Seewölfe Paket 6. Roy Palmer
auf die Galeone abfeuern, er geriet in den richtigen Schußwinkel. Hasard zündete auch seine Basse, dann, in breiten Schwaden von Pulverrauch stehend, drehte er sich wieder um und rief seinen Männern zu: „Abfallen! Backbordseite!“
Carberry wiederholte die Befehle. Sein Gebrüll purrte die Männer an die Schoten und Brassen. Pete Ballie kurbelte am Ruderrad. Die „Isabella“ reagierte willig auf die neue Ruder- und Segelstellung. Ihr Vorsteven richtete sich nach Nord-Nord-West. Die Mündungen der 17-Pfünder ruckten herum und zielten auf die spanische Galeone, die sich nun auch endlich wieder in Schußposition schob.
Die Spanier wollten eine volle Breitseite abgeben, aber der Seewolf kam ihnen zuvor.
„Feuer!“
Acht Rohre stießen Feuerblitze aus, achtfacher Tod raste auf die Feindgaleone zu. Sechs oder sieben Treffer waren diesmal drüben zu verzeichnen, die Seewölfe zählten nicht genau. Die „Isabella“ glitt vor dem Gegner davon.
Diese massive Breitseite hatte entscheidende Wirkung im Gefecht. Die drei Spanier blieben zurück. Sie kamen nicht mehr zum Schuß. Sie hatten genug damit zu tun, daß lodernde Feuer auf den Decks und in den Riggs zu löschen.
Hasard blickte zum schwarzen Schiff. Er atmete auf. Anscheinend völlig unversehrt zogen sich die Rote Korsarin und ihre Männer aus der Kampfzone zurück, schlossen ein bißchen auf und segelten im Kielwasser der „Isabella“.
„Ben, haben wir Verletzte?“ fragte Hasard.
„Bis auf ein paar unbedeutende Kratzer – nein, Sir.“
„Die Männer sollen nachladen und neue Munition heranschaffen. Mit dem Aufklaren warten wir, dazu ist jetzt keine Zeit. Das Gefecht ist noch nicht vorbei.“
Ben sah ihn aus schwarz geränderten Augen an. „Sabreras, nicht wahr?“
„Ja, er muß durch den Kampflärm alarmiert worden sein. Der Dreierverband war auf dem Rückweg zum natürlichen Hafen, und jetzt wird unser Freund nachsehen wollen, was los ist.“ Hasards Züge waren hart, wie gemeißelt. „Wo bleibt er überhaupt?“
„Ich sage, er ist abgehauen“, erklärte der alte O’Flynn mit krächzender Stimme.
„Das würde mich wundern“, erwiderte Hasard. „Ich müßte mich in Sabreras gründlich getäuscht haben, wenn er jetzt zu kneifen versucht.“
„Deck!“ schrie in diesem Augenblick Dan aus dem Großmars. „Segler Backbord voraus!“
Ben Brighton wischte sich Ruß aus dem Gesicht. Es war eher ein sinnloser Versuch, denn seine Hände hinterließen lediglich streifige Spuren auf der geschwärzten Haut.
„Ho!“ rief er. „Es tut sich wieder was. Lassen wir uns überraschen, Hasard?“
„Was bleibt uns anderes übrig?“
„Wir können immer noch nach Westen ablaufen. Den Dons segeln wir bestimmt davon.“
„Bist du für halbe Sachen, Mister Brighton?“
„Nein.“
„Aber es kann uns noch den Kopf kosten, meinst du.“
„Wir wissen nicht, wie viele Schiffe Sabreras in seiner Bucht zusammengezogen hat“, erwiderte Ben.
Hasard stellte sich ans Backbordschanzkleid des Achterdecks. „Sehr viele können es nicht mehr sein. Da wäre die ‚Esperanza‘ und dann eine weitere Galeone – jene, die während der Nacht die ‚Santa Margarita‘ gefunden und abgeschleppt hat. Wegen der ‚Santa Margarita‘ brauchen wir uns keine grauen Haare wachsen zu lassen, denn die ist so schwer angeschlagen, daß sie unmöglich in ein Gefecht eingreifen kann.“
Die Nacht wich allmählich und löste sich in schwarzgraue Schatten auf. Nach Osten hin schien sich der Himmel schon heller zu färben. Knapp eine Stunde noch, dann würde die Sonne als glühender Ball über den Höhenzügen der Kordilleren erscheinen.
