Seewölfe - Piraten der Weltmeere 145. Kelly Kevin
murmelte Ben Brighton erschüttert.
„Spanischer Verband Steuerbord voraus!“ schmetterte eine Stimme vom Vorkastell her – und nach Lage der Dinge wirkte diese zackige Meldung fast komisch – falls ein vernunftbegabter Mensch in dieser Situation überhaupt noch etwas komisch finden konnte!
Hasard warf das Haar zurück. Seine Lippen bildeten einen harten, blutleeren Strich, ein kalter Glanz lag in seinen eisblauen Augen.
„Klar Schiff zum Gefecht!“ peitschte seine Stimme. „An die Kanonen! Batuti, Shane – klar bei Brandpfeile! Vielleicht holt uns heute der Teufel, aber er soll sich die Finger dabei verbrennen!“
2.
Schwerfällig rumpelten die beiden Wagen über die unbefestigte Straße.
Zügel klatschten, die Hufe der Maultiere stampften. Ringsum trieften die Büsche, Dampfschwaden stiegen auf und zogen sich als weißer, wabernder Nebel über den Hügelkuppen zusammen. Bilbao lag unter einer Dunstglocke. Der gleiche Dunst, der das enge Tal des Nervión füllte, der das Rauschen des Flusses dämpfte und der in einer halben Stunde schon wieder von der gierigen Sonne aufgesogen sein würde.
Der drahtige schwarzhaarige Mann auf dem Kutschbock lauschte aufmerksam in den Nebel.
Seine Fäuste umspannten die Zügel, die dunklen, tiefliegenden Augen glitten unstet umher. Er trug eine runde, weiche Mütze auf dem Kopf, genau wie der stiernackige Hüne neben ihm, wie die beiden Männer auf dem Bock des Planwagens, der dem flachen Bauernkarren folgte. Der Stiernackige hielt eine Arkebuse zwischen den Knien. Sein Kiefer bewegte sich, ab und zu spie er einen Strahl braunen Tabaksaft zur Seite.
„Läuft ja besser, als wir dachten“, murmelte er.
Der Baske neben ihm zog die Schultern hoch. Gian Malandrès glaubte nie daran, daß eine Sache gutging, bevor er sie zu Ende geführt hatte. Vor jedem Unternehmen prophezeite er, daß sie alle zur Hölle fahren würden. Trotzdem war ihm keine Übermacht zu groß, kein Bravourstück zu frech, kein Plan zu tollkühn. Gian Malandrès, der jüngere Bruder des großen, legendären El Vasco, ließ sich durch nichts und niemanden schrecken. Seit Jahren kämpfte er für ein freies Baskenland und gegen die Spanier – seit Seine Allerkatholischste Majestät, der König von Spanien, immer deutlicher zeigte, die Sonderrechte, die traditionellen „fueros“, der baskischen Provinzen einzuschränken. Sie waren keine Spanier, diese braunhäutigen, zähen Männer mit den runden Tellermützen. Sie hatten ihr eigenes Land, ihre eigene Sprache, ihre eigene Art zu leben – und die wollten sie behalten.
Gian Malandrès dachte an die Waffen, die sich auf den beiden Wagen stapelten.
Er grinste in sich hinein, um seine Augen und Mundwinkel enstanden winzige Fältchen. Sie waren vorsichtig geworden, die spanischen Herren. Nacht für Nacht kontrollierten sie die Straßen um Bilbao und den Außenhafen unten an der Flußmündung, seit die Waffentransporte zu den Rebellennestern in den Bergen überhandnahmen. Aber das konnte keinen El Vasco und keinen Gian Malandrès schrecken. Wenn die Spanier nachts ihre Fallen bauten, rollten die Wagen eben tagsüber ihren Zielen entgegen. Natürlich war so etwas Wahnsinn. Natürlich stand für Gian Malandrès jedesmal schon vorher fest, daß es eine Katastrophe geben würde. Aber am Ende ging es dann doch irgendwie gut – und heute halfen ihnen der Sturm, der Regen und jetzt der geisterhafte weiße Dunst.
Dennoch sollte El Vascos Bruder gerade heute mit seinen düsteren Prophezeiungen recht behalten.
Der Nebel wurde dünner, und die Sonne bohrte sich durch den Dunst wie ein zorniges Auge. Schwer legte sich die schwüle Hitze über das Land. Gian Malandrès spähte voraus, wo die Hügelflanken dichter zusammentraten, bis sie eine Art Hohlweg bildeten. Der Baske glaubte, eine Bewegung zwischen den Sträuchern gesehen zu haben, doch er kam nicht mehr dazu, seine Kameraden darauf hinzuweisen.
