Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“

      „Keine Sorgen?“ Carberry schnaufte aufgebracht. „Da hört sich doch alles auf.“

      „Reiß dich zusammen“, sagte jetzt der Seewolf. „Was ist denn los mit dir, Ed? Hör dir doch erst mal an, was der Kutscher über Bills Zustand zu sagen hat. Und führe hier nicht so einen Tanz auf.“

      „Ja, Sir“, erwiderte Carberry zerknirscht.

      „Bill nicht sehr kaputt“, sagte Batuti. „Kutscher hat schon gesagt, daß alles halb so schlimm ist.“

      „Aha“, meinte Ben. „Dann können wir ja hoffen, oder? Nun rück doch mit der Sprache heraus, Kutscher.“

      Der Kutscher sagte: „Natürlich. Ich bin nahezu sicher, daß Bill keine inneren Verletzungen und auch keine Gehirnerschütterung erlitten hat. Nur Prellungen und Blutergüsse. Sein Herzschlag und der Puls sind normal.“

      „Warum, zum Teufel, kommt er dann nicht zu sich?“ wollte der Profos wissen.

      „Vergiß nicht, daß er weniger Substanz hat als ein ausgewachsener Mann“, sagte der Kutscher belehrend. „So ein Unfall setzt ihm schon eine Weile zu. Er verdaut ihn nicht so schnell wie beispielsweise die beiden da.“ Er wies mit dem Kopf zu Matt und Batuti.

      Carberry trat an das Lager von Bill. „Eins schwöre ich. Lieber beiße ich ins Gras, als daß ich den Jungen abkratzen sehe. Hölle, wir haben’s dem alten London-Joe versprochen, auf seinen Sohn aufzupassen. Und ich nehme das ernst. Verdammt ernst.“

      „Wir auch, Ed“, sagte der Seewolf leise.

      „Verzeihung, Sir …“

      „Schon gut, Ed.“

      „Bitte um Erlaubnis, bei Bill wachen zu dürfen, bis er wieder zu sich kommt.“

      „Genehmigt“, sagte Hasard.

      Als die „Isabella VIII.“ und das schwarze Schiff etwa eine Stunde später Cabo Corrientes an der Küste von Neu-Granada passierten, erschien Carberry wieder auf Oberdeck. Und er grinste.

      Bill war nämlich aus der Bewußtlosigkeit erwacht und hatte als erstes ein echtes Carberry-Zitat vom Stapel gelassen. Darin war von Dons, verlängerten Rückenpartien und Haut die Rede, die er, Bill, ihnen noch in Streifen abziehen würde.

      7.

      „Esperanza“ – der Name der Galeone klang jetzt wie ein Hohn. Als Aurelio de Vargas sich weit über das Backbordschanzkleid des Vordecks beugte und zusah, wie der letzte Tote in den Fluten verschwand, konnte er den Schriftzug am Bug lesen. Leise fluchend richtete er sich wieder auf und drehte sich um.

      Lopez Mangusto stand hinter ihm und musterte ihn aus forschenden dunklen Augen.

      „Auf was sollen wir jetzt noch bauen?“ sagte de Vargas. „Über ein Drittel unserer Mannschaft ist getötet worden. Wir haben die Leichen in der See bestattet, wie es sich gehört. Das ändert aber nichts an unserer Lage und kann auch die Stimmung der restlichen Männer nicht heben.“

      „Wir haben ein Schiff, das noch manövrierfähig und schnell genug ist, dem Seewolf davonzulaufen“, erwiderte Mangusto. Es klang lauernd, verschlagen.

      „Meinetwegen. Aber einem weiteren Kampf hält es nicht stand. Wir müssen kläglich versagen.“

      „Wer sagt denn, daß es zu einem weiteren Gefecht kommt?“

      „Wir wollen nach Panama.“

      „Sabreras ist fest entschlossen, einen starken Verband zur Jagd auf den Seewolf und die Rote Korsarin zusammenzustellen“, erwiderte der Erste Offizier.

