Seewölfe Paket 17. Roy Palmer
hauptsächlich jedoch auf der Galeere, die achtern Wasser zog. Der Steven von Arnes Beutegaleone hatte riesige Lecks hinterlassen, durch die das Wasser mit beängstigender Geschwindigkeit in den Schiffsraum strömte. Die Achterlastigkeit der Galeere war bereits jetzt schon deutlich sichtbar.
An Bord der sinkenden Galeere verstärkte sich das Gebrüll. Flüche, Verwünschungen, Schreckensschreie und Kommandos dröhnten durch den wallenden Nebel.
„Das sind Polen“, sagte Arne von Manteuffel. Der große, breitschultrige Mann mit den eisblauen Augen glich dem Seewolf auf eine verblüffende Weise. Nur seine Haare waren im Gegensatz zur schwarzen Mähne des Seewolfs blond. „Die Galeerenbesatzung braucht jetzt unsere Hilfe“, fuhr er fort, „auch wenn die Polen nicht gerade zu unseren Freunden zählen. Der Kahn geht unverkennbar auf Tiefe.“
Renke Eggens, der Erste Offizier der „Wappen von Kolberg“, nickte.
„Bisher haben wir Schiffbrüchigen immer geholfen, gleich auf welcher Seite sie standen.“
Beide Männer eilten zum Steuerbordschanzkleid des Achterkastells hinüber, um das Ausmaß des Unglücks besser beurteilen zu können.
Doch was sie sahen, verwandelte ihre Hilfsbereitschaft in jähen Zorn.
Die Polen, einschließlich der Ruderknechte, die nicht angekettet waren, griffen zu den Waffen. Dabei rafften sie in der Eile alles zusammen, was ihnen in die Finger geriet: Musketen und Pistolen, hauptsächlich jedoch Blankwaffen aller Art. Dann drängten sie mit lautem Gebrüll zum Schanzkleid.
„Die wollen entern“, sagte Arne kurz. Da er die polnische Sprache verstand, wußte er auch die Kommandos, die auf der Galeere gebrüllt wurden, richtig zu deuten. „Gewissermaßen wollen die aus der Not eine Tugend machen“, fügte er grimmig hinzu.
„Dann sollten wir ihnen was auf die Köpfe geben“, sagte der schlanke und drahtige Renke Eggens. „Ich sehe ja ein, daß die Burschen ein neues Schiff brauchen, aber auf eine so einfache Tour geht das nicht.“
„Ganz gewiß nicht“, erwiderte Arne von Manteuffel. „Wir werden uns zu wehren wissen.“
Die Kommandos des Kapitäns der „Wappen von Kolberg“ waren kurz und präzise. Seine Männer eilten, ohne in Panik zu geraten, an die Waffen. Und in dieser Hinsicht war tatsächlich Eile geboten, denn die ersten Enterhaken der Polen verkrallten sich bereits im Schanzkleid der Galeone.
„Kappt die Taue!“ befahl Arne, der die Gefahr, die von den Enterhaken und ihren Wurfleinen ausging, sofort erkannte. Schließlich war die Galeere am Sinken und konnte sein Schiff erheblich in Gefahr bringen, wenn man es nicht schnell von seinem „Anhängsel“ befreite.
Einige seiner Männer gingen sofort daran, seinen Befehl auszuführen. Doch das erwies sich als ein hartes und gefährliches Stück Arbeit, zumal sich die ersten Polen bereits mit lautem Geschrei über das Schanzkleid schwangen.
Auf beiden Seiten wurden Pistolen und Musketen abgefeuert, dann klirrte das Metall der Blankwaffen – der Säbel, Degen, Messer und Cutlasse – gegeneinander. Innerhalb von wenigen Augenblicken tobte ein erbitterter Enterkampf.
Die Polen wollten aus der gegebenen Situation ganz offensichtlich Kapital schlagen, aber da stießen sie bei Arne und seinen Mannen auf erbitterten Widerstand. Wegen der Vorkommnisse der vergangenen Tage hegten diese gegenüber den Soldaten des polnischen Königs Sigismund III. ohnehin keine besonders freundschaftlichen Gefühle. Und der Verlust ihrer alten „Wappen von Kolberg“ saß den Deutschen noch immer ziemlich in den Knochen. Dennoch würden sie sich ihrer Haut zu wehren wissen, auch wenn die Polen in der Überzahl waren.
Arne von Manteuffel stand mit gespreizten Beinen auf dem Achterdeck seiner Galeone und riß die Radschloßpistole hoch. Ein polnischer Soldat, der gerade an Bord geentert war, hatte seine Muskete auf ihn in Anschlag gebracht und gefeuert. Die Kugel war haarscharf an seiner linken Schulter vorbeigepfiffen.
Jetzt krachte Arnes Pistole, eine grelle Mündungsflamme stach aus dem Lauf hervor, und der Soldat ließ seine leergeschossene Muskete fallen. Dann griff er sich mit beiden Händen an die Brust und kippte mit einem Aufstöhnen zur Seite.
