Seewölfe Paket 18. Roy Palmer

Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer


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      Hasards Plan sah anders aus. Er war einfach, aber vom strategischen Standpunkt logisch. Auch Ben hatte noch einmal alles durchdacht und war zu dem Schluß gelangt, daß der Seewolf im Begriff war, das in ihrer Situation einzig Richtige zu tun.

      „Mister O’Flynn“, sagte Ben. „Holen Sie den Kapitän.“

      „Aye, Sir!“ Old Donegal Daniel O’Flynn zeigte klar, verlor dabei eine seiner Krücken und kippte prompt um. Fluchend landete er auf den Planken. Er streckte die Hand nach der Krücke aus, zog sie wieder zu sich heran, rappelte sich ächzend auf und drohte dabei wieder das Gleichgewicht zu verlieren. Die ganze Angelegenheit zog sich in die Länge, der Alte brauchte viel Zeit, um überhaupt das Achterdeck zu verlassen.

      „Mardengo!“ schrie Oka Mama. „Sie halten uns zum Narren!“

      „Halt dein Maul, du Nebelkrähe!“ brüllte Carberry. „Du wirst heute noch gerupft, keine Angst!“

      Mardengo hieb ihm den Pistolenkolben in die Seite, dann sprang er einen Schritt vor und rief: „Engländer! Wagt es nicht, uns hinzuhalten! Her mit dem Kapitän – oder ich kitzle euren Profos mit dem Messer!“

      „Sie haben ihn schon verletzt“, sagte Big Old Shane grollend. „Er blutet. Herrgott, das werden sie noch schwer bereuen.“

      Old O’Flynn war auf dem Quarterdeck, riß das Achterdecksschott auf und brüllte: „Sir! Sie werden verlangt!“

      „Wer will mich sprechen?“ ertönte eine Stimme aus der Achterdeckskammer.

      „Der Piratenführer, Sir!“ schrie Old O’Flynn.

      Es polterte und krachte – Oka Mama und Mardengo, die die Laute deutlich vernahmen, tauschten unwillkürlich einen verdutzten Blick. Dumpfe Schritte marschierten durch das Achterkastell der „Isabella“. Selbst Carberrys Augen verengten sich, er senkte den Kopf und schob dabei das Rammkinn vor. Hölle, Hasard, dachte er, warum machst du es bloß so spannend?

      In diesem Augenblick erschien der „schwarzhaarige Bastard“ auf dem Quarterdeck und enterte das Achterdeck. Carberry erkannte sofort, daß es nicht Hasard, sondern Ferris Tucker war, der sich eine schwarze Perücke aufgesetzt hatte. Aber er hielt den Mund. Daß die Kameraden sich einen Trick zurechtgelegt hatten, um die Piraten zu überlisten, konnte er sich denken. Um welche Art von Plan es sich genau handelte, wußte er noch nicht, aber er ahnte, daß sich Hasard nicht mehr an Bord der „Isabella“ befand.

      Mardengo und Oka Mama spähten lauernd zur „Isabella“, ebenso die Piraten, die den Profos nach wie vor festhielten. Hatte sich der schwarzhaarige Kapitän nicht irgendwie verändert? War nicht etwas Seltsames an seinem Verhalten, an seiner Art, sich zu bewegen?

      Nein, das konnte nicht sein. Es waren die angespannten Nerven, die ihnen einen Streich zu spielen drohten.

      „Ist er das auch wirklich?“ fragte Oka Mama mißtrauisch.

      „Du hast ihn doch aus der Nähe gesehen“, antwortete ihr Sohn.

      „Es ging alles viel zu schnell, ich habe ihn nicht richtig bemerkt“, sagte die Alte. „Aber du – du hast ihn beim Gefecht von Fort St. Augustine dicht vor dir gehabt.“

      „Ja, aber auch dort ging alles viel zu schnell.“ Mardengos Miene wurde finster. Ungern erinnerte er sich an die Niederlage von St. Augustine. Die Engländer hatten ihn mit ihrem Katapult vom Schiff in den Rio Matanzas befördert – schimpflicher hätte der Kampf nicht enden können.

      Dieses Detail hatte Mardengo wohlweislich verschwiegen, als er Oka Mama seinen Bericht erstattet hatte, und auch Gato und die anderen hüteten sich, etwas darüber verlauten zu lassen.

      „Ist er’s nun, oder ist er’s nicht?“

      Mardengo kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Ferris hatte inzwischen eine Haltung eingenommen, die er von Hasard abgeschaut hatte, und die Ähnlichkeit mit dem „echten Seewolf“ war auf einige Distanz tatsächlich verblüffend.

