Seewölfe - Piraten der Weltmeere 138. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 138 - Roy Palmer


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      Diesmal nickten die Zwillinge ernst.

      Shane atmete auf. Mann, dachte er, sie scheinen es ja tatsächlich begriffen zu haben. Er beugte sich vor, fuhr den beiden mit der Hand über den Kopf, nickte ihnen noch einmal väterlich-kameradschaftlich zu und sagte: „Also gut, bis später, Freunde.“

      Damit wandte er sich ab und verließ den Raum. Er kehrte auf die Kuhl zurück, rammte die Tür im Vorkastell zu und eilte zu den anderen Männern, um beim Spannen der Manntaue quer über Deck behilflich zu sein.

      Der Sturmwind pfiff ihnen in die Gesichter und rüttelte an den Masten der „Isabella“. Noch lösten sich keine Tropfen aus dem schwarzverhangenen Himmel, aber schon bald würde der Regen wie ein Sturzbach auf die Galeone niedergehen und die Männer bis auf die Haut durchweichen.

      „Jetzt fehlt bloß noch, daß wir irgendwo aufbrummen!“ rief der alte O’Flynn. „Möglich wäre es ja, wer weiß, wie dicht unter Land wir uns schon befinden. Hölle, man sieht die Küste nicht, auch auf eine Kabellänge Distanz nicht.“

      „Wenn du nicht die Luke hältst, sperre ich dich ins Logis zu den Zwillingen“, drohte Shane.

      „Was, zu den Bengeln? Kommt gar nicht in Frage!“

      „Dann halt die Luke“, grollte Shane.

      2.

      Philip rutschte als erster von der Koje. Hasard wollte ihm in nichts nachstehen und tat das gleiche. Philip landete katzengewandt auf den Planken, stieg dann aber plötzlich eine Schräge hoch, weil die „Isabella“ ihr Vorschiff angehoben hatte und eine Riesenwoge erklomm.

      Philip verlor das Gleichgewicht, kippte hintenüber, überrollte sich und geriet mit Hasard ins Gehege, der inzwischen hinter ihm angelangt war. Sie purzelten quer durch das Mannschaftslogis, rutschten unter eine Koje und stießen sich beide die Köpfe, als sie sich wieder aufrappeln wollten.

      Sie sanken wieder auf die Planken. Die „Isabella“ hatte mittlerweile den Kamm der Woge erreicht, neigte sich nun mit dem Bug nach vorn und hob ihren Achtersteven an. Die Talfahrt begann.

      Philip und Hasard rutschten auf dem Bauch unter der Koje hervor. Sie streckten ihre Hände von sich und linderten so den Aufprall an der gegenüberliegenden Wand. Sie sahen sich an – eisblaue Augen in eisblaue Augen – und lachten voll Begeisterung.

      Als die Galeone den Grund des Wellentals berührte, erhoben die Jungen sich. Von Seekrankheit konnte keine Rede sein, sie verspürten nicht das geringste flaue Gefühl in der Magengegend. Auf der Suche nach Eroberungen und Abenteuern, nach Abwechslung und Geheimnis stießen sie vom Logis aus mit torkelndem Schritt in den Vordecksgang vor. Wieder glitten sie aus und kullerten nach achtern – die „Isabella“ segelte einen neuen Wogenhang hinauf.

      Der Gang war eine vorzügliche lange Rutschbahn. Philip und Hasard rollten fast den Niedergang hoch, der an seinem achteren Ende in die Höhe führte, blieben dann aber auf den Holzstufen liegen, weil das Schiff nun wieder in die andere Position überwechselte.

      Sie stießen sich an und kicherten, dann war es soweit, sie konnten sich auf den Hosenboden setzen und auf der sich neigenden Bahn nach vorn rutschen, fast bis in den Bug hinein. Das war ein wunderbares Gefühl. Ein paarmal wiederholten sie es, dann hatten sie genug von diesem Spiel und stolperten in die angrenzenden Räume, um nach anderen Möglichkeiten des Zeitvertreibs zu suchen.

      Es war unumgänglich – sie mußten bei diesem Streifzug auf jenen Durchlaß im vorderen Kombüsen-Querschott stoßen, auf jene Tür, die vom Schiffsinneren aus die Verbindung mit der Kombüse herstellte. Diese Tür zeigte der Kutscher Neulingen an Bord der „Isabella“ keineswegs, denn er wußte, was er sich damit einhandeln konnte.

