Die Versuchung des Elias Holl. Axel Gora

Die Versuchung des Elias Holl - Axel Gora


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getrennt.«

      »Und das? Da in der Mitte?«, fragte Garb und tippte mit dem Wurstfinger auf die Visierung, »was soll das da?«

      »Das interessiert Euch nicht wirklich, Garb.«

      »Was?«

      »Wie Ihr uns alle habt wissen lassen, steht Euch der Sinn mehr nach Kopulation als nach der Architektenkunst.«

      Garb sah mich streng an. »Mich deucht, die viele Arbeit mit leblosem Stein scheint Euch den Sinn fürs schöne Geschlecht verdorben zu haben. Und das, wo Ihr mit der Reischlerin ein solch graziles Frauchen zum Weibe habt.«

      »Ich wüsste nicht, was Euch das anginge, nur weil die Eurige Euch an Masse in nichts nachsteht.«

      »Vielleicht kocht die Eure nicht besonders. Wenn’s nicht schmeckt, ist leicht rank sein.«

      »Meine Herren!«, unterbrach Marx Welser. »Wir sind nicht zum Streiten hier hergekommen.«

      »Also, Holl! Was ist das da jetzt?«, kam es nun schon deutlich ungehaltener aus Garbs Mund, was mich kalt ließ. Garb war reich und besaß Einfluss, mich jedoch konnte er damit schon lange nicht mehr fangen.

      Ich nickte zu Matthias. »Sag du’s ihm.«

      »Eine bronzene Wappenkartusche.«

      Garb hob die Brauen, zuckte mit den Schultern und machte ein selten dämliches Gesicht. Mit dieser Antwort wusste er nichts anzufangen, was auch Matthias bemerkte. Der ergänzte: »Sie setzt den Akzent auf die Mittelachse des Bauwerks und …«

      »Nuancierte Erhabenheit«, wiederholte Garb und schüttelte dabei den Kopf. »Was Ihr Euch immerzu ausdenkt. Bisweilen gelingt es Euch annähernd, unsereins ein Gefühl der Minderwertigkeit zu verschaffen. Zum Glück nur bis zu dem Moment, in dem wir wieder gewahr werden, dass wir es sind, die Euch das mit unserem Geld gestatten.«

      Fatzke!, dachte ich, hast dich in den ganzen Jahren keinen Deut gebessert. Ganz der Großkotz, der sich weltmännisch glaubt und uns diesen Irrglauben immerzu aufs Neue bestätigt. Was hast du schon geleistet? Hast die Rehm’sche Veronika geheiratet und dir dein Vermögen zusammengeschachert, indem du unerfahrene Handelsmänner übers Ohr gehauen hast – auf den Messen zu Frankfurt bin ich nicht mit dabei gewesen, das weiß ich nur vom Hörensagen, aber in Venedig habe ich dich kennengelernt. Die ganze Truppe, zehn Mann hoch, war dir gefällig und deinem Wort gefolgt, weil du sie alle freigehalten hast. Nur Matthias und mich konntest du nicht vereinnahmen. Während du mit den Huren das Geld versoffen und verfressen hast, haben wir die Kunst und die Bauten der Lagunenstadt studiert. Dass du damals keinen Einfluss auf uns ausüben konntest, hast du bis heute nicht verwunden.

      »Sagt an, Kager, die Bilder am Weberhaus, die habt Ihr doch hingezaubert, nicht?«

      »Ja, die Fassaden sind ganz allein mein Werk.«

      »All die Jahre geh ich tagein, tagaus dran vorbei und immerfort frage ich mich nach deren genauen Bedeutung.«

      »Ist das Euer Ernst, Garb?«, entgegnete Marx Welser, »das lernt doch jedes Kind hier auf der Schule!«

      »Ach!« Gift schoss in Garbs Blick und Stimme und dergestalt, wie er mich zuvor angesehen hatte, sah er jetzt Welser an. »Ich bin aber nicht hier zur Schule gegangen. Vielleicht ist hier der Moment, diesen Makel zu tilgen?«

