Seewölfe - Piraten der Weltmeere 42. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 42 - Roy Palmer


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war also nicht zu unterschätzen.

      Hasard hatte ein waches Auge auf ihn und auf die andere Karavelle. Unterdessen steuerte die „Isabella“ in einer weiten Schleife nach Westen und geriet damit in den Wind, so daß die Segel zu killen begannen. Sie knatterten so heftig, daß die Männer die Köpfe einzogen. Baldwin Keymis sank auf der Back zu Boden. Er rang die Hände und wimmerte.

      „Waschlappen“, sagte Smoky verächtlich. „Und so was schleppen wir nun mit. Wir hätten dich auf Hispaniola lassen sollen.“

      Die „Isabella“ ging über Stag und vollendete ihre 180-Grad-Schleife. Sie segelte nun bei Westwind über Backbordbug und hielt mit südlichem Kurs direkt auf die englische Galeone zu. Jetzt wurde es ernsthaft gefährlich für den Seewolf und seine Männer. Die Spanier, die den ersten Angriff unversehrt überstanden hatten, hatten ihren Schreck überwunden und genügend Zeit gehabt, sich auf die nächste Attacke vorzubereiten.

      Hasard beobachtete durch das Spektiv. Die beiden Karavellen luvten nun auch an und zeigten ihm ihre Hecks. Sie waren bereit, ihn in die Zange zu nehmen. Wenn er nicht den Kurs änderte, würde er zwischen beiden Gegnern hindurchsegeln – durch eine Art Korridor. Nur einer konnte so verrückt sein, die Herausforderung zu akzeptieren und sich freiwillig zum Spießrutenlaufen zu begeben: er, Philip Hasard Killigrew.

      „Ben“, sagte er. „Natürlich irritieren wir diese Burschen. Erst fallen wir ab und tun so, als wollten wir wieder auf die Küste zuhalten. Sie werden entsprechend manövrieren. Danach luven wir wieder an und segeln zwischen ihnen hindurch.“

      Es wurde kein leichtes Unterfangen. Hasard verlangte seinen Männern alles ab, was an seemännischem Können in ihnen steckte. Schließlich war die „Isabella“ kein sehr wendiges Schiff. Es kostete allerhand, die Kapitäne von zwei Karavellen an der Nase herumzuführen und dann doch zwischen ihnen hindurchzulavieren. Aber Hasard schaffte es.

      Er sprang zum Quarterdeck hinunter und wollte von dort aus durch die Kuhl zum Vorkastell. Aber vorher vergewisserte er sich, daß Gwen auch wirklich nicht mehr die Nase aus dem Achterkastell steckte. Für eine Frau zeigte sie geradezu eine unerhörte Portion Mut, doch er hätte es sich nie verziehen, wenn sie im Gefecht auf Deck verletzt worden wäre. Dort unten, in der Kammer des Achterkastells, befand sich seine ganze Zuversicht: Gwen, seine große Liebe, seine Ehefrau – und das Kind, das aus ihrer Leidenschaft erwuchs. Sicher, ein Kritiker hätte ihm vorwerfen können, daß es verantwortungslos war, mit Gwendolyn an Bord zusätzlich eine Seeschlacht zu entfesseln. Was war denn jetzt vorrangig, sein Triumph über die Spanier oder die Sicherheit des größten Schatzes, den er auf Erden besaß?

      Natürlich war Gwen wichtiger. Aber Hasard konnte andererseits auch nicht seine Prinzipien ablegen. Er hatte der englischen Krone Treue und den Dons Tod und Verderben geschworen. Davon ging er nicht ab. Es wäre ein Verrat an sich selbst gewesen.

      Hasard lief auf die Back und sagte zu Smoky: „Als erste seid ihr mit euren vier Drehbassen an der Reihe. Das Feuer wird die Dons in Atem halten. Gleich darauf werden Shane und Batuti ihre Brandpfeile auf die Reise schicken. Dies ist der Auftakt zu dem Höllenkonzert, das ihnen unsere beiden Breitseiten bieten werden.“

      Kurz darauf dröhnten die Drehbassen auf dem Vorkastell los. Eisenkugeln und gehacktes Blei rasten gut verteilt zu den Karavellen hinüber, zwei Ladungen zu der östlich, zwei zu der westlich postierten. Es war ein eher lächerlicher Auftakt. Was konnten vier Drehbassen schon groß ausrichten? Aber den Spaniern verging das Lachen. Die Eisenkugeln und das gehackte Blei rissen Treffer in die Bordwände und Schanzkleider der Karavellen und verletzten Männer.

      Smoky, Stenmark, Sam Roskill und Jean Ribault, die vier Geschützführer, lachten und rieben sich die Hände.

      „Nein, das haben sie nicht erwartet!“ rief der Franzose. „Daß wir auf diese Entfernung und bei der See treffsicher zielen!“

      Brandpfeile verließen die Bogensehnen von Batuti und Big Old Shane. Zischend stießen sie durch die Luft. Regen drohte sie auszulöschen, doch die Glut ließ sich nicht erstikken, bis sie auf die Takelage der Gegner traf. Hoch züngelten die Flammen von den Segeln der Karavellen auf.