      De Vargas lächelte freudlos. „Und wo steckt der Seewolf jetzt?“

      „Es ist Mittag. Seit dem Morgengrauen haben wir ihn nicht mehr gesehen.“

      „Das heißt nichts. Er hat sich nicht zurückgezogen. Er segelt dicht unter Land, deswegen sehen wir ihn nicht. Unsere Distanz zur Küste beträgt fünfzig Meilen oder gar mehr, du kannst es ja mal ausrechnen. Er schneidet uns den Weg nach Panama ab, Lopez.“

      „Er wird uns stellen?“

      „Ja, das wird er. Eher ruht er nicht.“

      „Das bedeutet Tod, Aurelio.“

      „Willst du sterben?“

      „Ich nicht“, erwiderte Mangusto ruhig. „Ich will die Smaragde. Sabreras wird aber den Kurs nicht ändern wollen. Das bedeutet …“

      De Vargas blickte zur Kuhl. „Ich war lange wankelmütig. Jetzt weiß ich, was wir zu tun haben. Hörst du das Stöhnen der Verwundeten? Sie sind auf unserer Seite. Und die Gesunden auch. Selbst der Sargento.“

      „Ja, ganz gewiß.“

      „Wir reden also beide von der gleichen Sache, Lopez?“

      „Ich hätte dich ohnehin darauf angesprochen“, erwiderte der Erste Offizier. „Ich wußte dich nur nicht einzustufen und war nicht sicher, ob du auch wirklich mitspielen würdest.“

      „Du kannst deine Zweifel ausräumen.“

      „Ja. Aber du weißt, was wir riskieren.“

      „Höchstens, daß Sabreras Widerstand leistet. Mehr nicht.“

      Mangusto blickte ihn verwundert an. „Wir könnten wegen Meuterei zum Tode verurteilt werden.“

      „Wer soll uns verraten?“ De Vargas blieb völlig gelassen, er sprach fast gleichgültig. „Wenn wir diesen elenden Narren erst los sind, können wir in aller Ruhe die Smaragde auf einer abgelegenen Insel verstecken. Danach kehren wir nach Panama zurück, aber erst, wenn wir sicher sind, daß der Seewolf uns nicht mehr packen kann. Dem Gouverneur erzählen wir, dieser englische Korsar habe unser Schiff geentert und ausgeplündert und Sabreras dabei getötet.“

      Mangustos Stimme senkte sich zu einem Raunen. „Du willst Sabreras also umbringen?“

      „Das nimmt uns der Seewolf ab.“ De Vargas lächelte. „Er will Sabreras fassen, nicht uns. Vergiß das nicht. Ich setze es dir noch genauer auseinander.“

      Lopez Mangusto trat noch einen Schritt näher. „Nur eines wollen wir klarstellen, Aurelio. Nach Sabreras’ – hm, Abgang gibt es an Bord der ‚Esperanza‘ zwei vollwertige Kapitäne, nicht einen neuen Kommandanten, ist das klar?“

      „Einverstanden. Hast du Angst, ich könnte dich ausbooten?“

      „Ich will mir nur den Rücken dekken“, entgegnete der gerissene Mangusto. Er rieb sich angelegentlich den Vollbart. „Und vergiß nicht, daß ich den Großteil der Mannschaft hinter mir habe.“

      „Ich denke daran.“

      „Wir erreichen Panama nicht vor morgen abend.“

      „Genug Zeit also, mit den Männern zu sprechen und alles vorzubereiten“, sagte Aurelio de Vargas.

      „Heute nacht schlagen wir zu“, sagte Lopez Mangusto.

      Sabreras hatte sich den Tag über kaum auf dem Oberdeck aufgehalten. Im Grunde kümmerte es ihn einen Dreck, wie es um die Mannschaft bestellt war. Auch die Handvoll Soldaten und die Offiziere, die das Gefecht überstanden hatten, interessierten ihn nicht.

      Im übrigen hatte er bereits gewittert, was auf der Galeone seinen Lauf nahm – und hatte seine Vorkehrungen getroffen. An großen Widerstand und überragende Heldentaten dachte er dabei weniger. Wichtig war ihm nur das persönliche Wohlergehen, denn er sah in allen Dingen sich als den Mittelpunkt seines Daseins, nur sich. Und das hielt er für eine außerordentlich gesunde Einstellung.

      In der Kapitänskammer trank er nach Einbruch der Dunkelheit ein letztes Glas Wein. Er genoß es. So schnell kriegst du wahrscheinlich einen edlen Tropfen Rioja nicht wieder, dachte er.

      Schließlich


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