Seewölfe Paket 18. Roy Palmer

Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer


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      „Diese Waffen dürften euch bekannt sein“, sagte der Anführer, „deshalb werdet ihr mir glauben.“

      Die Seewölfe strichen zähneknirschend die Flagge. Sie legten ihre Musketen auf die Duchten und vermieden dabei jede hastige Bewegung. Dann blickten sie den hünenhaften Neger abwartend an.

      Während Shane, Sten, Dan und Roger finstere Mienen aufsetzten, wirkte Smoky geradezu erleichtert. Das Auftauchen des baumlangen Negers hatte ihn sozusagen ins Reich der Wirklichkeit zurückgeholt. Wenigstens wußte er jetzt, wie er dran war. Der Schwarze konnte unmöglich ein Gespenst sein, auch wenn er mit seinem buntbemalten Körper fast so aussah. Schließlich hatte er, Smoky, noch niemals einen Geist gesehen, der eine Hakenbüchse bei sich trug und in einem so fürchterlichen Sprachgemisch redete. Von Old Donegal wußte er, daß „echte“ Geister jede Sprache perfekt beherrschten.

      Smoky atmete auf, denn vor Geschöpfen aus Fleisch und Blut hatte er beileibe keine Angst, auch nicht, wenn diese mit Schußwaffen herumfuchtelten und allerlei böse Drohungen ausstießen. So wandte er sich fast erheitert an den Anführer der Schwarzen.

      „Warum dieser unfreundliche Empfang? Wir sind nicht als Feinde erschienen!“

      „So, ihr seid also Freunde“, sagte der muskulöse Kerl höhnisch. „Deshalb haben sich eure beiden Kumpane wohl auch heimlich an Bord meines Hausbootes geschlichen, wie? Und daß der verdammte Bursche mit dem Narbengesicht über mich hergefallen ist, während ihr euch hier draußen mit Musketen bewaffnet auf die Lauer gelegt habt – das war natürlich auch ein Beweis eurer Freundschaft?“

      Smoky zwang ein joviales Grinsen in sein Gesicht.

      „Dein Boot ist uns etwas merkwürdig erschienen“, sagte er. „Darum wollten wir uns davon überzeugen, ob es an Bord mit rechten Dingen – äh – ich meine, wir wollten nur nachsehen, wer sich an Bord befindet.“ Er hatte, wie schon zuvor, spanisch gesprochen, weil dem Kauderwelsch des Negers zu entnehmen war, daß er diese Sprache am besten verstand.

      „Dumme Ausrede!“ stieß der Schwarze unfreundlich hervor. „Spart euch dieses Geschwätz, damit könnt ihr mir nicht imponieren!“ Er vollführte eine herrische Geste. „Los jetzt, steigt an Bord und folgt mir!“

      Die Seewölfe mußten wohl oder übel gehorchen, zumal plötzlich auch in den Händen der übrigen Schwarzen Waffen jeder Art, vor allem aber vorsintflutliche Schußwaffen auftauchten. Außerdem hofften sie, in der Hütte des Hausbootes mit Hasard und Carberry zusammenzutreffen.

      Diese Hoffnung sollte sich recht schnell erfüllen.

      Als sie durch die Tür traten, wanderten ihre Blicke erstaunt durch den großen Raum und über seine merkwürdige Einrichtung. Dabei zogen die meisten von ihnen wegen des ungewohnten Weihrauchduftes die Nase kraus.

      Dann stachen ihnen die beiden gefesselten Gestalten in die Augen, die im Halbdunkel am Boden lagen.

      Hasard und Ed schienen ihr Bewußtsein wiedererlangt zu haben, denn der Profos bewegte seinen kantigen Schädel wütend hin und her und gab dabei ein undeutliches Brummen von sich.

      Der Baumlange deutete auf eine Grasmatte.

      „Setzt euch!“ befahl er.

      Die fünf Männer aus der Jolle ließen sich mit überkreuzten Beinen auf der Matte nieder und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Rosig sah es nicht für sie aus, das gestanden sie sich ein. Ihr Kapitän und der Profos waren gefesselt und geknebelt, und sie selber hatte man entwaffnet. Auch die Pistolen und Messer hatte man ihnen aus den Gürteln gezogen, als sie das Hausboot betreten hatten. Zudem zeigten die schwarzen Gestalten, die sie mit schußbereiten Büchsen umstanden, nicht gerade liebenswürdige Gesichter.

      Der Anführer dieser merkwürdigen Hausbootbewohner räusperte sich laut und vernehmlich, als wolle er damit auf seine Autorität hinweisen.

      „Mein Name ist Buddy Bolden“, sagte er in seinem Sprachmischmasch. „Und die Leute, die ihr hier versammelt seht, sind mein Volk. Ich bin ihr Anführer und Hohepriester.“ Er legte eine kurze Pause ein, um die Gewichtigkeit seiner Worte zu unterstreichen.

