Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
Blick.
„Ah ja“, sagte Hasard, „und du bist der große Macker, wie? Mit anderen Worten: die Ladys sollen für dich arbeiten – so oder so –, und du legst dich auf die faule Haut und kassierst. Ach so, fast hätte ich das vergessen: du willst sie beschützen. Ein Mann will sechs Frauen beschützen! Vor was denn? Meinst du, die legen Wert auf deinen Schutz? Oder hattest du vor, eine Festung zu bauen, die Ladys darin unterzubringen und die Festung dann allein gegen mögliche Indianerangriffe oder gegen solche Kerle wie Mardengos Schnapphähne zu verteidigen? Du nimmst das Maul ziemlich voll, Mister Ross! Aber bitte sehr, ich bin nicht der Wortführer der sechs Ladys, die selbst darüber zu entscheiden haben, ob ihnen deine Pläne passen, vor allem, ob sie sich dir unterordnen wollen.“
„Das sollen sie doch gar nicht“, sagte Little Ross wütend.
„Sondern?“ fragte Hasard scharf.
„Wir sind alle gleichberechtigt.“
„Natürlich!“ höhnte Hasard. „So gleichberechtigt, wie ein paar Hühner unter einem Hahn sind, nicht wahr? Erzähl mir doch nichts, Kerl! Du willst dir einen Harem zulegen, bist aber bereit, deine Weiber an andere Liebhaber zu vermieten!“
Auf der Kuhl setzte ein drohendes Gemurmel ein. Natürlich hatten sie alle die Ohren gespitzt und den erstaunlichen Dialog genau mitgehört, der im übrigen in der englischen Sprache geführt worden war.
Carberry stemmte die Fäuste in die Hüften – wie stets, wenn er loslegen wollte – und rief zur Back hoch: „Sir, soll ich diesen Wüstling mal ein bißchen durchklopfen und anschließend ins Wasser tunken, damit er geläutert wird?“
„Mit dem werde ich auch allein fertig, Ed!“ rief Hasard zur Kuhl hinunter, ohne Little Ross aus den Augen zu lassen. Der Bulle sah tatsächlich so aus, als habe er die Absicht, auf Hasard loszugehen.
Hasard reizte ihn ganz bewußt weiter. Er wollte erfahren, wie weit diesem Kerl zu trauen war, der erklärt hatte, mit sechs Frauen an Land gehen zu wollen.
„Nur zu, du Beschützer!“ sagte er spöttisch. „Zeig mal, was du kannst! Stell dir vor, daß ich die Absicht hätte, dir deine dickbusige Dolores wegzuschnappen und mit ihr abzuhauen!“
Dieser Klotz von Kerl war gerissener, als Hasard gedacht hatte. Er ließ nämlich die Fäuste sinken, die er bereits zum Zuschlagen gehoben hatte, grinste und sagte: „Sir, du treibst das ein bißchen auf die Spitze, nicht wahr? Aber ich bin ein guter, ehrlicher englischer Hundesohn. Ich will mich mit dir nicht schlagen, und wahrscheinlich haust du mir auch die Hucke voll. Laß uns das also friedlich regeln, unter Gentlemen, versteht sich. Richtig, ich habe ein Auge auf Dolores geworfen, die mir sehr recht ist – ich ihr, glaube ich, auch. Ich will keinen Harem haben und auch nicht den Hahn spielen. Ich mag so was nicht. Einem Mann muß eine Frau genügen – wenn es die richtige ist. Das wäre das eine, was ich dazu zu sagen habe, und ich meine es ehrlich. Das andere: wenn ich eine Kneipe haben sollte, dann ist es den Ladys freigestellt, auf welche Art sie dort tätig werden wollen. Das ist ihre eigene Sache. Wenn sie am Tresen oder in der Küche arbeiten, werden sie dafür bezahlt. Klarer Fall. Über jede andere Tätigkeit – zum Beispiel den Verkauf von Liebe – habe ich nicht zu befinden. Das geht mich nichts an. Darüber müssen sie selbst frei entscheiden. Zu kassieren habe ich in einem solchen Fall überhaupt nichts. Damit will ich nichts zu tun haben. Sollten sie jedoch meine Hilfe brauchen, werde ich mich für sie einsetzen, soweit das in meiner Macht liegt. So, das wär’s wohl. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“
„Das klingt schon anders“, sagte Hasard und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann erzähl den Ladys mal, wie du dir ihre Zukunft in Sarasota vorstellst.“
„Willst du das nicht tun, Sir?“ fragte Little Ross etwas unglücklich.
