Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
hatten. Nein, sie fanden das einfach toll. Wirklich, auf diesem Schiff war was los. Eitel Freude und Jubilieren war das.
Nur Little Ross oben an der Querbalustrade sah das anders. Denn seine Dolores wurde von Luke Morgan herumgeschwenkt – der kleine Luke Morgan und das stattliche, große Flaggschiff! Darum betete Little Ross wieder, und Dan O’Flynn, der neben ihn getreten war, klopfte ihm tröstend auf die Schulter.
Old O’Flynn tauchte neben ihnen auf, sehr erschüttert über das, was sich seinen Blicken auf der Kuhl darbot.
„Was ist da denn los?“ brüllte er seinem Sohn ins Ohr – er mußte brüllen, denn der Lärm war ohrenbetäubend.
„Ringelpietz mit Anfassen!“ brüllte Dan zurück. „Jupp-heidie und jupp-heida! Wir feiern die ‚Isabella‘!“
„Habt ihr was getrunken?“ schrie der Alte giftig.
„Keinen Schluck!“
„Dann seid ihr alle übergeschnappt!“
„Na und? Ist doch mal fein!“ schrie Dan O’Flynn lachend. Und er brüllte seinem Alten ins Ohr, jetzt hätten sie eine leibhaftige Isabella auf der „Isabella“, nämlich jene hübsche Lady, mit der Hasard auf der Kuhl herumtanze.
Da krakeelte auch Old O’Flynn los. Viel fehlte nicht, und er hätte sich in das Getümmel auf der Kuhl gestürzt. Dan erwischte ihn gerade noch am Kragen und hielt ihn zurück.
„Isabella von Kastilien“ hieß eine spanische 200-Tonnen-Galeone, die von Hasard und seiner damaligen Stammcrew – das war 1576 gewesen – auf der Reede von Cadiz in einem verwegenen Raid gekapert und mit einer Ladung von dreißig Tonnen Silberbarren nach England gesegelt worden war. Seitdem hatten die Seewölfe aus Tradition ihre Schiffe „Isabella“ genannt – unter Verzicht auf die Landschaftsbezeichnung, die ja für ein englisches Schiff reichlich absurd gewesen wäre. „Isabella“ – das ging noch an. Ganz abgesehen davon hatten sie die Dons mit diesem Namen oft genug auf den Leim führen können.
Als sich jetzt, während einer Atempause, Hasard bei der Lady Isabella erkundigte, woher sie in Spanien stamme, da war’s doch tatsächlich Kastilien, was die Seewölfe erneut in eine Toberei ausbrechen ließ.
Natürlich empfing die Lady Isabella aus Kastilien die gewünschten Dinge: zwei Mehlfässer, ein Hartholzbrett zum Teig auswalzen und sogar ein Nudelholz.
Die fröhliche Stimmung an Bord hielt an. Tatsächlich meldete gegen Mittag der Ausguck im Großmars – Jack Finnegan hatte ihn übernommen – Steuerbord voraus die beiden Schnapstonnen – die nördliche rot, die südliche grün angestrichen. Die Heiterkeit nahm kein Ende.
Hasard ließ anluven, um genügend Abstand zum Ansteuern der Zufahrt zur Bucht zu haben. Als die beiden Tonnen querab an Steuerbord der „Isabella“ lagen, ließ Hasard halsen, und sie segelten über Backbordbug raumschots auf die Einfahrt zwischen den beiden Tonnen zu. Focksegel und Großsegel wurden geborgen. Der Besan genügte und erleichterte in der Bucht dann das Aufdrehen in den Wind, wenn der Anker fallen sollte.
Die beiden Tonnen auf den Spitzen der nördlichen und der südlichen Sandbank waren mit Steinen gefüllt, so daß sie auch von Sturm und Seegang nicht umgeworfen werden konnten. Zusätzlich waren sie von einem Steinring umgeben. Da hatte sich Joseph Jelly offenbar mächtig abgeplagt.
Die „Isabella“ glitt in eine idyllische Bucht, drehte in den Wind, und der Anker fiel. Er faßte sofort. Bisher stimmte alles, was Little Ross über die Sarasota Bay berichtet und angegeben hatte.
Den letzten Beweis erbrachte Joseph Jelly selbst.
„Er ist es“, sagte Little Ross zufrieden. „Kapitän Fogg hat ihn mir so beschrieben.“
Hasard wunderte sich über nichts mehr, zumal der Gnom, der aus der Hütte inmitten einer Lichtung des Stranddickichts getreten war, eine Schnapsflasche schwenkte und zur „Isabella“ etwas hinüberschrie, was als Aufforderung zu deuten war.
