Seewölfe Paket 18. Roy Palmer

Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer


Скачать книгу
die Kombüse, das Logis und die Schlaf räume im Achterdeck. Sie waren nicht auf die verborgenen Türen des Geheimganges gestoßen – dafür aber hatten sie den Schatz gefunden. Sie grölten und lachten, und zwei von ihnen stachen ein Weinfaß an, das sie aus dem Vorratsraum in den Stauraum gerollt hatten.

      Gato und der andere Pirat trafen mit der Lampe bei ihnen ein. Gato grinste und beugte sich über die geöffneten Truhen und Kisten. Ein Gefühl der Glückseligkeit ergriff ihn. Er hatte diesen Schatz, der für Philipp II. von Spanien bestimmt gewesen war, schon einmal vor Augen gehabt: im Kellergewölbe von Fort St. Augustine. Durch einen Zufall hatte er ihn entdeckt, und er hatte alles darangesetzt, den Kampf im Inneren der Festung zu gewinnen und die Truhen zu bergen.

      Dann aber waren die Männer der „Isabella“ erschienen und hatten alles vereitelt. Gato griff mit beiden Händen nach der größten Truhe und hielt sie fest, als könne sie von einer unsichtbaren Macht erneut entführt werden. Einmal hatte er sich den Schatz entreißen lassen – ein zweites Mal sollte das nicht gelingen.

      Einer der Kerle reichte ihm einen Becher Wein, er nahm ihn an und leerte ihn mit einem Zug. Der Wein war schwer und süffig und steigerte die Euphorie.

      Plötzlich durchzuckte Gato ein verwegener Gedanke: Wie nun, wenn er die Kerle dazu überredete, Mardengo und Oka Mama im Stich zu lassen? Die Zahl war ausreichend, eine Besatzung für die „Isabella“ ließ sich zusammenstellen. Sie konnten sofort auslaufen und verschwinden, ehe Mardengo auf die Idee verfiel, seine Beute selbst in Augenschein zu nehmen.

      Viele der Kerle hatten die Nase voll, Mardengo hatte sie nach der Niederlage in der Ponce-de-León-Bucht mißhandelt. Sie haßten ihn und hatten an seinen überragenden Fähigkeiten als Bandenführer und Stratege zu zweifeln begonnen. Es war der richtige Augenblick, eine Meuterei anzuzetteln.

      Das Risiko war gering, sie würden mit dem Schiff in der Dunkelheit untertauchen. Sie konnten die „San Carmelo“ und die Einmaster versenken, dann saßen Mardengo, Oka Mama und der Rest der Meute auf der Insel fest und konnten sie nicht verfolgen. Der Schatz von St. Augustine reichte aus, um alle Wünsche der Piraten zu erfüllen – was wollten sie mehr?

      Gato wollte eben zum Sprechen ansetzen und seinen Kumpanen einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten, da ertönte von oben ein Ruf.

      „Gato!“ Es war die Stimme des Kerls, der als Wachtposten auf dem Hauptdeck zurückgeblieben war. „Schiffe in Sicht!“ rief er. „Im Nordwesten! Sie halten auf Pirates’ Cove zu! Gefahr!“

      Gato fluchte, schleuderte den leeren Becher an Deck und stürmte nach oben.

      Er trat neben den Posten, hob sein Spektiv und warf einen langen Blick hindurch. Im verblassenden Licht waren eben noch die Umrisse der Schiffe zu erkennen. Sieben Galeonen! Gato verschlug es fast die Sprache.

      „Spanier“, sagte er und schluckte. „Das kann nicht sein.“

      „Sie sehen mir verteufelt nach den Galeonen aus, die uns von St. Augustine gefolgt sind“, sagte der Kerl.

      „Jene, die uns bei Daytona geschlagen haben?“ Gato stieß einen Fluch aus. „Ja, das könnte sein. Der Teufel mag wissen, wie sie hierhergeraten sind.“

      „Sie haben einige unserer Leute an Bord. Vielleicht hat einer von ihnen ausgepackt.“

      „Das wäre sein sicheres Ende“, zischte Gato.

      Er beobachtete die Galeonen durch die Optik. Sie steuerten auf das Riff zu. Plötzlich grinste er. Wenn sie Pech hatten, wurden sie vom Wind genau auf die Barriere gedrückt, und dort konnte man sie mühelos zusammenschießen.

      „Los“, sagte er zu dem Kerl. „Nimm ein Boot, setz über und lauf zum Lager. Alarmiere Mardengo.“

      Der Mann verschwand. Gato ließ die Galeonen nicht aus den Augen. Nur kurz war die Freude über die Niederlage des Gegners, über das gekaperte Schiff und den wiedergefundenen Schatz gewesen – eine neue Gefahr drohte, die den Untergang von Pirates’ Cove bedeutete, wenn sich herausstellte, daß es wirklich der Verband aus St. Augustine war.

