Seewölfe - Piraten der Weltmeere 300. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 300 - Fred McMason


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schwangen durch die Luft, kräftige Fäuste schlugen zu. Als die dicken Balken dumpf zu Boden polterten, nahte der kritische Augenblick.

      Alles hielt den Atem an, ob sich das neue Schiff auch gehorsam in Bewegung setzen würde, denn es war auf anderen Werften schon oft passiert, daß es sich nicht von der Stelle rührte. Das hätte Unglück für das Schiff und seine Mannschaft bedeutet. Doch die „Isabella IX.“ schien vom Glück begünstigt zu sein.

      Der Rumpf erzitterte leicht, ein Beben durchlief ihn. Dann begann er sich langsam in Bewegung zu setzen und glitt auf das Wasser zu.

      Die eingefettete Holzrampe begann zu qualmen, als das Schiff, mit der Breitseite voran, darüberrutschte.

      Unter großem Getöse, dem Hurrarufen der Menge, dem Beifall und der Musik rauschte der Neubau ins Wasser. Eine Welle türmte sich auf, das Schiff krängte leicht über, dann war Brodeln und Zischen zu hören. Die neue „Isabella“ schob sich weiter ins Wasser, bis Ben Brighton ein Zeichen gab.

      Alles klappte hervorragend. Der Decksälteste Smoky, der Profos und der Schiffszimmermann Ferris Tukker setzten den Anker, der klatschend auf Grund ging und die „Isabella IX.“ an langgesteckter Trosse leicht schwoien ließ.

      Die Seewölfe beglückwünschten sich gegenseitig und hieben sich krachend auf die Schultern, während die Zuschauer nun in Scharen auf die Bierfässer zustürmten. Vorsorglich hatte sich schon fast jeder mit einem riesigen Humpen bewaffnet, und so wurde das erste und gleich darauf auch das zweite Faß angesteckt.

      „Ar-we-nack!“ schrie die Seewölfe ihren alten Kampf- und Schlachtruf in den Morgen hinaus. Die Menge erschauerte, als sich der brüllende Ruf ein zweites und dann ein drittes Mal wiederholte.

      Hesekiel Ramsgate und der Seewolf gaben sich die Hand. Zwischen ihnen stand mit leuchtenden Augen Doc Abraham Freemont, der extra herbeigeeilt war, um der Schiffstaufe beizuwohnen.

      „Ein herrliches Schiff“, sagte Doc Freemont begeistert. „Da steckt wahre Schiffsbaukunst drin, Mister Ramsgate. Eine wirklich hervorragend gelungene Konstruktion, um die Sie die englische Navy geradezu beneiden wird, denn in ganz England gibt es nicht ein solches Schiff. Was geschieht denn jetzt weiter?“

      „Zunächst“, erklärte Ramsgate, „werden wir das Schiff verwarpen, das heißt, wir verholen es hinüber zum Ausrüstungskai. Dort wird es aufgeriggt und getakelt, dort erhält es seine Masten, sein laufendes und stehendes Gut, sozusagen den letzten Schliff. Dort werden auch die Kanonen eingesetzt. Kurzum, es wird ausgerüstet, Sir.“

      „Phantastisch“, sagte der Doc begeistert. „Ich verstehe zwar nicht sehr viel davon, aber ich glaube zu erkennen, daß es sich hier um eine grundlegende Neuerung handelt. Das Längen- und Breitenverhältnis des Schiffes ist ja direkt elegant. Außerdem scheint es außerordentlich stabil zu sein. Wie haben Sie das nur fertig gebracht?“

      „Wir haben sehr gutes Holz, Sir“, sagte Ramsgate bescheiden. „Aber den richtigen herzerfrischenden Anblick wird es erst bieten wenn es voll betakelt ist und unter Segeln steht, Sir. Das wird eine ganze Wolkenbank aus Segeln sein.“

      Doc Freemonts Augen ruhten wohlgefällig auf dem Neubau, dann entdeckte er den Kutscher, der bei ihm jahrelang gedient und von seinem medizinischen Handwerk etliches abgeguckt hatte, und er entschuldigte sich freudestrahlend.

      Die beiden Männer begrüßten sich freudig, ein Zeichen dafür, wie hoch der Kutscher in dem Ansehen des berühmten Arztes stand.

      „Wir feiern ja nachher noch zusammen“, sagte er.

      Inzwischen kehrte das kleine Beiboot mit den Männern, die an Bord den Anker gesetzt hatten, zur Werft zurück. Auf ihren Gesichtern lag Begeisterung. Ferris Tucker hatte einen direkt weltentrückten Blick.