      „Er ist es“, sagte Mardengo. „Daran gibt es keinen Zweifel.“

      Selbstverständlich hatte Ferris sich auch entsprechend umgezogen, und so war die Maskerade perfekt. Die Piraten fielen darauf herein, und die Grundvoraussetzung für das Gelingen von Hasards Plan war erfüllt.

      „Was wollt ihr von uns?“ schrie Ferris auf spanisch zu den Piraten hinüber.

      „Wer bist du?“ rief Mardengo. „Gib deinen Namen preis, oder du kannst deinen Profos schreien hören, wie er noch nie geschrien hat!“

      „Ich bin Philip Hasard Killigrew!“ rief Ferris, ohne zu zögern, zurück.

      „Killigrew“, wiederholte Mardengo grimmig. „Diesen Namen habe ich schon einmal gehört. Killigrew – einer der gefährlichsten Schnapphähne zur See, ein Korsar, der überall sein Unwesen treibt. Jetzt wird mir einiges klar.“

      „Was denn, zum Beispiel?“ fragte Oka Mama mit drohendem Unterton in der Stimme. Wenn Mardengo etwas über diesen Killigrew wußte, so hatte sie ein Recht darauf, es unverzüglich zu erfahren.

      Mardengo grinste. „Killigrew, der auch der Seewolf genannt wird, soll irgendwo seine erbeuteten Schätze gehortet haben. Wir werden aus ihm herauskitzeln, wo dieser Ort ist. Und wir werden dorthin segeln. Verstehst du? Wir sind reich – reicher als je zuvor. Wir haben mit diesem dicken Fisch, der uns ins Netz gegangen ist, ein für allemal ausgesorgt.“

      „Sehr gut“, sagte sie. „Aber weiter jetzt. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“

      „Killigrew!“ brüllte Mardengo. „Ich verlange, daß ihr euch ergebt! Ihr kommt an Land und werdet von uns gefangengenommen!“

      „Niemals!“ schrie Ferris.

      „Oka Mama!“ stieß Mardengo mit verzerrtem Gesicht aus. Seine Stimme überschlug sich jetzt fast.

      Oka Mama hob das Messer gegen Carberry. Sie schien bereit zu sein, zuzustechen – und der Profos wußte, daß sie nicht zögern würde, ihn zu mißhandeln und zu töten, falls die Männer der „Isabella“ nicht auf die Forderung eingingen.

      „Killigrew!“ schrie Mardengo. „Ich zähle bis drei, dann stirbt dein Profos einen langsamen und grausamen Tod! Eins!“

      „Gib mir Bedenkzeit!“ rief Ferris Tucker.

      „Die hast du gehabt!“ brüllte Mardengo. „Dein Profos stirbt – und anschließend töten wir auch die beiden anderen und werfen sie vor euren Augen in den Fluß!“

      Jetzt war es heraus – Roger Brighton und Sam Roskill lebten. Mehr hatten die Seewölfe vorläufig nicht wissen wollen. Ferris blickte zu Ben, Shane und den beiden O’Flynns. Ben nickte ihm unmerklich zu. Wieder konnten Hasards Anweisungen präzise befolgt werden. Er hatte ihnen befohlen, Mardengos Bedingungen anzunehmen.

      „Zwei!“ schrie Mardengo.

      Oka Mamas Messer schwebte immer noch drohend über Carberry. Ihr Mund war halb geöffnet, ihre Augen blitzten tückisch.

      Doch in diesem Augenblick hob Ferris die Hand und rief: „Halt! Wir ergeben uns! Wir wollen nur dein Wort, daß keinem von uns ein Haar gekrümmt wird!“

      Oka Mama ließ das Messer sinken. Carberry hatte die ganze Zeit über keine Miene verzogen.

      Mardengo lachte, wies auf den Profos und rief: „Ist das nicht der beste Beweis für unsere Absichten? Wir wollen euch lebend, nicht tot! Wir töten nur, wenn ihr uns dazu zwingt!“

      Kein Mann der „Isabella“ glaubte ernsthaft daran, daß Mardengo es mit diesen Versicherungen ehrlich meinte, aber zum Schein gingen sie auf das Spiel ein. Ferris gab ein Zeichen, und Gary Andrews, Al Conroy, Paddy Rogers und Jack Finnegan begannen, die große Jolle auszuschwenken und abzufieren.

      Carberry glaubte seinen Augen nicht zu trauen. War das wirklich ihr Ernst? Wollten sie wirklich kapitulieren? Er konnte es nicht fassen. Was immer der Seewolf auch planen mochte – er mußte doch einsehen,


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