Seewölfe - Piraten der Weltmeere 139. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 139 - Roy Palmer


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war nicht versessen darauf, dem Anführer der Strandräuberbande einen Denkzettel zu verpassen, den hatte El Bayad ohnehin weg, nachdem er gut die Hälfte seiner Spießgesellen eingebüßt hatte. Aber ganz ungeschoren sollte der dreiste Hund nach seinem letzten Mordversuch nun auch wieder nicht entwischen.

      El Bayad floh nach Osten.

      Sein hochbeiniger Falbe war ein guter Renner, soviel hatte Hasard sofort gesehen. Aber auch der Braune war nicht zu verachten, wenn er auch äußerlich eher schwerfällig wirkte. Er war ausgeruht, der Seewolf konnte aus ihm herausholen, was in ihm steckte, sofern die Jagd nicht über eine zu große Distanz führte.

      Dies hing in erster Linie von Hasard ab. O ja, er konnte reiten, er hatte es in Cornwall beim alten Killigrew und bei Big Old Shane, seinem väterlichen Freund, gelernt.

      El Bayad brauchte sich nicht einzubilden, daß nur ein Berber richtig reiten konnte. Ein Mann wie Hasard konnte sich auch in dieser Hinsicht durchaus mit ihm messen, wenn er auch etwas aus der Übung war.

      El Bayad wandte sich im Sattel um.

      Zu seinem Entsetzen gewahrte er, wie der Seewolf schon auf dem Hang aufholte. Wütend hieb der Berber auf den Falben ein und trieb ihn zur äußersten Leistung an. Der Weg führte vom Berghang in eine Schlucht, deren Grund mit Geröll übersät war. Hier mußte El Bayad das Tempo wieder verlangsamen. Er riskierte, sich mit seinem Tier zu überschlagen. Es brauchte nur einen einzigen Fehltritt zu tun, zu straucheln, und es war um sie beide geschehen.

      Selbst wenn der Berber dann seinen Hals rettete, ohne sein Pferd war er endgültig geliefert.

      Hasard gab gleichfalls darauf acht, sein Tier nicht zu gefährden. Er war aber immer noch so schnell, daß der Abstand zu dem Banditen weiterhin schrumpfte.

      Hinter dem Ausgang der Schlucht ging es über einen kurzen, nicht sonderlich steilen Hang auf ein Plateau hinaus, und auf dieser Ebene setzte das eigentliche Wettrennen ein.

      El Bayad trieb seinen Falben voran, bis diesem der weiße Schaum vor dem Maul und vor den Nüstern stand. Hasard hielt mit, achtete aber darauf, daß sich der grobknochige Braune nicht bis zum äußersten verausgabte. Er registrierte jetzt, daß der Braune die größere Ausdauer von den beiden Tieren hatte.

      Dies führte die Entscheidung herbei, als der Falbe kurz vor dem Ende des ausgedehnten Plateaus etwas zurückfiel. Immer rascher verringerte sich der Abstand von Reiter zu Reiter. El Bayad schickte wieder einen Blick über die Schulter zurück. Seine Züge waren eine einzige Grimasse. Er wußte keinen Ausweg mehr. Waffen hatte er jetzt tatsächlich nicht mehr, er konnte sich dem Seewolf nur mit den bloßen Fäusten stellen.

      Kurz vor ihrem unweigerlichen Zusammentreffen trachtete der Berber, nach rechts auszuweichen. Er wollte Hasard verwirren und in der Gegend, die er bis ins Detail kannte, durch eine Reihe von Tricks den Abstand wieder vergrößern, ja, den Feind sogar abhängen.

      Hasard reagierte jedoch sofort auf das Manöver. Er zog ebenfalls nach rechts, fing El Bayad ab und hechtete zu ihm hinüber.

      Sie wirbelten aus dem Sattel des Falben auf den harten, trockenen Untergrund. Hasard glaubte sämtliche Knochen im Leib knacken zu hören. Als er auf seinem Rücken landete, nahm der Schmerz höllisch zu. El Bayads Messer hatte wohl doch eine tiefere Wunde geschnitten, als er anfangs angenommen hatte.

      Sie balgten sich und gerieten an den Rand des Plateaus. El Bayad versuchte, Hasard die Faust ins Gesicht zu schmettern, doch Hasard stoppte sein Vorhaben im Ansatz. Er packte den Arm des Berbers und drückte ihn nach unten. El Bayad wälzte sich aufstöhnend über den Seewolf und riß ihn mit. Sie erlangten beide das Übergewicht und kollerten den Hang hinunter, der im Osten an das Plateau anschloß.

      Am Fuß des Hanges kämpfte Hasard sich frei. Er war als erster auf den Beinen und landete einen Schwinger unter El Bayads Kinn, als dieser sich anschickte, ebenfalls aufzustehen.

