Seewölfe - Piraten der Weltmeere 7/II. Davis J. Harbord
Und die fünfzig Soldaten? Die hätten zugesehen und Däumchen gedreht, wie?“
„Die meisten hätten auf deiner Seite gestanden.“
„Hätten – hätten! Darauf konnte ich mich nicht verlassen. Die Situation war sowieso heikel genug – fünfzig Soldaten gegen uns vier. Die hätten uns in weniger als einer Minute zu Brei gestampft.“
„Wir hätten eingegriffen.“
„Hör auf, Ben“, sagte Hasard wütend. „Sollten hier auf irischem Boden Engländer gegen Engländer kämpfen und sich gegenseitig massakrieren?“
Ben Brighton schwieg. Er mußte Hasard recht geben.
2.
Gegen neun Uhr abends verließ die Truppe Burtons das halbfertige Lager an der versteckten Nebenbucht der Dungarvanbai. Gefällte Baumstämme lagen herum, ein paar Erdhaufen markierten, wo geschanzt worden war, der Graben um das Lager war erst zu einem Viertel ausgehoben. Die These, sich bei Schanzarbeiten kein Bein auszureißen, hatte sich wieder einmal als richtig erwiesen. Immerhin hatte Captain Isaac Henry Burton sein Bad gehabt. Die drei Soldaten hatten neun Eimer Wasser herangeschleppt – dafür waren sie dreimal zur Quelle und zurück gelaufen.
Hasard stand mit schmalen Lippen auf dem Deck des Achterkastells und sah die Marschkolonne im Wald verschwinden. Für kurze Zeit hörte er noch das Scheppern und Klirren von Metall, dann verstummte auch das.
Mit einem Ruck drehte er sich zu Ben Brighton um.
„Hol Ferris, Ben. Wir müssen etwas besprechen. Ich bin in meiner Kammer. Die Gefechtsbereitschaft ist aufgehoben, aber wir werden etwas unternehmen – auch ohne Kapitän Drake und Captain Norris.“
„Aye“, sagte Ben Brighton knapp.
Als die beiden Männer Hasards Kammer betraten, stand der Seewolf über eine Karte gebeugt, die auf dem einzigen Tisch ausgebreitet war. Es war eine Karte der Dungarvanbai, wie Ben Brighton mit einem Blick feststellte.
Hasard nickte ihm und Ferris Tucker zu. Er tippte auf die Karte, dann glitt sein Finger von ihrem Ankerplatz in der versteckten Nebenbucht nach Westen.
„Hier marschiert dieser Holzkopf jetzt mit seiner Truppe“, sagte er. „Was heißt marschiert? Sie müssen sich durch das hügelige Waldgelände quälen, bepackt wie die Maulesel. Dort im Westen mündet der Colligan in die Bai. Wo sie den überqueren werden, ist mir schleierhaft. Vielleicht finden sie eine Brücke, auf dieser Karte ist keine eingezeichnet. Dann müssen sie südwärts an Dungarvan vorbei und am Stiefel entlang bis zur Spitze, wo sich vermutlich der Landeplatz für das Ausladen der fünf Karavellen befindet.“
Hasards Finger markierte den Landeplatz und wanderte dann noch einmal die gesamte Strecke bis zur Nebenbucht zurück.
„Was meint ihr, wie lange Burton für diesen Marsch braucht?“ fragte er.
Ben Brighton und Ferris Tucker beugten sich tiefer über die Karte und taxierten die imaginäre Marschroute.
Ben Brighton sagte: „Bis zum Morgengrauen müßte er es geschafft haben, falls die Truppe bis dahin unentdeckt bleibt.“
Ferris Tucker nickte.
„Das schätze ich auch.“
Beide blickten den Seewolf erwartungsvoll an. Wie sie ihn kannten, hatte er wieder was auf der Pfanne.
Hasard sagte: „Wir müssen verhindern, daß die Iren durch den wahrscheinlichen Angriff Burtons auf den Landeplatz gewarnt werden und dann die Waffenverstecke räumen. Das setzt zwei Bedingungen voraus. Erstens: Wir müssen schneller als Burton sein. Zweitens: Wir müssen in Erfahrung bringen, wo sich die Verstecke befinden. Die erste Bedingung ist zu erfüllen – auf dem Wasserweg. Wir brauchen nur quer über die Bai überzusetzen, während Burtons Truppe dem Verlauf der Bai folgend herummarschieren muß. Unser Weg ist der kürzere. Nun zur zweiten Bedingung. Auch sie sollte hinzukriegen sein und erfordert nur etwas Versteckspielen. Das heißt, wir pirschen uns an den Landeplatz heran. Ich gehe davon aus, daß die Spanier noch in dieser Nacht ihre Karavellen entladen, um so schnell wie möglich wieder verschwinden zu können. Wenn das so ist, dann hängen wir uns an die Kerle an, von denen die Ladung in die Drum Hills gebracht wird. Sie führen uns zu den Verstecken.“
„Und dann?“ fragte Ben Brighton gespannt.
