesentlich, unter welcher Gestalt oder unter welchem Namen des Göttlichen der Avatar kommt oder welchen Aspekt er herausstellt. Denn auf allen ihren Wegen, die ihrer Natur nach verschiedenartig sind, folgen die Menschen Gott auf dem Pfad, der ihnen vom Göttlichen bestimmt ist. Am Ende wird er sie alle zu sich hinführen. Der Aspekt Gottes, der ihrer Natur entspricht, ist der, unter dem sie dem Avatar am besten nachfolgen, wenn er kommt, sie zu führen. Auf dieselbe Weise, wie die Menschen Gott annehmen, lieben und Freude an ihm haben, nimmt Gott den Menschen an, liebt er ihn und hat er seine Freude an ihm, ye yathā māṁ prapadyante tāṁs tathaiva bhajāmyaham. (175-76)

      Der göttlich Wirkende

      Der ganze Karma-Yoga der Gita besteht darin, dass wir die göttliche Geburt erlangen: Eine vergöttlichende neue Geburt der Seele in ein höheres Bewusstsein, und dass wir göttliche Werke tun, und zwar bevor diese Geburt erreicht ist, als Mittel, sie zu erlangen, wie auch als Ausdruck des höheren Bewusstseins, nachdem die Geburt erlangt ist. Die Gita versucht nicht, diese Werke durch irgendwelche äußeren Kennzeichen zu definieren, an denen die neue Geburt für den äußeren Betrachter erkennbar ist und durch die Kritik der Welt bemessen werden könnte. Sie weist sogar absichtlich die gewöhnlichen ethischen Unterscheidungen zurück, nach denen sich die Menschen im Licht der menschlichen Vernunft zu orientieren suchen. Die Kennzeichen, nach denen sie göttliche Werke unterscheidet, sind alle tief innerlich und subjektiv. Das Merkmal, an dem sie erkennbar sind, ist unsichtbar, spirituell und jenseits des Ethischen. Die göttlichen Werke sind nur durch das Licht der Seele erkennbar, aus der sie kommen. (177)

      4.16

       Was Handeln und was Nicht-Handeln ist, darüber befinden sich selbst die Weisen in Verwirrung und Selbsttäuschung. Ich will dir das Handeln


Скачать книгу