      El Bayad streckte sich auf dem Felsboden aus. Hasard näherte sich ihm vorsichtig. Als er ihn fast erreicht hatte, nahm der Berber eine Handvoll Staub auf und schleuderte ihn nach dem Gesicht des Gegners.

      Hasard war auf der Hut und konnte ausweichen. El Bayad unternahm wieder einen Versuch, sich aufzurappeln, aber plötzlich war der Seewolf sehr dicht vor ihm und rammte ihm noch einmal die Faust unters Kinn. Es dröhnte in El Bayads Kopf, er sah sein Ich losgelöst von seiner Gestalt und verfolgte aus einiger Distanz, wie die Felsen sich auftaten, um seine sterbliche Hülle in finstere Schlünde hinabzureißen, dorthin, wo der Scheitan hauste. Ein schwarzer Vorhang fiel, und alles versank in bodenloser Finsternis.

      El Bayad kehrte ins Diesseits zurück und wünschte sich sofort, wieder in die düsteren Schluchten tauchen zu können. Dort gab es keinen Schmerz – hier jedoch war das quälende Pochen, das sich von seinem Kinn durch den ganzen Kopf und auch durch den Oberkörper zog.

      El Bayad schlug die Augen auf.

      Hasards Gesicht war über ihm. Ein hartes Lächeln hatte sich in die wettergegerbten Züge gekerbt, die eisblauen Augen glitzerten drohend.

      El Bayad schloß die Lider wieder. Wie sollte er seine ohnmächtige Wut bezwingen?

      „El Bayad“, sagte der Seewolf. „Steh auf und gehe nach Osten, immer in Richtung Mekka. Verschwinde, ehe ich es mir anders überlege.“

      „Töte mich.“

      „Nein. Es wäre der einfachste Weg, aber ich verachte es, mich mit deinesgleichen auf die gleiche Stufe zu stellen. Ich bin kein primitiver Totschläger, der alle seine Probleme mit brutaler Gewalt lösen zu können glaubt“, erwiderte Hasard in seinem fehlerfreien Kastilisch.

      „Gib mir ein Messer.“

      „Das könnte dir so passen.“

      „Ich töte mich selbst …“

      „Sieh mich an“, sagte der Seewolf. El Bayad tat es und gewahrte die doppelläufige Radschloßpistole, die auf seine Brust gerichtet war. „Ich lasse dich tanzen, wenn du nicht verschwindest“, fuhr Hasard fort. „Das wird dich endgültig davon überzeugen, daß es für dich besser ist, das Feld zu räumen.“

      „Warum verschonst du mich?“

      „Ich verschone dich nicht“, antwortete Hasard. „Ich schicke dich barfuß und nahezu unbekleidet in Richtung Mekka, und das ist eine große Schande für einen gläubigen Muselmanen. Vielleicht greift man dich irgendwo auf, vielleicht schlägst du dich auch durch. Mir ist nicht daran gelegen, dich den Spaniern auszuliefern. Sie würden sich gewiß sehr darüber freuen, aber ich kann die Dons nicht leiden.“

      El Bayad blickte an sich herab.

      Es stimmte, Hasard hatte ihn seines sandfarbenen Burnus’ und der aus Dromedarleder hergestellten weichen Schuhe beraubt. El Bayad hatte nur noch eine kurze Hose aus brüchigem weißen Stoff auf dem Leib. Er hatte keine Waffen mehr, keinen Einfluß, kein Geld – er war ein hilfloser Narr.

      Hasard trat einen Schritt zurück, hob die Pistole und zielte auf El Bayads Beine. „Geh. Versuche nicht, zur Berberburg zurückzukehren. Meine Männer und ich bleiben eine Weile dort. Wir bereiten dir einen heißen Empfang, wenn du es wagst.“

      „Mein Burnus – meine Schuhe …“

      „Die Sachen nehme ich mit. Vielleicht vergrabe ich sie. Möglich auch, daß ich sie ins Wasser der Bucht werfe. Ich weiß es noch nicht, El Bayad.“

      „Tu mir diese Schande nicht an.“

      „Weißt du, welche Schande du meinen fünf Männern zugefügt hast?“

      „Ich bereue es …“

      „Geh“, sagte Hasard noch einmal.

      El Bayad las die Entschlossenheit in den eisblauen Augen und zog es vor, es auf einen Versuch nicht ankommen zu lassen. Sein Leben und seine Gesundheit waren ihm nicht nur lieb, sondern auch heilig, und wenn der Seewolf auf seine Beine feuerte, würde er, El Bayad, zumindest einen schmerzhaften Streifschuß davontragen.

      Der Bandenführer erhob sich, ging


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