      So hatte er auch darauf geachtet, daß Philip und Hasard die Tür nicht sahen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, nach diesem Grundsatz richtete der Kutscher sein Handeln aus. Philip und Hasard mochten herzensgute Burschen sein, aber einer gewissen Versuchung konnten auch sie nicht widerstehen, wenn sie erst einmal ’rausgekriegt hatten, wie man heimlich in die Kombüse gelangte.

      Sicher, der Kutscher hielt die Tür stets sorgsam unter Verschluß. Aber es gab auch Momente, da hatte er sie gerade benutzt und wurde dann von Carberrys barschem Organ an Deck gerufen, hatte also keine Zeit mehr, die Tür zu verriegeln.

      Das war heute nachmittag der Fall gewesen.

      Jede Hand wurde auf Oberdeck gebraucht. Der Kutscher hatte eben noch die Feuer unter den riesigen Kesseln löschen können, dann hatte er lostraben müssen.

      Und da war sie also, die Tür, die als Barriere zwischen der Versuchung und der Verwirklichung gewisser Pläne stand.

      Dan O’Flynn war ein Mann geworden, es lag schon Jahre zurück, daß er das letzte Mal etwas aus dem Allerheiligsten des Kutschers stibitzt hatte. Bill, der Schiffsjunge, war nicht der Typ, der solche Attentate ausübte.

      Trotzdem wußte der Kutscher, warum er die innere Kombüsentür stets verschlossen hielt. Es gab immer noch ein paar „faule Kandidaten“ an Bord, mindestens zwei, denen man nicht trauen durfte. Wer von der Kuhl aus in die Kombüse pirschen wollte, der wurde garantiert vom Kutscher, vielleicht auch von Carberry oder einem anderen gestoppt. Wer aus Richtung Vordeck nahte und einen günstigen Moment wählte, der genoß fast Narrenfreiheit – wenn er es schaffte, die Tür zu öffnen.

      Nichts leichter als das jedoch! Hasard, der ältere der Zwillinge, brauchte nur seine Hand auf die Klinke zu legen, und schon öffnete sich die Tür.

      Sie fiel Hasard direkt entgegen, denn wieder vollführte die „Isabella“ im Sturmtreiben eine ihrer ungestümen Bewegungen. Der Junge konnte der auf ihn zurasenden Kante mit Not ausweichen. Dann knallte die Tür gegen die Längswand des Kombüsen-Vorraums. Philip und Hasard hatten Halt gefunden und krochen jetzt über die Schwelle.

      Als die „Isabella“ sich wieder aufrichtete, konnte Philip die Hand nach der Türklinke ausstrecken. Er packte sie und zog sie zu sich heran. Die Tür fiel in ihr Schloß. Von innen ließ sich ein Riegel vorlegen. Philip konnte dem Drang nicht widerstehen, er mußte ihn ausprobieren. Es gab einen harten, metallischen Laut, und der Eisenriegel saß fest.

      Hasard griff nach Philips Arm.

      Philip wandte sich erst jetzt um und spähte in den dunklen Raum. Zu erkennen war kaum etwas. Draußen war es fast so finster wie in der Nacht, und hier, im Vordeck, durfte wie im ganzen Schiff keine Lampe angezündet werden, weil dadurch im Sturm mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit ein Feuer entstanden wäre. Auch die letzte Glut des Holzkohlenfeuers war verglommen, so daß jede Regung in der Kombüse nur schwach und schemenhaft wahrgenommen werden konnte.

      Daß da aber eine Regung war, sahen die Zwillinge – und sie fuhren gleichzeitig zusammen.

      In einem der Kessel, der vom Kutscher nach allen Regeln der Kunst festgelascht worden war, damit er im Sturm ja nicht umkippen konnte – in diesem Kessel ruckte etwas hin und her. Nicht weit von dieser unheimlichen Erscheinung entfernt schwirrte und flatterte etwas auf und ab, hin und her, und dann ertönte auch noch etwas heiser und gepreßt Ausgestoßenes, das wie „Himmel, Arsch und Zwirn“ klang.

      Hasards Finger verkrampften sich um Philips Arm.

      „Da“, wisperte er. „Hast du das gesehen – und gehört?“

      „Ja …“

      „Was ist das nur?“

      „Laß uns weglaufen.“

      „Wie, hast du etwa Angst?“

      „Ich doch nicht“, zischte Philip empört. „Ich meine bloß, es wäre gut, wenn wir die Tür offenlassen würden – für alle Fälle.“

      „Dann öffne sie doch.“

      „Ich krieg sie nicht auf …“

      „Du bist zu dämlich.“

      „Du auch.“

      „Du


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