Beautiful Things. Hunter Biden

Beautiful Things - Hunter Biden


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hat, in die Brüche gegangen, man hat mir Pistolen ins Gesicht gehalten, und einmal bin ich völlig abgetaucht, als ich in einem Neunundfünzig-Dollar-Motel an der I-95 wohnte und meiner Familie mehr noch als mir selbst einen riesigen Schrecken einjagte.

      Dieser Absturz kam kurz nachdem ich meinen Bruder umarmte, als er seinen letzten Atemzug tat, Beau, den besten Freund, den ich je gehabt habe, den Menschen, den ich auf dieser Welt am meisten geliebt habe. Es gab praktisch keinen Tag in unserem Leben, an dem wir nicht miteinander gesprochen haben. Während wir als Erwachsene beinahe so oft stritten wie gemeinsam lachten, endete keines unsere Gespräche, ohne dass der eine sagte: »Ich liebe dich« und der andere antwortete: »Ich liebe dich auch.«

      Ich habe mich nie so einsam gefühlt wie nach Beaus Tod. Ich verlor jede Hoffnung.

      Inzwischen habe ich mich aus diesem düsteren, trostlosen Loch herausgezogen, was Anfang 2019 noch undenkbar war. Ohne die bedingungslose Liebe meines Vaters und die immerwährende Liebe für meinen Bruder, die über seinen Tod hinausgeht, hätte ich mich niemals fangen können.

      Die Liebe, die mich mit meinem Vater und mit Beau verbindet – die tiefste, die ich je erfahren habe – bildet den Kern dieser Erinnerungen. Es ist eine Liebe, die mir das Überleben ermöglicht hat in einem Zangengriff aus persönlichen Dämonen und dem Druck der Außenwelt, nicht zuletzt vonseiten eines blindwütigen Präsidenten.

      Natürlich ist es eine Liebesgeschichte nach Biden-Art, und das bedeutet, dass sie kompliziert ist: tragisch, menschlich, leidenschaftlich, widerstandsfähig, bombastisch und letztendlich erlösend. Sie hört nie auf, egal was kommt. Mein Vater hat oft gesagt, dass Beau seine Seele war, und ich bin sein Herz. Und genauso ist es.

      Ich habe über diese Worte oft nachgedacht, ihre Bedeutung in meinem Leben. Beau war auch meine Seele. Ich habe gelernt, dass man auch ohne Seele weiterleben kann, solange nur das Herz noch schlägt. Aber herauszufinden, wie man es anstellt, wenn die Seele herausgerissen ist – wenn sie so vollständig ausgelöscht wurde, dass man sich mitten in der Nacht hinter einer Tankstelle in Nashville, Tennessee, wiederfindet, wo man Crack kauft, oder in einem Palast in Amman, wo man sich nach den Schnapsfläschchen in der Hotelbar sehnt, während man mit dem König von Jordanien zusammensitzt –, das ist die eigentliche Herausforderung.

      Millionen von Menschen leben noch immer an diesem düsteren Ort, an dem auch ich war, vielleicht an einem noch viel schlimmeren. Ihre Umstände mögen andere sein, und ihre Mittel und Möglichkeiten weit geringer, aber der Schmerz, die Scham, die Hoffnungslosigkeit der Sucht sind für alle gleich. Ich habe in diesen Crackmotels gelebt. Ich habe mit »solchen« Leuten Zeit verbracht – bin mit ihnen durch die Stadt gefahren, immer auf der Suche. Ich habe mich mit ihnen weggeschossen. Das hat in mir ein überwältigendes Mitgefühl geweckt für diejenigen, die einfach nur versuchen, es von einem Augenblick zum nächsten zu schaffen.

      Doch selbst in den Tiefen meiner Drogensucht, als ich an den erbärmlichsten Orten angeschwemmt wurde, habe ich doch außerordentliche Dinge erfahren. Ich erfuhr die Großzügigkeit von Menschen, die von der Gesellschaft wie Unberührbare behandelt werden. Ich begriff endlich, dass wir alle durch unsere Menschlichkeit miteinander verbunden sind, und vielleicht auch durch einen gemeinsamen Schöpfer.

      Meine Biographie ist eigentlich keine gute Grundlage für ein solches Bekenntnis. Das verstehe ich, glauben Sie mir. Doch so abgründig, gefährlich und wahnwitzig dieser Lebensweg an vielen Stellen ist, so erfüllt ist er auch von einfachen, bejahenden menschlichen Verbindungen.

      Ich wünsche mir, dass diejenigen, die noch immer im finsteren Loch des Alkoholismus und der Drogensucht stecken, sich selbst in meiner Misere wiedererkennen und Hoffnung schöpfen aus meiner Flucht, wie sie mir zumindest bis jetzt gelungen ist. Wir sind mit unserer Sucht immer allein. Es spielt keine Rolle, wie viel Geld man hat, mit wem man befreundet ist, aus welcher Familie man kommt. Am Ende müssen wir selbst damit zurechtkommen – einen Tag lang, dann noch einen, und immer so weiter.

