Big Ideas. Das Klassische-Musik-Buch. Hall George
und komponierte dafür einstimmige Lieder, die größtenteils von den Titelfiguren gesungen wurden. Obwohl das Stück in der Vergangenheit des Öfteren als »erste komische Oper« bezeichnet wurde, würde das heutige Publikum es wohl eher unter die Singspiele einordnen. Adam de la Halles Komödiantik kannte keine Grenzen – er machte sich über die Kirche und ihren korrupten Klerus lustig, über seine Mitmenschen in Arras, wo er wohnte und arbeitete, und sogar über seine eigene Familie und das Leben, das er führte.
Heinrich von Meißen bei einem Auftritt bei Hofe, eine Illustration im Codex Manesse (1300). Der Künstlername des Minnesängers war Frauenlob.
Rittergeschichten
Die Lieder der Trobadoren und Trouvères wurzeln in der mittelalterlichen hohen Minne (fin’amor) – der Verehrung einer idealisierten Dame – und sind ein wichtiger Bestandteil des höfisch-kulturellen Lebens. Adam de la Halle spielte in Robin und Marion mit dieser Idee, indem er einen Ritter seine Liebe umwerben ließ, doch das Stück war ebenso von der französischen Form des Schäferspiels beeinflusst.
Die Verse der Trobadore überdauerten die Zeiten außerordentlich gut: Mehr als 2000 Gedichte von 450 namentlich bekannten Dichtern blieben erhalten. Die Überlieferung der musikalischen Ausführung ist jedoch sehr lückenhaft. Lediglich bei zehn Prozent der Gedichte wurde die dazugehörige Melodie in Noten festgehalten.
Als erster nordfranzösischer Trouvère trat im 13. Jahrhundert der Dichter Chrétien de Troyes in Erscheinung, rund 70 Jahre nach dem ersten südfranzösischen Trobador. Der Umfang der erhaltenen Trouvèrelyrik entspricht in etwa dem der südlichen Variante, allerdings sind über 60 Prozent der Trouvèrelieder musikalisch untermalt – wenngleich ohne exakte Angaben zum Rhythmus.
»Wenn ich die Lerche sehe, wie sie die Flügel gegen den [Sonnen-]Strahl bewegt … wundert es mich, dass mein Herz nicht vor Sehnsucht schmilzt.«
Bernart de Ventadorn
Südeuropa
Neben den Trobadoren und Trouvères, die als eigenständige Gruppe höfischer Dichter ein bestimmtes poetisches Genre vertraten, gab es noch den niedrigeren Stand der Spielleute. In Südeuropa nannte man sie joglar oder joglaresa, im Norden hießen sie jongleur. Neben artistischer Geschicklichkeit beherrschten sie noch viele weitere Fertigkeiten, wie das Spielen von Musikinstrumenten jeglicher Art, das Singen von Liebes- und Heldenliedern sowie die Possenreißerei.
Doch trotz der Freude, die diese fahrenden Gesellen verbreiteten, standen sie nicht nur auf der untersten Stufe der Gesellschaft, sondern auch außerhalb der schützenden Hand des Gesetzes. Ein Beispiel für ein Spielmannslied stammt von Martin Codax (um 1250). Es ist im Stil der Cantiga de amigo verfasst, eines Genres, das Geschichten aus der Sicht der Frau erzählt. Codax beschwört darin die Emotionen einer Frau herauf, die in Vigo (einem Fischerdorf im spanischen Galizien) auf die Rückkehr ihres Geliebten wartet.
Tavernenmusikanten
Eine weitere Gruppe mittelalterlicher Musiker, die Vaganten (auch Goliarden genannt), hatten vieles mit den Spielleuten gemeinsam, waren jedoch in Wirklichkeit arbeitslose Geistliche, die in den Tavernen derbe Lieder sangen und darin alle Gesellschaftsschichten persiflierten. Die Carmina Burana (um 1200–1300) ist die wichtigste überlieferte Sammlung der Vagantendichtung.
Minnesänger
Das Genre der höfischen Liebe schwappte von Frankreich aus nach Deutschland, wo die Minnesänger ihre Zuhörer mit Liedern über die ritterliche Liebe unterhielten. Wie ihre französischen Kollegen waren die Minnesänger normalerweise in den Adelshäusern als sozial Gleichgestellte willkommen. Beispiele früher Minnelieder legen den Schluss nahe, dass die Trouvèrelyrik auch in Deutschland bekannt war.
Um 1200 entwickelte der Minnegesang durch Walther von der Vogelweide verstärkt eine eigene Identität. Im Vergleich zu den Werken der französischen und spanischen Traditionen ist jedoch nur von wenigen Minnelieden die Melodie überliefert.
Weltliche Musiker
Trobador, Trouvère, Minnesänger Poeten und Komponisten, die ihre Lieder in Adelshäusern vortrugen.
Jongleur Geschichtenerzähler und Akrobaten niederer Geburt, die auch tanzen und singen konnten.
Vagant Fahrende Sänger, die früher Geistliche waren. Sie sangen oft derbe und satirische Lieder auf Lateinisch.
Stadtpfeifer Im Dienste einer Stadt spielten sie bei Festen aller Art, warnten vom Turm aus vor Gefahren und gaben die Zeit an.
Mittelalterliche Musikanten, eingeordnet in Kategorien, entsprechend ihrem Status und typischen Publikum.
Adam de la Halle
Der französische Musiker Adam de la Halle wurde um 1240 in der Tuchmacherstadt Arras geboren und erwarb im Rahmen seiner theologischen Ausbildung in der Abtei von Vaucelles, die erst ein Jahrhundert zuvor gegründet worden war, Kenntnisse über Musik. Adam de la Halles Vater erwartete, dass er in die Kirche eintrete, aber er wählte einen anderen Weg. Nach einer kurzen Ehe schrieb er sich an der Universität von Paris ein, wo er unter anderem die polyphonen Techniken erlernte, die er später in populären Musikgenres einsetzte.
Adam de la Halle attackierte in seinen Versen die korrupte Obrigkeit von Arras, trat später aber in den Dienst von Karl von Anjou, dem König von Neapel, wo er Le Jeu de Robin et de Marion verfasste. Halle starb ein paar Jahre später, zwischen 1285 und 1288.
Weitere Hauptwerke
Datum unbekannt Mout me fu grief/Robin m’aime/Portare (Groß war meine Traurigkeit/ Robin liebt mich/Portare)
Datum unbekannt A jointes mains vous proi (Bitte nimm meine Hand)
Alte Instrumente
Viele Instrumente der europäischen Musik des Mittelalters haben ihren Ursprung in Nordafrika, Zentralasien und auf dem Balkan. Dazu gehörten die Laute (ein Saiteninstrument mit einem Korpus in Form eines Schildkrötenpanzers), die Rebec (ein löffelförmiges Streichinstrument) und die Schalmei, der Vorläufer der Oboe. Das europäische Tabor (Trommel) ist verwandt mit der indischen Tabla, während die Puke (Pauke) mit der asiatischen Naqqara (Kesseltrommeln) verwandt ist.
Frühe Dichter begleiteten sich oft auf der Fidel, einem Streichinstrument, das auf dem Schlüsselbein ruhte. Eine Fidel hatte drei bis sechs Saiten, die über einen flachen Steg oder Saitenhalter liefen. Dies begünstigte einen harmonischen Spielstil, bei dem mehrere Saiten gleichzeitig erklangen – anders als bei dem gebogenen Steg der modernen Geige, bei der einzelne Saiten gestrichen werden können und so die Melodie im Vordergrund steht.