      Die anderen Kerle hatten den Stauraum ebenfalls verlassen und traten zu Gato. Er erklärte ihnen, was er sah, und sie begannen ebenfalls zu fluchen.

      „Kein Licht anzünden“, sagte er. „Noch scheinen sie uns nicht entdeckt zu haben. Vielleicht haben wir eine Chance. Sie laufen auf das Riff, und wir fallen über sie her. Los, das Schiff klar zum Gefecht!“

      Rege Betriebsamkeit setzte ein, die Piraten eilten an die 25- und 17-Pfünder, und auch die Drehbassen wurden besetzt. Die meisten Geschütze waren noch geladen. Für die leeren Rohre standen Pulverfässer bereit und waren auch Kugeln in ausreichender Zahl vorhanden.

      Aber aufpassen mußten die Kerle in der zunehmenden Dunkelheit. Hier und da klafften Löcher in den Planken der „Isabella“ – sie waren von den Pulvertöpfen gerissen worden, die Mardengo zum Feind hinübergeschleudert und zum Explodieren gebracht hatte. Wer nicht aufpaßte, fiel hinein und brach sich ein Deck tiefer womöglich die Knochen.

      Aber die Kerle waren vorsichtig, und rasch machten sie sich mit der neuen Umgebung vertraut. Die „Isabella“ war bereit zum Gefecht. Auch auf der „San Carmelo“ und den beiden Einmastern waren alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden.

      Gato brauchte nur noch abzuwarten und zu verfolgen, was der Gegner, der sich offenbar sehr zielstrebig der Insel näherte, unternahm.

      Die Schleier der Nacht fielen jetzt fast atemberaubend schnell, und an Bord der Galeonen wurden die Hecklaternen angezündet.

      „Narren“, sagte Gato leise. „Ihr erleichtert uns den Überfall.“

      Wie Perlen auf einer Schnur wirkten die Positionslaternen der spanischen Schiffe, die sich – von Gatos Standort aus betrachtet – in schräg achterlich versetzter Linie unaufhaltsam dem Riff näherten. Es dauerte nicht mehr lange, dann hatten sie die ersten Korallenbänke erreicht.

      Don Augusto Medina Lorca, der nach wie vor an der Schmuckbalustrade auf dem Achterdeck der „Santa Veronica“ stand, hatte sich die Stelle, an der der Gefechtslärm erklungen war, genau gemerkt. Deshalb lief er Pirates’ Cove von Nordwesten an. Don Lope de Sanamonte, der nicht von der Seite des Piraten gewichen war, widersprach ihm dieses Mal nicht. Er war – was selten der Fall war – mit Don Augusto einer Meinung: Es war nur richtig, am Ort des Geschehens, an dem jetzt tiefes Schweigen herrschte, nach dem Rechten zu sehen.

      Der Pirat hatte als Lotse einwandfreie Arbeit geleistet. Don Lopes anfängliche Bedenken hatten sich etwas gelegt. Der Pirat indes hütete sich, von dem Riff zu sprechen, das als Schiffsfalle vor der Insel auf sie lauerte.

      Seine Rechnung war einfach, und sie ging auf: Wenn er die Schiffe auf die Korallenbänke lenkte, hatte er – falls er überlebte – später eine Chance, sich vor seinen Kumpanen und auch vor Mardengo zu rechtfertigen. Er war zum Schein auf die Wünsche der Spanier eingegangen, aber nur, um sie auf die Barriere locken zu können und sie somit Mardengo auszuliefern. So würde er das Mardengo und Oka Mama gegenüber darstellen, und wenn alles klappte, mußten sie ihm glauben.

      Mit rauschender Bugwelle segelte die „Santa Veronica“ in ihr Verderben. Sie sollte die erste sein, die auf den Bänken zerschellte. Die Hände des Piraten verkrampften sich um den Handlauf der Balustrade, und er preßte seine Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Er wünschte seinen Gegnern, daß sie starben – alle.

      Vielleicht würden auch die gefangenen Piraten in der Vorpiek der Galeone ihr Leben lassen, vielleicht waren sie sogar die ersten, die ein furchtbares Ende fanden. Aber das, so befand der Mann, war ein Opfer, das gebracht werden mußte.

       6.

      Mardengo lief zwischen seinen Gefangenen auf und ab. Der zuckende Schein eines Lagerfeuers, das im Zentrum der Hüttenrunde errichtet worden war, erhellte seine Gestalt. Seine Züge waren verzerrt. Oka Mama hingegen verfolgte das Geschehen mit stoischer Ruhe.

      Der Korse und seine Kumpane blickten sich untereinander


Скачать книгу