Seewölfe Paket 18. Roy Palmer

Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer


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und packte den schmierigen Burschen an seinem ehemals weißen Hemd.

      „Mich hat noch niemand genarrt, hörst du?“ Seine Stimme klang heiser und wütend. „Und wenn du noch mal eine deiner klugscheißerischen Weisheiten von dir gibst, klopfe ich dir auch noch den letzten Zahnstummel aus der Futterluke, ist das klar?“

      „Ich – ich habe verstanden“, stotterte der Pirat mit ängstlichen Blicken.

      Duvalier versetzte ihm einen Stoß vor die Brust, daß er der Länge nach auf die Planken stürzte. Dann spuckte er verächtlich vor ihm aus und hob erneut den Kieker an die Augen, als sei nichts gewesen.

      Das Piratengeschwader drang kurze Zeit später mit seinen leichten Küstenfahrzeugen in den Lake Pontchartrain vor, und es dauerte nicht allzulange, bis der Oberschnapphahn ein zufriedenes Grunzen hören ließ.

      „Na, was habe ich gesagt?“ rief er mit einem raschen Seitenblick zu dem Hageren an der Pinne. „Den ersten Kahn hätten wir schon.“

      Der Rudergänger hob die Hand an die Augen, aber ohne Kieker konnte er nichts erkennen. Trotzdem hätte er nicht gewagt, die Meldung Duvaliers auch nur im geringsten anzuzweifeln.

      In die Gestalt des Piratenkapitäns geriet jetzt Bewegung. Er ließ sofort die entsprechenden Signale geben und zog sich mit seinen Spießgesellen ins Schilfdickicht zurück. Niemand konnte dort die kleinen Einmaster entdecken, die Schnapphähne fühlten sich absolut sicher.

      Duvalier beorderte die Kapitäne der sechs anderen Küstensegler zu sich, um so rasch wie möglich einen todsicheren Kriegsplan auszuhecken.

      „Sollten wir nicht zuerst noch die andere Galeone aufspüren?“ fragte einer seiner „Unterkapitäne“.

      „Wozu?“ Duvalier kehrte seine Überlegenheit heraus. „In der näheren Umgebung des Kahns ist sie nicht zu sehen, und das kann uns nur recht sein. Wenn wir uns gleichzeitig mit beiden Schiffen anlegen, kriegen wir Schwierigkeiten, denn sie sind uns von der Armierung her weit überlegen. Aber wenn wir uns die Kerle einzeln kaufen, wird die Sache ein Kinderspiel. Wir vernaschen sie schön der Reihe nach – so wie die Mädchen des dicken Rodrigo.“

      Die Antwort der Küstenhaie bestand aus gedämpftem Gelächter. Selbstverständlich fand Duvaliers Plan die Zustimmung aller, auch was die noch zu besprechenden Einzelheiten betraf. Leichte Beute war den wüsten Kerlen allemal lieber als ein blutiger Kopf.

      „Wie willst du vorgehen?“ fragte einer der Pinassenführer.

      „Ganz einfach“, erwiderte Duvalier. „Drei Schaluppen werden sich nach Süden verholen, einen Bogen schlagen und sich dann an die Galeone heranpirschen. Von den restlichen vier Kähnen schleichen sich zwei durch die Sumpfkanäle nach Westen und stoßen von Nordwesten her zu unserer Prise vor. Wir alle kennen uns hier bestens aus, das ist einer unserer Vorteile. Ich selbst werde mich mit den beiden anderen Booten etwas zurückhalten und schließlich von Osten her angreifen, sobald der vereinbarte Pfiff ertönt. Damit haben wir die Burschen in der Zange und zeigen ihnen, wie gut wir unser Handwerk verstehen.“

      Der Oberschnapphahn lachte heiser und berührte mit der flachen Hand die Kehle, um spaßeshalber anzudeuten, was er meinte.

      „Sehr gut! Ausgezeichnet!“ lobte der hagere Rudergänger, der offensichtlich bemüht war, bei Duvalier Pluspunkte zu sammeln. „Die Bastarde werden es nicht einmal schaffen, ihre Ärsche aus den Kojen zu heben.“

      „Wenn sie aufwachen, stellen sie verblüfft fest, daß sie bereits tot sind“, bemerkte ein anderer und fügte ein Lachen hinzu, das an einen kranken Ziegenbock erinnerte. „Lustig wär’s, wenn sie auch ein paar Weiber an Bord hätten …“

      Der Hagere winkte ab.

      „Da sind mir blitzende Goldstücke lieber. Für ein einziges davon kannst du alle Weiber Rodrigos auf einmal haben.“

      Duvalier registrierte zufrieden, daß der Kampfgeist unter seinen Männern zunahm. Er teilte die einzelnen Kähne namentlich ein, damit alles genau nach seinen Plänen ablaufen konnte. Schon kurze Zeit später setzten sich die Schaluppen und Pinassen in Bewegung.