      „Ich kann es gar nicht erwarten, bis wir in See gehen“, sagte er. „Bisher hat alles vorzüglich geklappt, alles lief so, wie wir es uns gewünscht haben.“

      „Ja, es ging alles gut“, sagte Hasard. „Möge uns das auch für später beschert bleiben. Wir werden das heutige Ereignis kräftig begießen. Morgen verholen wir dann zum Ausrüstungskai. Nun laßt euch nicht stören, langt kräftig zu und fangt endlich an.“

      Das war ein Tag ganz nach ihrem Herzen. Der Wind blies zwar immer noch kühl durch den Sound, doch hin und wieder drang die Sonne durch und schickte ein paar warme Strahlen herab. Über der riesigen Biermenge vergaß ohnehin jeder den Wind.

      Die Menge hatte sich weiter zurückgezogen und stand etwas abseits nach Freibier an, während die Seewölfe jetzt zum feuchten Teil des Stapellaufs übergingen. Um den Bug hatten sich der Wikinger und seine Mannen sowie der Franzose Jean Ribault versammelt. Nach und nach trafen fast alle dort ein, und das Besäufnis nahm seinen Anfang.

      Es wurde über das Schiff geredet, und jeder war gespannt darauf, wie es sich wohl unter vollem Preß in seinem Element verhalten würde.

      Ferris Tucker und der Profos hatten sich schon wieder am Haken, weil sie Vermutungen anstellten, die noch durch nichts bewiesen waren.

      „Insgesamt fahren wir elf Segel“, sagte Ferris, „Blinde, Schiebblinde und Besan mitgerechnet. Und das an mehr als überlangen Masten. Folglich sind die Segel auch größer, und das wird später vielleicht einige Schwierigkeiten beim Navigieren bereiten.“

      „Was hat das damit zu tun?“ polterte Ed los.

      „Ach ja, dir muß man das ja wieder extra verklaren“, sagte Ferris. „Wenn wir also so extrem groß getakelt sind, dann bietet die Gesamtsegelfläche dem Wind mehr Angriff. Und das eben vergrößert die Abdrift, wenn wir unter vollem Preß segeln.“

      „Glaube ich nicht“, sagte Ed abwehrend. „Dafür sind wir dann ja auch schneller.“

      „Das hat doch, verdammt noch mal, nichts mit der Abdrift zu tun.“

      „Wir driften nicht ab“, behauptete der Profos stur. „Und wenn, dann nur soviel wie mit den anderen Schiffen auch.“

      „Wollen wir das nicht in aller Ruhe abwarten und bei der Jungfernfahrt genau berechnen?“ fragte Ben Brighton, der sich aus dem riesigen Faß genüßlich einen Humpen Bier abzapfte. „Oder wollt ihr euch jetzt schon darüber streiten?“

      Hesekiel Ramsgate und Hasard erschienen und hörten gespannt zu. Der Wikinger hingegen kratzte wieder überlegend an seinem Kupferheim und dachte über das Problem mit der Abdrift nach.

      „Keine Spekulationen, die wieder in Streit ausarten“, sagte Hasard. „Heute ist ein besonderer Tag, und Vermutungen stellen wir nicht an. Auf der Probefahrt werden wir das alles sehen und erleben.“

      Statt einer Antwort grinste Edwin Carberry plötzlich über beide Ohren. Mit seinem breiten und wuchtigen Rammkinn deutete er auf die beiden O’Flynns, den alten und den jungen. Old O’Flynn stand auf seinem Holzbein neben den Balken, Planken und Stützen und blickte wohlwollend zu seinem Sohn Dan. Aber das schien nur so, denn genaugenommen blickte er haarscharf an ihm vorbei und schmunzelte.

      Neben Dan stand ein verführerisches Geschöpf, ein hellblondeslangbeiniges und grünäugiges Mädchen, das ihn mit verliebtem Blick anhimmelte und immer wieder nach seinem Arm griff.

      Dieses hübsche Mädchen hatte Dan vor ein paar Tagen in Plymouth kennengelernt, und von da an waren die beiden ein Herz und eine Seele.

      Natürlich war das wieder ein willkommener Anlaß für Lästereien.

      „Old O’Flynn lauert anscheinend auf eine Schwiegertochter“, sagte der Profos. „Seht nur sein Gesicht an! So heiter und fröhlich ist der doch sonst nie.“

      „Er freut sich auf kleine Enkelchen“, meinte Smoky anzüglich. „Wenn das der Fall sein sollte, dann wird er seine Schauermärchen umstellen und nur noch von seinem Enkel faseln, was der wieder für ein Kerl ist, und daß er schon Brustschwimmen in den Windeln gelernt hat.“

      „Und wenn das Enkelchen dann größer und rotziger ist“, sagte der blonde Schwede Stenmark, „dann wird Opa sein Holzbein abschnallen


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