      Die Spanier verfügten über keine Bogenschützen. Sie waren auf Distanz blessiert worden und konnten sich vorerst nicht zur Wehr setzen. Zwar stoben über ihren Bordwänden Rauchwolken hoch – sie setzten Drehbassen und Serpentinen ein – doch so gutes Zielwasser wie Hasards Männer hatten sie nicht getrunken. Die Geschosse rissen entweder vor der „Isabella“ Wasserfontänen hoch oder strichen über das Schiff weg, weil sie viel zu hoch gezielt waren.

      Dann erfolgte die direkte Konfrontation.

      Die „Isabella“ segelte zwischen den Karavellen hindurch. Hasard schrie „Feuer“, und der Geschützdonner beider Breitseiten ließ das Schiff bis in die Verspannungen erbeben. Auch die Spanier zündeten ihre Kanonen. Die Luft war von Orgeln, Heulen und Brausen erfüllt. Hasard und seine Männer warfen sich flach neben den Geschützen auf die Planken. Das Inferno hatte eingesetzt und raste über sie weg. Es dauerte ein paar Sekunden, dann waren sie der Hölle entwichen. Sie durften sich im beißenden Pulverqualm aufsetzen und nach achtern blicken.

      Der Qualm lichtete sich. Hasard sah die Karavellen. Die in Westen liegende hatte einen Knick im Großmast davongetragen, die andere hatte es schwer mittschiffs erwischt. Auf der Kuhl herrschte unglaublicher Aufstand. Für einen Augenblick versetzte sich der Seewolf in die Lage der Kapitäne, die dort drüben wieder Ordnung herzustellen hatten. Er mochte nicht in ihrer Haut stecken.

      Hasard stand ganz auf. Er hielt Bilanz. Sie fiel nicht schlecht aus. Auf der „Isabella“ hatte es kaum Beschädigungen gegeben. Die Dons waren wirklich miserable Schützen. Bob Grey und Henry Flood, einer der fünf Fischer von Falmouth, hatten leichte Verwundungen erlitten. Der Kutscher hockte schon bei ihnen und legte ihnen Verbände an.

      „Deck!“ brüllte Big Old Shane plötzlich aus dem Vormars. „Die dritte Galeere will es mit uns aufnehmen!“

      Hasard wandte sich um. Tatsächlich, die Galeere, das einzige noch unbeschädigte Schiff, pirschte sich aus Luv an, um ihnen in die Steuerbordseite zu fallen. Natürlich verfuhr ihr Kapitän nach einem einfachen Kalkül. Er setzte voraus, daß die „Isabella“ sämtliche Geschütze abgefeuert hätte.

      „Ben, Ferris!“ rief Hasard zum Achterkastell. „Heizt ihnen mit den Drehbassen ein.“ Wohlweislich hatte er die Stücke auf der Poop noch aufgespart. Jetzt war ihm dies von unschätzbarem Vorteil. Während die Geschützführer auf der Back und in der Kuhl an ihren Culverinen und Bassen hantierten, ließ Hasard abfallen. Die „Isabella“ zeigte der Galeere das Heck, die Drehbassen belferten los.

      Die Galeere führte plötzlich keinen Bugspriet und keine Galion mehr. Eine Kugel hatte sie zudem unterhalb der Wasserlinie in der Backbordwand erwischt. Und jetzt fingen auch Batuti und Big Old Shane wieder an, mit Brandpfeilen zu schießen.

      Die „Isabella V.“ glitt auf die beiden ersten Galeeren zu. Die eine hatte sich ganz quergelegt. Ein paar Überlebende pullten mit Beibooten von ihr fort und trachteten verzweifelt danach, die letzte Galeere zu erreichen. Die zweite brannte lichterloh. Der Regen hatte die gleiche Wirkung wie die Spucke eines Mannes bei dem albernen Versuch, ein Lagerfeuer zu löschen.

      Hasard blickte wie gebannt auf die englische Galeone. Sie rückte nun sehr nahe in Lee der „Isabella“. Hasard inspizierte ihre Decks durch den Kieker. Plötzlich, mitten im Jubelschrei seiner Crew, zuckte er wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

      Er hatte erkannt, wem sie da zu Hilfe gekommen waren.

      Hasard bemerkte erst jetzt, daß Carberry neben ihn getreten war. Der Profos spähte ebenfalls durch ein Spektiv. „Ja, ist denn das zu fassen? Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt. Der Bursche mit der Knollennase drüben auf dem Achterdeck, den kenne ich doch!“

      „Und ob“, sagte Hasard.

      „Das ist Sir John!“ schrie Dan O’Flynn aus dem Großmars.

      Donegal Daniel O’Flynn senior, der nicht weit von Hasard und Edwin Carberry stand, wandte den Kopf. Er kniff die Augen zusammen. Da bedurfte es keines


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