„Französisch“, sagte Little Ross neben Hasard. „Aber er spricht auch Spanisch.“
Der Gnom trug ziemlich große Schnallenschuhe, Strümpfe und Kniehose von undefinierbarer Farbe, eine verblichene Uniformjacke, deren linker Ärmel ausgerissen war, und eine Art Dreispitz auf dem verfilzten Kopf. Offenbar hatte er es mit der Gicht zu tun, denn er war krummrückig und ging am Stock, das heißt, jetzt hüpfte er zum Strand und ähnelte eher einem Kobold. Jedenfalls schien er sich mächtig zu freuen, Besuch zu haben. Und als er die Ladys entdeckte, die mal wieder am Kichern waren, stellte er die Schnapsflasche in den Sand, zog den Dreispitz mit Grandezza und zelebrierte Kratzfüße. Dabei grinste er zum Gotterbarmen.
„Na denn“, sagte Hasard ein bißchen erschüttert, „da habt ihr wirklich einen feinen Kavalier zum Compadre!“
Little Ross strahlte. „Nicht wahr? Und dann mit so guten Manieren. Über den fehlenden Ärmel mußt du hinwegsehen, Sir.“
„Hm. Den kann ihm ja Dolores wieder annähen“, meinte Hasard. „Und die Haare müßt ihr ihm auch mal waschen und schneiden.“ Er hob beide Hände an den Mund und rief zum Strand hinüber: „Ist es gestattet, an Land zu kommen, Mister Jelly?“ Er rief es auf französisch, und statt „Mister“ sagte er natürlich „Monsieur“, was der Gnom entzückt registrierte.
Und er rief zurück, daß er sich freuen würde, „mon capitaine“ einen „schnick“ – ein Schnäpschen – kredenzen zu dürfen.
Wenn’s sein muß, dachte Hasard, rief aber zu dem Gnom hinüber, daß er sich sehr geehrt fühle. Insgeheim beschloß er, Carberry diesen „Schnick“ zuerst trinken zu lassen. Der Profos hatte einen eisernen Magen und eine ausgepichte Kehle, und er hatte oft genug bewiesen, über was für ein Stehvermögen er verfügte, wenn die anderen bereits unter dem Tisch lagen und schnarchten.
Hasard wandte sich zu Ben Brighton um und sagte grinsend: „Dann wollen wir mal, Ben. Was meinst du, sollen wir beide Jollen aussetzen?“
Ben Brighton, bedächtig wie eh und je, ließ den Blick über die Kuhl wandern und nickte.
„Hat sich ’ne ganze Menge angesammelt, was an Land geschafft werden muß“, sagte er sachlich. „Da geht’s schneller, wenn wir beide Jollen nehmen.“
„In Ordnung, Ben. Verrückte Geschichte, wie?“
„Total verrückt“, brummte Ben Brighton und nickte mit dem Kopf zu der Lady Isabella hin, die zwischen den anderen Ladys bei den beiden Booten stand. „Ein feines Frauenzimmer, Sir. Richtig knackig überall – und unschuldiger als die anderen.“
„Ben!“ sagte Hasard mahnend und drohte mit dem Finger.
„Ich mein ja nur“, murmelte Ben Brighton und sagte noch leiser: „Wär was für die Schlangen-Insel.“
Hasard horchte auf. „Für dich, wie?“
„Aye, Sir.“ Ben seufzte ein zweites Mal. „Aber ich weiß schon, daß ein solcher Wunsch unmöglich ist. Entweder übernehmen wir alle – oder keine. Wenn einer von uns dieses Recht für sich in Anspruch nimmt, dann gilt das auch für die anderen. Nur ist das ein unlösbares Problem, weil wir Männer in der Überzahl sind. Aber irgendwann werden wir dieses Problem lösen müssen – auf der Schlangen-Insel. Da sind zu wenige Frauen für zu viele Männer. Und um die wenigen Frauen – könnte ich mir vorstellen – gibt’s irgendwann Krach zwischen den Männern. Hast du das schon mal bedacht, Sir?“
„Ja“, sagte Hasard verbissen.
„Und?“ fragte Ben Brighton.
„Nichts ‚und‘.“ Hasard blickte dem Mann, der ihm in all den Jahren zum Freund geworden war, fast hilflos in die Augen. „Was soll ich tun, Ben? Nach England segeln und an die fünfzig oder hundert Jungfrauen fragen, ob sie bereit wären, in die Neue Welt zu segeln, wo entsprechende Männer, die für sie unbekannt sind, nur auf sie warteten? Wie stellst du dir das vor?“
„Etwa so, wie du sagtest“, erwiderte Ben Brighton in seiner ruhigen