      Garb kam aus Genf, was er, als er hier vor fünfzehn Jahren eingewandert war, jedem unter die Nase gerieben hatte. Anfangs hatte er in seine Wichtigtuereien so viele französische Wörter eingespeichelt, bis selbst unsere Sprachgelehrten die Nase rümpften. Auch hatte er sich überall mit ›Antoine‹ vorgestellt und betont, dass das deutsche Anton gegenüber der französischen Form doch recht hölzern, ja fast bäuerlich klänge. Bei Anton denke man unweigerlich an einen feisten Landmann mit roten Pausbacken, hatte er gescherzt. Ein Landmann ist er nie gewesen, die Pausbacken aber, mal mehr mal weniger rot, hatte er sich schon lange angefressen. Und den roséfarbenen Antoine, den hatte er sich mit der Zeit auch abgeschminkt, nachdem alle Welt sich darüber lustig gemacht hatte.

      »Nun, Kager? Wollt Ihr mir etwas von Euren Malereien erzählen?«

      »Selbstverständlich. Es freut mich immer, wenn sich jemand für meine Kunst interessiert. Ganze zwei Jahre haben die Fresken mich beschäftigt. Vorgabe war, die Geschichte der Weberzunft abzubilden. Ich habe, wie es meiner Künstlerseele entspricht, diese natürlich mit wichtigen Augsburger Ereignissen, mit mythologischen Erzählungen und Allegorien, mit Zeit- und Weltgeschichte verknüpft. Ein schlechter Künstler wäre ich, hätte ich das nicht gemacht. Als Jünger der Musen sind wir dem Höheren nicht nur zugetan, sondern auch verpflichtet. Wir stehen in der Gunst …«

      »Ja! Mein Gott, Kager, verschont mich mit Eurem Schöpfergeschwafel. Ihr seid fürwahr ein großer Künstler. Womöglich der größte, den Augsburg zu Zeit aufzubieten vermag. Doch bitte, Eure Philosophie ein andermal. Erzählt mir kurz und bündig, was am Weberhaus zu sehen ist!«

      »Kurz und bündig … zu sehen, hm …«, wiederholte Matthias, »wie meint Ihr das?«

      »Na wie wohl? Ich möchte wissen, was Ihr da abgebildet habt, was halt da zu sehen ist, nicht mehr und nicht weniger.«

      »Also gut, … was gibt es zu sehen«, wiederholte Matthias und rieb sich den Bart. Seine Stimme hatte plötzlich die Kälte des Wetters angenommen ob dieser Schmähung seiner Kunst. »Wenn Ihr Euch die Südfassade anschaut, so seht Ihr im Erdgeschoss Venezianer beim Warenverkauf an Augsburger Kaufleute und Warenkauf der Venezianer bei den Osmanen. Im ersten Obergeschoss seht Ihr die Vier Zeitalter und die Sieben Lebensbereiche sowie Römerinnen bei der Tuchbeschau.«

      »Und die anderen Fassaden?«

      »Über dem Eingangsportal der Ostfassade seht Ihr Justitia mit Waage und Richtschwert, von vier Putten umgeben. Im ersten Obergeschoss Ulrich und Afra. Im zweiten seht Ihr die siegreiche Rückkehr des Heeres aus der Schlacht auf dem Lechfeld. Daneben die Verleihung des Wappens an die Weber. Ganz oben, im dritten Obergeschoss, seht Ihr Szenen aus der Schlacht selbst.«

      Ich stöhnte. Nicht, weil mir jedes dieser gehäuften und verdrossenen seht aus Matthias’ Mund wie ein falscher Ton ins Ohr ging, und auch nicht, weil diese reißbrettartige Aufzählung seiner Kunst nur ein schwaches Schlaglicht bot, das deren Tiefe niemals auszuleuchten vermochte, sondern weil man ursprünglich hier zusammengekommen war, um über Körper und Gesicht meines neuen, nicht unerheblichen Bauwerks zu sprechen. Mochte es nicht so imposant sein wie Stadtmetzg und Zeughaus, die ebenfalls meine Ausführungen waren, so handelte es sich doch um ein Bauwerk,


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