Seewölfe - Piraten der Weltmeere 53. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 53 - Roy Palmer


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das Kommando über die „Isabella V.“ vorläufig übernommen hatte, hatte Sir John Krallen und Zähne gezeigt. Danach hatte Sir John auch noch den Fehler begangen, sich mit Bootsmann Sullivan von der Kriegskaravelle „War Song“ anzulegen – und das Maß war voll gewesen.

      Gerupft und durchgerüttelt wie ein schlachtreifer alter Hahn war er mit seinem Prachtjungen Simon Llewellyn nach Arwenack-Castle, der Stammfeste der Killigrews, zurückgekehrt. Und was hatte er getan? Kaum hatte er sich vom Ärgsten erholt, da hatte er auf Rache und Vergeltung gesonnen und neue Pläne geschmiedet. Hasard war mit seinen Männern mitten hineingeplatzt. Durch den Fluchtgang der Feste waren sie eingedrungen, und Hasard hatte seinen Alten zur Rede gestellt, hatte richtig Gericht über ihn gehalten und ihn in das Hirschgeweih über dem Kamin gehängt, als er zu widerborstig wurde. So hatte er herausgefunden, wo sich die „Wappen von Wismar“ befand. Zum Schluß hatte Sir John auch noch achthundert Pfund für die alte Hansekogge berappen müssen, denn die hatte ihm ja seinerzeit Rory O’Connor von der Werft in Belfast zahlen müssen. Sir John hatte sich zähneknirschend gefügt. Aber wieder hatte er eine List im Sinn, der alte Fuchs! Tregwin, der Burghauptmann, war ihm behilflich gewesen, und sie hatten Hasard und seine Männer mit den Eisengattern im Fluchttunnel gefangengesetzt.

      Aber sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Jack Jackson, seines Zeichens Küchenchef auf Arwenack, hatte sich von der Feste gestohlen und die „Isabella“-Crew alarmiert, während Sir John mit Thomas Lionel und Tregwin eine Orgie gefeiert hatte. Carberry, Ferris Tucker und die anderen waren ins Kastell eingedrungen. Es hatte Zunder gegeben, mächtig sogar. Der Seewolf und seine Begleiter waren aus dem Fluchtgang befreit worden. Sie hatten sich mit einem Eisengruß verabschiedet und waren weiter nach London gesegelt, um endlich die immense Schatzbeute an die Königin abzuliefern.

      Sir John hatte indes immer noch nicht die Nase voll gehabt. Mit seiner neuen Crew räuberte er im April bereits wieder in der Irischen See herum – und stieß auf Hasard, der nach Belfast zur Werft des Rory O’Connor unterwegs war. Hasard hatte diesmal nur die zweimastige Schaluppe gehabt, die Al Conroy seinerzeit in Plymouth „gekauft“ hatte, um der „Isabella V.“ und der „War Song“ nachzusegeln.

      Sir John hatte also gedacht, leichtes Spiel mit dieser lächerlich gering armierten Schaluppe zu haben. Weit gefehlt! Hasard verfügte über einundzwanzig Männer, und jeder einzelne von ihnen war in der Lage, den alten Killigrew in die Tasche zu stecken. Jan Ranse, Piet Straaten, Nils Larsen, Sven. Nyberg, Jean Ribault und Karl von Hutten hatten die Mannschaft in Dünkirchen zwar verlassen, weil sie die Heimat besuchen wollten. Doch die Crew war nach wie vor stark.

      Sir John hatte das auch einsehen müssen. Sie hatten ihm das Ruder seiner Zweimastkaravelle zerschossen und ihm zwei Treffer in die Wasserlinie verpaßt. Wieder war er flügellahm gewesen.

      Bei Rory O’Connor hatte Hasard erfahren, daß der Alte schon vor ihm dort gewesen war und den Mann um achthundert Pfund erleichtert hatte. Hasard hatte seine Recherchen angestellt, während Sir John draußen auf See wutschnaubend die Karavelle am Absaufen hinderte und ein Notruder bauen ließ – von Jeremy Robb.

      Als O’Connor, dieser irische Patriot, dann erfahren hatte, wer Hasard wirklich war, hatte, er einen Überfall auf die Schaluppe angezettelt. Er hatte sich aber eine blutige Nase geholt. Genauso war es Sir John ergangen, der seine Karavelle inzwischen wieder klar hatte und den Seewolf abfangen wollte.

      Hasard hatte ihm die Karavelle abgeknöpft und in „Isabella VII.“ umgetauft. Die Schaluppe hatte er ihm gnädigerweise überlassen, statt ihn samt Mannschaft zu den Fischen zu schicken. Hasard war auf Südkurs gegangen, Richtung Spanien, wo er hoffte, mehr über seine Vergangenheit zu erfahren.