      Und ich möchte mit Ehrlichkeit und Demut und einem gehörigen Maß an Ehrfurcht zeigen, dass die Liebe meiner Familie mein einziger Schutz war gegen die vielen Dämonen, gegen die ich ankämpfen musste.

      Es war nicht leicht, dieses Buch zu schreiben. Manchmal war es kathartisch. Dann wieder hat es mich zurücktransportiert. Ich habe mich mehr als einmal von meinem Schreibtisch weggestoßen bei dem Versuch, meine Gedanken über die vergangenen vier Jahre, die ich in der Wildnis von Alkoholismus und Cracksucht verbracht habe, zu Papier zu bringen – weil die Erinnerungen zu haarsträubend waren, zu verstörend oder noch zu frisch, um mich nicht ins Grübeln zu stürzen. Es gab Momente, in denen ich tatsächlich anfing zu zittern, in denen sich mein Magen zusammenzog und der Schweiß in einer Weise, die mir allzu vertraut ist, auf meine Stirn trat.

      Als ich ein knappes Jahr lang clean war – ich arbeitete gerade am ersten Teil dieses Buchs –, dachte ich noch immer jeden Morgen als Erstes an Crack. Es war, als müsste ich meinen Krieg wie im Fieberwahn immer wieder von Neuem führen, ich musste jeden erbärmlichen Schritt, jedes Ritual meiner Sucht akribisch nachvollziehen – ohne die Droge selbst, und mit Melissa, die neben mir lag und schlief. Ich streckte den Arm aus und tastete auf dem Nachttisch nach Crack. Ich stellte mir vor, ich hätte ein Bröckchen gefunden, ich würde es in die Pfeife stecken, die Pfeife an meine Lippen legen, es mit dem Feuerzeug erhitzen und das totale, uneingeschränkte Hochgefühl spüren. Nichts war verführerischer, verlockender …

      Dann fing ich mich, ließ von dem Gedanken ab. Melissa wachte auf, und ein neuer Tag begann, der von all dem frei war. Mein Dad, der sich im Vorwahlkampf befand, rief aus Iowa oder Texas oder Pennsylvania an. Meine älteste Tochter, die noch im Jurastudium war, meldete sich aus New York und fragte wieder, ob ich endlich den Aufsatz gelesen hätte, den sie mir geschickt hatte. Ein Habicht kreiste über dem Canyon vor meinem Fenster, neckend, höhnend, wunderschön, und ich dachte an Beau, nur an ihn. Doch egal, wie weit ich schon gekommen war, ich wurde das Gefühl nicht los, dass mir diese alten, schrecklichen Gespenster noch immer im Nacken saßen.

      Dies ist die Geschichte meines Weges, von dort nach hier.

      Siebzehn Minuten

      Am Vormittag des 29. Mai 2015 ließen wir die Geräte abschalten, die Beau am Leben hielten. Er war nicht ansprechbar, seine Atmung war schwach. Die Ärzte auf der Intensivstation des Walter-Reed-Militärkrankenhauses in Bethesda, Maryland, erklärten, dass er innerhalb weniger Stunden, nachdem sie die Tracheostomiekanüle gezogen hätten, von uns gehen würde. Ich wusste, dass es länger dauern würde – denn so war Beau. Also saß ich am Bett meines großen Bruders und hielt seine Hand.

      Eine ganze Schar von Verwandten war ebenfalls da – vierundzwanzig Bidens, die hereinschauten und wieder verschwanden, die durch die Krankenhauskorridore liefen, ihren Erinnerungen nachhingen, warteten. Ich blieb bei Beau, die ganze Zeit.

      Der Vormittag ging schleichend in den Nachmittag über, in den Abend, dann in die Nacht. Die Sonne ging noch einmal auf, ihre Strahlen brachen nur an wenigen Stellen durch die zugezogenen Vorhänge. Es war ein wirres, quälendes Warten: In ein und demselben Gebet hoffte ich auf ein Wunder und wünschte mir, dass das Leiden meines Bruders ein Ende nähme.

      Weitere zähe Stunden. Ich redete auf Beau ein, ununterbrochen. Ich flüsterte ihm ins Ohr, wie sehr ich ihn liebte. Ich sagte ihm, dass ich wüsste, wie sehr er mich liebte. Ich sagte ihm, dass wir immer zusammen sein würden, dass es nichts gebe, was uns trennen könne. Ich erklärte ihm, wie stolz ich auf ihn war, wie mutig er gekämpft hatte, durch die Operationen hindurch, die Bestrahlungen und die letzte, experimentelle Behandlung, bei der ein verändertes Virus in seinen Tumor gespritzt worden war – direkt in sein Gehirn.

      Er hatte nie eine Chance.

      Er war sechsundvierzig.

      Doch von der ersten Diagnose an, die weniger als zwei Jahre zurücklag, und während der gesamten Behandlung wiederholte Beau zwei Wörter immer wieder, wie ein Mantra, das er mir schenkte: »Beautiful things, schöne Dinge.« Er verlangte, dass wir, wenn er wieder gesund wäre, unser ganzes Leben der unerschöpflichen Schönheit dieser Welt weihen würden, dass wir sie genießen und fördern


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