      Auf der „San Donato“, die wie ein dunkler Schatten in dem dünner gewordenen Grau des Frühnebels sichtbar wurde, ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand etwas von dem heimtückischen Vorhaben der Piraten. Die Galeone schwojte gemächlich an der Ankertrosse, als gäbe es weder Tod noch Verderben in den gespenstischen Sümpfen des Lake Pontchartrain.

       5.

      Die Geduld der Arwenacks, die zur Besatzung der kleinen Jolle gehörten, wurde auf eine harte Probe gestellt. Ihre Blicke tasteten sich immer wieder an den bunten Fassaden des Hausbootes entlang, durch dessen Fensteröffnungen nach wie vor jenes nervtötende Singen drang.

      „Wo bleiben die nur?“ fragte Dan flüsternd. „Ich komme mir vor, als säße ich mit dem nackten Hintern in einem Brennesselhaufen.“

      „Mir dauert das auch entschieden zu lang“, pflichtete ihm Roger Brighton bei. „Hasard und Ed müßten längst zurück sein. Der Zeit nach müßten sie den verdammten Kahn schon zweimal von vorn bis achtern durchsucht haben.“

      Der abergläubische Smoky zog es vor, zu schweigen. Dafür aber redeten seine Augen, und merkwürdigerweise wußte jeder, was ihm unausgesprochen auf der Zunge lag.

      Big Old Shane, der mit seinem wilden grauen Bart aussah wie der Meeresgott Neptun, erhob sich von der achteren Ducht.

      „Mir reicht es ebenfalls“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Smoky, du bewachst das Boot, Roger, Dan und Sten – ihr werdet jetzt mit mir diesen angepinselten Nachttopf entern! Aber leise und vorsichtig, wenn ich bitten darf!“

      Erleichtert erhoben sich die drei Männer.

      Doch da geschah etwas, mit dem keiner von ihnen gerechnet hatte.

      Bevor sie ihre Musketen hochreißen und in Anschlag bringen konnten, blickten sie in den Lauf einer uralten Hakenbüchse. Der baumlange Neger, der damit auf sie anlegte, schien urplötzlich, wie eine Spukerscheinung, aus dem Nichts aufgetaucht zu sein.

      Den Seewölfen stockte für einen Augenblick der Atem, aber nicht nur wegen des drohend auf sie gerichteten Laufes der Arkebuse. Der Schwarze selber war noch beeindruckender als seine Waffe. Sowohl sein Gesicht als auch der nackte, mit Muskeln bepackte Oberkörper waren mit seltsamen Zeichen und Symbolen bemalt. Seine Augen funkelten böse. Den Arwenacks wurde augenblicklich klar, daß er nicht hier aufgekreuzt war, um sie als Freunde zu begrüßen.

      Jetzt leuchtete ihnen auch ein, warum sie seit geraumer Zeit vergeblich auf die Rückkehr Hasards und Eds gewartet hatten. Die beiden mußten ebenfalls von diesem merkwürdigen Kerl überrumpelt worden sein, was wiederum darauf schließen ließ, daß er noch Komplicen haben mußte. Er allein wäre kaum mit dem Seewolf und Edwin Carberry fertig geworden. Außerdem konnte eine Einzelperson unmöglich der Verursacher all jener geisterhaften Geräusche gewesen sein, die seit Stunden zu hören waren.

      Sie sollten sich mit dieser Vermutung nicht getäuscht haben, denn das monotone Singen in der buntbemalten Hütte verstummte abrupt. Fast zur selben Zeit tauchten wie aus dem Boden gewachsen weitere schwarze, mit Symbolen bemalte Gestalten auf. Und das alles innerhalb weniger Sekunden.

      Der Kerl mit der Arkebuse rollte wild mit den Augen.

      „Keine Bewegung!“ befahl er jetzt in einer grauenvollen Mischung aus Spanisch und Englisch. „Ergebt euch, und legt eure Musketen langsam in das Boot zurück!“

      Die fünf Männer von der „Isabella“ sahen ein, daß sie diese Aufforderung befolgen mußten. Trotzdem zögerten sie zunächst.

      „Wird’s bald?“ fuhr der Neger fort. „Ich werde meinen Befehl nicht wiederholen. Gleich ist der erste von euch dran. Über Widerstand braucht ihr gar nicht erst nachzudenken, er wäre sinnlos. Wie ihr seht, bin ich nicht allein. Außerdem befinden sich der schwarzhaarige Kerl und der Hurensohn mit den vielen Narben im Gesicht in


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