„Das hängt jetzt tatsächlich von diesem Holzkopf Burton ab“, erwiderte der Seewolf grimmig. „Wenn er so wahnsinnig ist, anzugreifen, dann wird bei der Landestelle der Teufel los sein. Wo Krach ist, rennt man hin. Das werden auch die Iren tun, die bei den Verstecken in den Drum Hills die Ladungen in Empfang nehmen und lagern. Vielleicht lassen sie Posten zurück. Aber genau zu diesem Zeitpunkt haben wir die Chance, zuzuschlagen und die Lager auszuheben oder in die Luft zu jagen.“
„Phantastisch“, sagte der riesige Schiffszimmermann und grinste. Für ihn war bereits klar, daß er der Sprengmeister sein würde.
„Und die fünf Karavellen?“ fragte Ben Brighton. „Wenn die in den Kampf an dem Landeplatz eingreifen, dann gibt’s Kleinholz.“
„Das ist das Problem unseres Feldherrn Burton“, sagte Hasard hart. „Ich bin nicht sein Kindermädchen. Die Brocken, die er zu verschlingen beabsichtigt, muß er selbst verdauen. Mir geht es darum, bei diesem ganzen Unternehmen noch das zu retten, was zu retten ist. Vorrangig sind die Waffen- und Munitionsverstecke der Iren. Auch wenn sie geräumt werden sollten, bevor wir sie ausheben können, müssen wir zur Stelle sein und dann Fühlung halten, um zu erfahren, wohin der Kram verlagert wird.“
„Aber die fünf Karavellen ...“, begann Ben Brighton wieder.
„Moment, Ben.“ Hasard hob die Hand. „Wenn die Dons in den Kampf eingreifen, kann ich das auch nicht ändern. Ihre Order wird dahin lauten, die Materialien zu landen und wieder zu verschwinden, und zwar unauffällig, um den ganzen spanischirischen Waffenschmuggel nicht auffliegen zu lassen. Für Irland Waffen zu liefern, ist die eine Sache, für Irland im Kampf zu sterben, aber eine ganz andere. Vielleicht hast du recht, daß sie dennoch eingreifen, aber das auch nur, wenn sie noch nicht entladen sind. Wenn sie entladen sind, werden sie abhauen. So, und jetzt kommt deine Aufgabe.“
„Meine?“
Hasard grinste.
„Genau. Hier, schau dir die Seekarte an. Die Fahrrinne in die Bai ist sehr tief, aber nicht sehr breit – etwa siebzig Yards. Hier bei uns auf der nördlichen Seite der Bei sind außerhalb der Fahrrinne Kliffs und nur bei Ebbe sichtbare Felsbarrieren. Dort drüben am südlichen Ufer sind Sände, die bei Flut knapp anderthalb Yards unter der Wasseroberfläche liegen.“ Hasards Finger tippte auf die Sände. „Dorthin mußt du die Karavellen treiben, wenn sie auslaufen. Du legst die ‚Isabella‘ hier an der Nordseite des Fahrwassers am Ausgang der Bai mit dem Bug zur See vor Anker, so daß die Steuerbordbreitseite zur Fahrrinne weist. Mit Heckanker, versteht sich. Jede auslaufende Karavelle wird unter massives Feuer genommen und damit wahrscheinlich auf die Sände getrieben. Falls eine versucht, hier in die nördlichen Kliffs auszuweichen, wird sie wahrscheinlich zu Bruch gehen. Aber die Backbordbreitseite muß ebenfalls gefechtsklar sein – für alle Fälle. Auf diese Weise kannst du die Ausfahrt aus der Bai abriegeln. Versuche, dir das Gefechtsbild vorzustellen. Sie werden in Kiellinie auslaufen, eine Karavelle hinter der anderen. Anders geht es gar nicht, dazu ist das Fahrwasser zu schmal. Es kommt darauf an, daß ihr schneller ladet und feuert als jemals zuvor. Haut ihnen Kettenkugeln in die Takelagen, damit sie manövrierunfähig werden. Die Schußentfernung wird lächerliche fünfzig Yards betragen, da muß jeder Schuß sitzen. Rechne damit, daß du die erste Karavelle auf die Sände treibst, aber irgendwie müssen die vier anderen reagieren. Aber wie? Könnten sie versuchen, die ‚Isabella‘ zu entern? Läuft das Wasser zu dieser Zeit auf oder ab? Was ergibt sich daraus? Können sie in dem engen Fahrwasser wenden oder halsen? Wie steht der Wind? Alles das mußt du bei deinen Entscheidungen berücksichtigen.“
„Hm“, sagte Ben Brighton, „alles klar.“ Und ziemlich rabiat fügte er hinzu: „Und wo steckt derweil der Kommandant der