      Die Arwenacks jedoch zeigten sich kaum beeindruckt, sondern eher erstaunt. Sie waren zwar stets darauf eingestellt, mit Schnapphähnen, beutelüsternen Dons und – was diese Breitengrade betraf – auch mit angriffslustigen Indianern zusammenzutreffen, aber daß sie in dem stillen und abgelegenen Lake Pontchartrain auf ein geisterhaftes Hausboot stoßen würden, auf dem ein winziges Negervolk unter der Fuchtel eines „Anführers“ und „Hohenpriesters“ hauste – das war das letzte, womit sie gerechnet hatten. Aber wie dem auch sei, sie waren die Gefangenen dieses Buddy Bolden, und sie mußten sich seine Rede wohl oder übel anhören.

      Smoky war nach wie vor ziemlich aufgekratzt. Er nutzte die kurze Atempause und deutete rasch auf die beiden gefesselten Gestalten.

      „Kann man ihnen nicht die Stricke durchschneiden und sie von den blödsinnigen Knebeln befreien?“ fragte er auf spanisch. „Sie könnten dann alles, was du uns zu sagen hast, viel besser hören.“

      Buddy Bolden rollte abermals mit den Augen.

      „Seit wann hört man ohne Fesseln besser? Und was die Knebel betrifft, so haben diese Kerle sie ja zwischen den Zähnen und nicht in den Ohren!“

      Smoky schluckte, denn die Logik der Antwort des Schwarzen war nicht von der Hand zu weisen.

      Buddy Bolden warf seinen Gefangenen grimmige Blicke zu und fuhr mit seiner Rede fort: „Ich bin sehr darüber verärgert, daß ihr uns bei einer wichtigen religiösen Zeremonie gestört habt. Wir haben uns stundenlang darum bemüht, durch unsere Gebete, Gesänge und Opfer in Kontakt mit unseren Göttern zu gelangen, und als es uns beinahe gelungen war, Iemanjá, die Göttin des Meeres, gnädig zu stimmen, da seid ihr Bastarde hier aufgetaucht. Die beiden dahinten sind sogar über uns hergefallen. Ich will euch sagen, was ich von euch halte: Ihr seid verdammte Piraten und habgierige Galgenvögel! Es würde mich nicht wundern, wenn ihr mit Duvalier, dieser französischen Ratte, unter einer Decke stecken würdet. Zum Glück hat Iemanjá eure räuberischen Pläne vereitelt und euch in unsere Hände gegeben. Und was es heißt, in die Hände Buddy Boldens und seines tapferen Volkes zu fallen, das werdet ihr rasch begreifen. Was ihr getan habt, ist in unseren Augen und in den Augen der Götter ein todeswürdiges Vergehen. Ich verurteile euch deshalb alle zum ‚Alligator-Hopp‘. Mag die erhabene Iemanjá entscheiden, ob ihr am Leben bleibt oder nicht.“

      Der Schwarze sah das kleine Häuflein der Seewölfe mit funkelnden Augen an. Offenbar wartete er auf die Wirkung seines Urteilsspruches.

      Die Arwenacks ließen ihn nicht lange warten.

      Wieder war es Smoky, der ihm in der spanischen Sprache antwortete.

      „Wir sind uns zwar keines Verbrechens bewußt, Señor Bolden“, erklärte er, „aber es wäre trotzdem verdammt nett von dir, wenn du uns sagen würdest, um was für ein Gesellschaftsspiel es sich bei diesem ‚Alligator-Hopp‘ handelt. Wenn mich nicht alles täuscht, hat es was mit den verfressenen Biestern zu tun, die da draußen im Wasser lauern.“

      „Du bist ein schlauer Bursche“, sagte Buddy Bolden, und fast schien es, als unterdrücke er ein Grinsen. „Der ‚Alligator-Hopp‘ hat in der Tat etwas mit den liebenswürdigen Bewohnern des Bayous zu tun. Ihr werdet nämlich einer nach dem anderen ins Wasser hüpfen, und dann überlassen wir es Iemanjá, ob ihr den munteren Tierchen schmeckt oder nicht. Meist sind sie jedoch zu dieser Tageszeit ziemlich hungrig.“

      „Das muß ja echt spaßig sein“, sagte Smoky sarkastisch. „Was geschieht eigentlich, wenn unsere Hinterschinken den verwöhnten Ansprüchen der Alligatoren nicht genügen?“

      „Dann schenken wir euch das Leben und jagen euch zum Teufel!“

      Smoky legte die Stirn in Falten.

      „Hm“, meinte er, „kannst du uns nicht gleich dorthin jagen? Der Teufel wäre mir, ehrlich gesagt, sympathischer.“

      „Nichts da!“ entschied Buddy Bolden. „Das Urteil wird vollstreckt.


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