Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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eilte Hasard zum Achterdeck. Diese Beteuerungen seiner Männer – die wilde Entschlossenheit, die schon Dan gezeigt hatte, schien ja allenthalben um sich gegriffen zu haben. War das ansteckend?

      Rachsucht war nicht der richtige Ausdruck für das, was sie empfanden. Vielmehr wollten sie Sabreras einen nachhaltigen Denkzettel verpassen, ein für allemal. Er sollte begreifen, daß man Seewölfe nicht in Ketten legte und zu Sklaven herabwürdigte, daß man sie nicht zu Tode zu quälen versuchte, ohne teuer dafür zu bezahlen.

      Zwangsarbeit – nichts haßten sie mehr als das! Auf der Teufelsinsel hatten sie bereits unter dieser grausamen Geißel gelitten und sich geschworen, das niemals wieder über sich ergehen zu lassen. Und dann hatte Sabreras sie zu dem gleichen Los verdammen wollen!

      „Hasard“, sagte Ben Brighton. Er stand ziemlich weit achtern am Backbordschanzkleid und spähte mit bloßem Auge in die Nacht. Mit dem Spektiv war bei dieser Dunkelheit ohnehin nichts auszurichten. „Es wird ernst, schätze ich. Sieh doch.“

      „Bereitet dir die eine Galeone Kopfzerbrechen?“ Hasard trat neben ihn.

      „Da ist mehr“, sagte Ben.

      Hasard folgte seinem Blick und gewahrte nun ebenfalls, daß sich zu der Dreimastgaleone ein zweiter Schemen gesellt hatte. Eine Karavelle. Er spitzte die Lippen und stieß einen verhaltenen Pfiff aus. „Sieh mal einer an. Ben, heraus mit der Sprache. Kommen dir die Schiffe etwa bekannt vor?“

      „Ja, sie haben verteufelte Ähnlichkeit mit denen, die uns vor Stunden beinahe direkt in die Bucht gesegelt wären“, sagte Ben.

      4.

      Die spanische Karavelle staffelte immer weiter auf die Galeone zu, und beide bildeten schließlich eine wehrhafte Einheit, die Hasard auf keinen Fall unterschätzen durfte. Er kniff die Augen zusammen und zählte ihre Stückpforten.

      Zehn auf der Karavelle, das bedeutete, sie hatte zwanzig Geschütze an Bord. Die Steuerbordseite der Galeone wies zwölf Stückpforten auf, folglich verfügte sie über zwei Dutzend Kanonen. Vierundvierzig Geschütze!

      Hasard beobachtete, wie die beiden Spanier strikten Nordkurs hielten, als hätten sie den Gegner achteraus noch gar nicht bemerkt.

      „Verflixt“, murmelte er. „Die haben doch keine Scheuklappen auf. Was soll denn das Theater? Wir haben mehr Fahrt drauf als sie, bald laufen wir auf gleicher Höhe. Wollen die uns dann immer noch ignorieren?“

      „Ich weiß nicht, Sir“, antwortete Ben. Was sollte er auch sonst sagen?

      Hasard spähte angestrengt in die Nacht. Ferris, Shane, der alte O’Flynn und Smoky hatten sich dicht hinter sie gestellt.

      O’Flynn war es dann, der plötzlich einen zischenden Laut ausstieß und nach oben wies.

      Sein Sohn hatte sich weit über die Umrandung des Großmarses gelehnt und gab ein Zeichen. Hasard sah es ganz deutlich, als er den Kopf wandte.

      Drei Finger streckte Dan aus – drei Schiffe also.

      Hasard sah wieder nach Backbord. Wenig später hatte auch er das dritte Schiff entdeckt.

      „Noch eine Karavelle“, sagte er. „Da hätten wir also das Trio beisammen. Und die dritte Karavelle führt auch zwanzig Geschütze. Vierundsechzig Kanonen also. Dagegen stehen unsere sechzehn Culverinen und die zweimal zwölf Fünfundzwanzig-Pfünder des schwarzen Schiffes.“

      „Nicht zu vergessen unsere vier Drehbassen“, sagte Ferris Tucker.

      „Und die Brandsätze der Roten Korsarin“, fügte Shane hinzu.

      „Hm“, brummte der Seewolf. „Es kommt auch darauf an, wie weit die Burschen feuern können. Ich schätze, sie hören jetzt mit der sturen Dahinsegelei auf. Der Verbandsführer hat anscheinend nur auf seine dritte Karavelle gewartet. Jetzt macht er Nägel mit Köpfen.“

      Es bewahrheitete sich.

      Die Spanier nahmen Segelfläche weg, verlangsamten ihre Fahrt noch mehr und lagen plötzlich auf gleicher Höhe mit der „Isabella“ und dem schwarzen Schiff.