Die Polen kämpften zäh und verbissen, und immer mehr von ihnen drängten auf die Galeone herüber. Da ihnen das Schiff unter den Füßen absoff, standen sie gewissermaßen unter Erfolgszwang. Sie hatten nur die Möglichkeit, diese Galeone in ihren Besitz zu bringen oder aber im kalten Wasser der Ostsee zu ertrinken. Die Chance, als Schiffbrüchige gerettet zu werden, hatten sie durch ihren heimtückischen Angriff vertan.
Außerdem war da noch die Galeone der Engländer, mit der sie zuerst zusammengeprallt waren. Der große Segler war durch die überraschende Kollision aus dem Kurs gelaufen und gleich darauf im dichten Nebel verschwunden. Die Polen hofften deshalb inbrünstig, daß die Engländer die Orientierung verloren hatten. Wenn nicht, dann würden sie sich auch diesem Schiff zum Kampf stellen, sobald sie das ehemalige Flaggschiff ihres Generalkapitäns in ihre Gewalt gebracht hatten.
Arne von Manteuffel und seine kleine Mannschaft erwiesen sich als harte Kämpfer. Viele der Polen schafften es gar nicht erst, die Planken der „Wappen von Kolberg“ zu betreten. Entweder wurden sie durch gezielte Schüsse daran gehindert oder aber im Kampf Mann gegen Mann zurückgedrängt. Eine ganze Reihe der Angreifer schwamm bereits im Wasser, einigen drohte das furchtbare Schicksal, von den beiden Schiffsleibern zermalmt zu werden.
Arne hatte zum Degen gegriffen und trieb damit einen polnischen Offizier, der zum Achterdeck auf entern wollte, die Stufen des Niedergangs hinunter. Dabei erwies er sich als äußerst geschickter Degenkämpfer, der es verstand, die plötzlichen Ausfälle seines Gegners mit ungeheurer Schnelligkeit zu parieren.
Auch Renke Eggens kämpfte wie ein Berserker. Es gelang ihm nach mehreren Versuchen, auch noch die letzte Wurfleine zu kappen, die die „Wappen von Kolberg“ mit der polnischen Galeere verband. Zwei Soldaten, die sich daran hochhangeln wollten, stürzten mit wilden Schreien in die Galeere zurück.
Während sich Renke zwei weiteren Kerlen zuwandte, die sich einige Schritte rechts von ihm über das Schanzkleid schwingen wollten, tönte eine laute Stimme von der Galeere herüber.
„Im Namen des polnischen Königs! Gebt auf, ihr Bastarde, sonst verarbeiten wir euch zu Fischfutter!“
Die Stimme kam von einem untersetzten Mann in Offiziersuniform, der sich ebenfalls anschickte, das Schiff der Deutschen zu entern. Er hatte polnisch gesprochen, aber der dunkelblonde Renke hatte ihn gut verstanden.
„Du verwechselst die Tatsachen, Freundchen!“ brüllte er zornig zurück. „Ganz davon abgesehen, daß euren habgierigen König nicht mal die Heringe fressen würden, wird sich ja bald zeigen, wer als erster nasse Füße kriegt!“
Mit wuchtigen Hieben trieb Renke Eggens die beiden Kerle, die auf die Planken der Kuhl gesprungen waren, auf die Back zu. Dort nahm sie Hein Ropers, der flachsblonde Bootsmann, in Empfang.
„Vielen Dank für das nette Geschenk!“ rief er Renke zu und lachte dabei, daß seine weißen Zähne blitzten. Dann packten seine eisernen Fäuste erbarmungslos zu.
Nachdem er dem ersten Polen die Waffe aus der Hand geschlagen hatte, wuchtete er ihn seinem nachfolgenden Kumpan entgegen. Und da dieser gerade mit seinem Degen zu einem voreiligen Stoß ausgeholt hatte, fuhr die Klinge seinem Landsmann voll in die Brust.
Verblüfft und entsetzt registrierte der Soldat sein eigenes Werk. Hein Ropers hingegen nutzte die Schrecksekunde, packte ihn am Kragen und Hosenboden und hievte ihn schwungvoll über Bord.
Es wurde auch höchste Zeit, daß der Bootsmann seine Fäuste wieder frei kriegte, denn ein kleiner, dürrer Bursche mit spitzem Rattengesicht, hatte sich von hinten an ihn herangepirscht, um ihm das Messer in den Rücken zu stoßen.
„Vorsicht, Hein!“ rief ein Mann aus der eigenen Crew, der selber alle Hände voll zu tun hatte.
Der Bootsmann wirbelte geistesgegenwärtig herum, blockte den heimtükkischen Stoß ab und schlug dem Polen das Messer aus der Hand. Dann riß er ihn herum und verpaßte ihm einen so fürchterlichen