      Aber zwischen dieser Hoffnung und der Gewißheit lag die Biskaya mit ihrem alles vernichtenden Sturm.

      2.

      Steuerlos, vor Topp und Takel lenzend, trieb die „Isabella“ vor dem Sturm her. Der einzige Trumpf, den der Seewolf jetzt noch in der Hand hielt, waren die nachschleppenden Taue. Damit konnte er den Sturm noch abreiten – wenn sich der manövrierunfähigen Karavelle keine Hindernisse darboten.

      Als Hasard die Position zum letztenmal vor dem Wetter geprüft hatte, hatten sie nördlich querab von Asturien gestanden und Kurs auf Kap Finisterre gehabt. Hasard hatte die Karte im Kopf und wußte, welche neue Gefahr jetzt für sie entstand.

      Sie waren immer noch um den hin und her schlagenden Kolderstock versammelt. Hasard sah Ferris an und erkannte, daß dieser ungefähr die gleichen Überlegungen anstellte wie er. Ben auch. Alle mußten über kurz oder lang zu dem gleichen Schluß gelangen.

      „Verdammt“, sagte Ferris. „Ich versuche es trotzdem.“

      „Was?“ rief Carberry.

      „Er will ein Notruder bauen, du Stint!“ brüllte Shane.

      „Wahnsinn“, gab der Profos zurück.

      Auch Hasard sagte: „Bei dem Seegang hobelst du dir höchstens ins Bein, Ferris.“

      „Ich steige in den Frachtraum, das ist noch der ruhigste Punkt im ganzen Schiff. Ich binde mich fest und schufte, daß die Schwarte kracht“, entgegnete der rothaarige Riese. „Himmel, ich muß es tun, sonst laufen wir noch irgendwo auf. Hol’s der Teufel.“

      Ben Brightons Miene war verbissen. „Wir treiben gegen die Nordwestecke der Iberischen Halbinsel, wenn nicht ein Wunder geschieht.“

      „Moment mal“, sagte der Profos. „Doch nur, wenn der verfluchte Wind auf Nord dreht, oder?“

      „Auch so“, erwiderte Hasard.

      „Der Himmel sei uns gnädig“, sagte Pete Ballie. O nein, sie waren nicht fromm und gottesfürchtig, die Männer der „Isabella“, aber ganz tief im Herzen bewahrte sich doch jeder von ihnen jene urwüchsige und unverfälschte Form von Glauben, die wohl die aufrichtigste von allen war. Und nach allem Dafürhalten blieb hier nur eins zu tun: Das Schicksal von Schiff und Mannschaft in die Hände desjenigen zu legen, der die größere Kompetenz hatte.

      Hasard verließ das Quarterdeck und kämpfte sich über die tanzende Kuhl bis zum Vorschiff. Smoky, der Decksälteste, erwartete ihn im Steuerbordschott. Seine Miene war besorgt, aber sie wurde erschüttert, als Hasard ihn über das zerbrochene Ruder unterrichtete.

      „Allmächtiger, was machen wir jetzt bloß?“

      „Wir sind zur Tatenlosigkeit verdammt“, erwiderte Hasard. „Das heißt, drei Mann kommandiere ich in den Frachtraum ab. Sie sollen Ferris helfen, ein neues Ruder herzustellen – wenn das überhaupt zu schaffen ist.“

      „Verrückt“, sagte Smoky.

      „In diesem Irrenhaus wird alles Verrückte für uns normal!“ rief Hasard ihm durch das Donnern eines heranrollenden Brechers zu.

      Smoky hielt sich an der hölzernen Umrandung des Schotts fest. „Aye, aye, Sir. Wer soll Ferris also unterstützen?“

      „Teile die Männer selbst ein.“

      Smoky wandte den Kopf und rief in das Dunkel des Vorschiffs: „He, Matt, Blacky und Batuti, ab in den Frachtraum zu Ferris.“

      „Smoky“, sagte Hasard.

      „Sir?“

      „Wir haben die Küste von Kap Ortegal bis Camarinas in Galizien dicht vor der Nase. Wir laufen Gefahr, aufzulaufen und zu zerschellen. Ich kann den Hauptmars und Vormars unmöglich besetzen, deswegen brauche ich einen Mann, der sich auf die Back begibt und dort den Ausguck übernimmt.“

      Smoky setzte ein wildes Grinsen auf. „Dieser Mann bin ich. Wenn wir zum Teufel gehen, hast du wenigstens die Gewißheit, es rechtzeitig von mir zu erfahren.“

      Eine halbe Stunde später war es soweit.

      „Land Backbord voraus!“ schrie Smoky von seinem Posten auf der Back.

      Er hatte sich festgezurrt und war durchnäßt bis auf die Knochen, und er versah seine Aufgabe mit dem Schwur, lieber ertränkt


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