      Hasard hob die Hand und winkte Carberry zu. Der Profos stand breitbeinig mitten auf der Kuhl, er hielt die Beine abgewinkelt und balancierte gekonnt die Schiffsbewegungen aus.

      „Al“, knurrte er. „Los geht’s. Setz diesen Oberstinkstiefeln einen Schuß vor den Bug.“

      Al stand mit entfachter Lunte hinter dem Bodenstück der vordersten Backbord-Culverine bereit. Er senkte das glimmende Ende auf den Zündkanal, sprang dann zur Seite und wartete in geduckter Haltung ab. Sein Gesicht war verkniffen, sein Mund geöffnet, die zusammengebissenen Zähne schimmerten im Dunkeln.

      Die Culverine brüllte auf und spuckte ihren Gluthauch auf die See aus. Er raste zur Galeone hinüber, drückte das Siebzehnpfünder-Geschoß vor sich her, und gleichzeitig ruckte auf der „Isabella“ das schwere Geschütz auf seinen Hartholzrädern zurück. Das Brooktau fing den Rückstoß auf. Al blickte zu Matt Davies. Sie stürmten vor und brachten die Kanone wieder in Ladestellung.

      In derselben Sekunde rauschte dicht vor dem Bug der spanischen Galeone eine Wasserfontäne hoch. Im Klartext hieß das: Verschwindet, oder es gibt Ärger!

      Carberry stieß einen glucksenden Laut aus, denn der Seewolf hatte schon wieder die Hand gehoben.

      „Blacky, Gary, Sam“, sagte der Profos.

      Und die drei, die ihre Culverinen auch längst in Zielrichtung justiert hatten, zündeten ebenfalls. Einen Augenblick später hatte sich die Glut durch das trockene Zündkraut gefressen, Feuer und Rauch stoben aus den Läufen und sandten die unheilvolle Ladung zum Gegner.

      Zwischen dem Heck der Galeone. und der Karavelle, die ganz dicht hinter ihr hersegelte, standen plötzlich drei Wassersäulen. Sie waren von schäumenden Kränzen gekrönt, fielen aber sofort wieder in sich zusammen. Wer ganz genau hinhörte, konnte den vielstimmigen Wutschrei vernehmen, der sich drüben aus den Kehlen der Spanier löste.

      „Das soll uns erst mal einer nachmachen“, sagte Carberry voll Stolz.

      Die Dreifach-Salve war eine ebenso klare Botschaft wie Al Conroys Schuß. Letzte Warnung vor dem Sturm, bedeutete sie.

      „Heiß Flagge“, befahl der Seewolf.

      Bill, der Schiffsjunge, stand auf dem Achterdeck bereit und hißte den White Ensign im Besantopp. Die große weiße Flagge mit dem roten Georgskreuz knatterte im Wind, und jetzt zeigte auch Siri-Tong im Großtopp des schwarzen Schiffes die Drachenflagge. Die Spanier konnten diese Zeichen auch in der Dunkelheit mit aller Deutlichkeit erkennen. Drastischer ging es nicht, sie wußten genau, woran sie waren.

      „Ich bin für klare Verhältnisse“, sagte Hasard. „Sie brauchen jetzt nicht mehr zu signalisieren, wir sollen uns zu erkennen geben.“

      Das taten die Spanier auch nicht. Weiße Qualmwolken pufften von ihren jetzt offenen Stückpforten hoch, der Kanonenböller wälzte sich grollend auf die „Isabella“ zu. Die Galeone und die erste Karavelle feuerten auf die Seewölfe, die zweite Karavelle auf Siri-Tong und ihre Piraten.

      Hasard ging hinter dem Schanzkleid in Deckung, blickte zu Ben Brighton und rief: „Diese Idioten vergeuden gleich zu Anfang volle Breitseiten!“

      Ein wahres Höllenkonzert orgelte auf sie zu. Carberry hatte sich hinter die Kuhlgräting sinken lassen und fluchte in rauhestem, breitestem Cornwall-Englisch. Dabei brachte er auch noch das Kunststück fertig, sich den zeternden Sir John in die Tasche zu stopfen.

      „Du willst dir wohl ein Ding in den Achtersteven einfangen, du Kanaille, was, wie?“ brüllte er.

      Sie lagen alle platt auf dem Bauch oder hinter Deckungen verkrümmt und schützten die Köpfe mit den Händen, als die Breitseiten heran waren.

      Eine Wasserwand richtete sich neben der Backbordseite auf, es knallte, splitterte und krachte, und ein Ruck lief durch das Schiff. Etwas heulte im Tiefflug


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