Hasard versuchte, durch das Spektiv einen Ausblick auf den neuen Gegner zu gewinnen. Und tatsächlich, er entdeckte ihn. Verschwommen hoben sich die Konturen in der Optik ab.
„Ein Zweimaster“, sagte er. „Eine Karavelle, nicht besonders groß.“
„Ein Spanier?“ fragte Ferris Tukker.
„Warte. Denkst du vielleicht, es handelt sich um Piraten? Blut lockt Haie an, oder? Aber ich glaube nicht daran. Augenblick, ja, es ist ein Don, ich kann das Holzkreuz erkennen, das er unter dem Bugspriet baumeln hat. Und jetzt sehe ich auch die Flagge im Großtopp.“ Hasard ließ das Fernrohr sinken und schaute die Männer an. „Wir verhalten uns ruhig, bis wir dicht an ihn heran sind, klar?“
„Klar, Sir“, antwortete Ben.
„Profos“, sagte Ferris zur Kuhl hin.
„Was gibt’s, du roter Klamphauer?“
„Halt die Luft an und brüll gefälligst nicht herum. Wir sollen die Klappe halten, hat Hasard gesagt.“
„Wer brüllt denn hier“, brummelte Carberry und zerdrückte einen ellen-langen Fluch auf den Lippen.
„Der Don hält Ostkurs“, meldete Dan O’Flynn.
„Er kreuzt“, sagte Hasard. „Wenn er so weitersegelt, haben wir ihn gleich in der Zange.“
„Er fällt ab!“ rief der junge O’Flynn.
„Nicht so laut“, zischte der Profos.
„Jetzt hat er nicht nur uns, sondern auch den schwarzen Segler entdeckt und kriegt das große Sausen“, meinte Smoky. „Er türmt zum Smaragdhafen und holt Verstärkung.“
Hasard beobachtete wieder durch den Kieker und nickte. „Stimmt. Allein kann er es ja nun wirklich nicht mit uns aufnehmen.“
„Er ist Sabreras’ vorgeschobener Posten“, sagte Ben Brighton. „Irgendwo vor der Küste, nur ein paar Meilen entfernt, lauert der Restverband – und wir segeln direkt auf ihn los. Die Lage spitzt sich wieder zu.“
Hasard steckte den Kieker weg, eilte auf die Kuhl und inspizierte kurz die Gefechtsstationen. Es war aber soweit alles in Ordnung, von den Schäden im Schanzkleid und auf Deck abgesehen. Munition stand genügend zur Verfügung – nicht zuletzt auch wegen der Vorräte, die sie vorsorglich aus der Mine mitgeschleppt hatten.
„Wie ist die Stimmung?“ fragte er seine Männer.
„Glänzend“, erwiderte Al Conroy. „Selten so heiter gewesen, Sir.“
„Nun haut bloß nicht so auf die Pauke, ihr Sumpfnelken“, sagte Carberry.
Hasard lächelte ihnen zu, kehrte um und begab sich wieder aufs Achterkastell.
„Ferris“, sagte er. „Hol die letzten Brandsätze, die wir noch im Achterkastell aufbewahren. Außerdem hältst du deine Höllenflaschen bereit. Nimm meinen Platz an der achteren Drehbasse ein.“
„Aye, Sir.“
„Shane“, wandte sich der Seewolf an den ehemaligen Schmied von Arwenack-Castle. Der graubärtige Koloß war soeben aus dem Großmars zurückgekehrt und stieg den Niedergang hoch. „Du bewaffnest dich zusätzlich mit Pulverpfeilen und enterst sofort wieder in den Großmars auf.“
„Geht in Ordnung, Sir.“
Pulverpfeile – das waren Shanes Spezialanfertigungen mit ausgehöhlten Schäften. Er hatte mit viel Akribie Schwarzpulver hineingefüllt, die Öffnungen mit Wachs versiegelt und die Spitzen auf die übliche Weise mit Werg umwickelt. Die brennenden Spitzen entzündeten das Pulver, wenn die Pfeile im Kampf zum Gegner hinübersurrten.
Hasard blickte wieder zur Karavelle.
Sie lag jetzt platt vor dem Wind und hatte alles gesetzt, was ihr an Segelfläche zur Verfügung stand. Sie führte Lateinertakelung, was ihr besonders gute Am-Wind-Eigenschaften verlieh. Vor dem Wind konnte sie dem ranken Rahsegler der Seewölfe und auch dem