„Wieso ich?“ sagte Hasard ungerührt. „Es ist weder mein Plan, noch habe ich die Absicht, in Sarasota zu siedeln. Ich würde auch lieber einen Sack voller Flöhe hüten, als mir diese sechs Ladys aufzuhalsen. Aber ich heiße ja nicht Little Ross. Jetzt sieh zu, wie du das geregelt kriegst. Vielleicht erntest du ein Hohngelächter – was ich verstehen könnte.“
„Du wirst schon wieder sarkastisch, Sir“, sagte Little Ross vorwurfsvoll.
„Verdammt, ja“, brummte Hasard. „Vielleicht fehlt mir die Phantasie für so was Verrücktes. Da werde ich dann leicht bissig. Ein Mann und sechs Frauen – mein Gott! Und dann noch solche! Hast du dir wirklich genau überlegt, auf was du dich da einläßt, Mann?“
„Ja. Ich schaff das schon. Zuhause war ich das einzige Büblein unter sechs Schwestern!“
„Ach du meine Güte“, sagte Hasard erschüttert, „auch das noch!“
„Gar nicht ‚auch das noch‘“, sagte Little Ross etwas beleidigt. „Wir hatten ein sehr harmonisches Familienleben.“
„Waren die Schwestern alle älter als du?“ fragte Hasard.
„Ja.“
„Die haben dich bemuttert, wie?“
„Sicher“, erwiderte Little Ross stolz, „jede hatte eine Aufgabe: die eine fütterte mich, die zweite wickelte mich, die dritte badete mich, die vierte zog mich an, die fünfte schaukelte mich und die sechste spielte mit mir. Später verdrosch ich die Kerle, die ihnen zu nahe treten wollten.“ Bescheiden fügte dieser Klotz von Kerl noch hinzu: „Seitdem wurde ich ‚Little Ross‘ genannt.“
Hasard beugte sich weit vor und hatte zuckende Schultern.
Auf der Kuhl setzte Carberry als erster mit einem dröhnenden „Hö-hö-hö!“ ein. Und dann brauste ein Lachsturm über die „Isabella“, daß die Toppstengen zitterten. Sir John war wieder am Flattern und flüchtete kreischend unter Deck. Little Ross stand sehr beschämt da und wußte nicht, wo er hinschauen sollte. Daß die aber auch so über ihn lachen mußten! Und das nur, weil er ein bißchen von sich erzählt hatte. Was daran so witzig sein sollte, begriff er nicht. Wahrscheinlich hatten diese Kerle von der „Isabella“ eine eigene Art von Humor. Daß einer sechs Schwestern hatte, darüber brauchte man ja nicht derart schallend zu lachen – dachte er.
Dabei beruhte die Heiterkeit der Arwenacks ganz schlicht auf der Komik der Situation, nämlich darauf, wie dieses ausgewachsene Exemplar von Mannsbild seine Zeit als Büblein unter sechs Schwestern beschrieben hatte, von denen es bemuttert worden war. Logisch, daß sich jetzt der gedankliche Vergleich zu den sechs Ladys aufdrängte. Die Seewölfe stellten sich vor, die sechs Ladys würden sich des „Bübleins“ in ähnlicher Weise annehmen wie die sechs Schwestern: ihn füttern, wickeln, baden, anziehen, schaukeln und mit ihm spielen. Genau diese Vorstellung ließ sie in ihr schmetterndes Gelächter ausbrechen.
Little Ross war ein Komiker – nur wußte er’s nicht.
Die sechs Ladys wiederum waren, nachdem Hasard Little Ross auf die Back geholt hatte, dem Disput mit gemischten Gefühlen gefolgt. Zuerst hatte sich das Gespräch zwischen den beiden gut angelassen, aber dann war nicht zu verkennen gewesen, daß den großen, so gutaussehenden Kapitän der Zorn gepackt hatte. Und auch der Mann, der Little Ross genannt wurde, war zornig gewesen. Plötzlich jedoch hatten alle gelacht – und wie sie gelacht hatten! Nur Little Ross hatte an der allgemeinen Heiterkeit nicht teilgenommen, sondern ausgesehen, als sei ihm eine Laus über die Leber gekrochen. Besonders Dolores hatte das vermerkt und war schon drauf und dran, ihn zu trösten.
Aber da gebot der Kapitän Ruhe und winkte Little Ross zu. Offenbar sollte er ihnen, den Ladys, etwas mitteilen. Aber der Ärmste hatte rote Ohren und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.
Da sagte der Kapitän: „Nun, meine Lieben!“ Er räusperte sich und fuhr fort: „Dieser Caballero hier – er wird Little Ross genannt – unterbreitete mir einen Vorschlag, der eure Zukunft betrifft …“
Dolores unterbrach ihn.
„Und darüber habt ihr gelacht?“ fragte sie spitz.
Ei, verdammt! dachte Hasard. Dieses vollbusige Flaggschiff hat scharf aufgepaßt!
Er