Jäh wurde es im Dickicht lebendig.
Waffen klirrten, rauhe Stimmen schrien Befehle. Spanische Befehle! Die beiden Basken zuckten zusammen, strafften sich – und da blühten im grauen Dunst schon die roten, strahlenden Feuerblumen auf.
Gian Malandrès spürte einen harten Schlag an der Schulter.
Wie ein Stoffbündel wurde er vom Bock geschleudert, verlor die Zügel und prallte schwer auf die Wegsteine. Mit einem schrillen, fast menschlichen Laut sprangen die Maultiere an und gingen durch. Schüsse knallten, Manner schrien, und wie durch ein dickes, weiches Polster hörte Malandrès den schmetternden Krach, mit dem der Wagen umstürzte.
Blindlings versuchte der Baske, sich auf die Seite zu wälzen.
Schmerz zuckte durch seinen Körper und tauchte seine ganze rechte Seite in das schreckliche Brennen von siedendem Öl. Malandrès zog scharf die Luft ein und kämpfte gegen die schwarzen Wogen, die in sein Hirn schwappten und ihn lähmen wollten. Irgendwie gelangte er auf die Knie und stützte sich mit der Linken hoch – da sah er den hohen, glänzend polierten Stulpenstiefel vor sich.
Der Tritt traf ihn hart und ließ von einer Sekunde zur anderen sein Bewußtsein erlöschen.
„Klar bei Brandsätze!“
Hasards Stimme gellte über die Decks. Sein Blick hing an den fünf spanischen Kriegsgaleonen, die immer noch in Kiellinie gestaffelt stur ihren Kurs liefen. Aber es gab keinen Zweifel daran, daß sie die „Isabella“ gesehen hatten. Und es stand ebenso zweifelsfrei fest, daß sie sich im Vollgefühl ihrer Übermacht diesen fetten Happen nicht entgehen lassen würden.
Die angeschlagene, vom Sturm zerraufte „Isabella“ mußte sich ihrer Haut wehren. Es war keine Frage, daß sie diesmal die Raketen mit dem chinesischen Feuer einsetzen würden – das letzte Mittel, das sie sich stets für Fälle aufgespart hatten, in denen alles andere versagte.
In aller Eile wurden die unscheinbaren Gestelle mit den Bronzerohren an Deck gemannt.
Hasard beobachtete den Verband mit schmalen Augen. Gleich würden die beiden vordersten Galeonen über Stag gehen, um die Beute in die Zange zu nehmen. Und da war auch noch jenes andere Schiff – der Dreimaster, der von Nordosten heranrauschte und dessen Absichten sie nicht kannten.
„Deck!“ schrie Bill aus dem Großmars. „Galeone Backbord voraus fällt ab. Ich glaube, das ist ein Holländer!“
„Was heißt das, du glaubst?“ brüllte Hasard, ohne den feindlichen Verband aus den Augen zu lassen.
„Ihr Name ist ‚Hoek van Holland‘, Sir!“ rief Bill prompt. „Das klingt ziemlich holländisch, finde ich! Sie hat gehalst! Ich glaube – eh – sieht aus, als wollte sie uns helfen, Sir!“
So sah es wirklich aus.
Es sei denn, die Galeone mit dem Namen „Hoek van Holland“ hatte sich platt vor den Wind gelegt, um den Kurs des spanischen Verbands zu kreuzen und so rasch wie möglich Abstand von dem sich anbahnenden Gefecht zu gewinnen. Ganz kurz schwenkte Hasard das Spektiv nach Nordosten hinüber. Genau in dem Augenblick, in dem auf der „Hoek van Holland“ die Stückpforten fielen und die Kanonen ausgerannt wurden.
Nein, das sah nicht nach Flucht aus.
Die Fremden dort drüben wollten den Spaniern ein paar feurige Grüße schicken. Damit bewiesen sie eine Menge Mut, da sie von den Brandsätzen ja nichts ahnen konnten, und schon mit ihrer ersten Aktion brachten sie die Taktik des Verbandes durcheinander.
Wenn die spanische Führungsgaleone jetzt anluvte und durch den Wind ging, würde sie selbst zwischen der „Isabella“ und der „Hoek van Holland“ in eine tödliche Zange geraten.
Der spanische Capitan begriff das sofort.
„San Cristobal“ hieß sein Schiff – die Buchstaben am Bug leuchteten in der Sonne. Befehle gellten. Statt anzuluven, fiel die Galeone ab. Mit halbem Wind ging sie auf Nordostkurs, um die Absicht der „Hoek van Holland“ zu durchkreuzen.
Hasard lächelte grimmig.
Die zweite spanische Galeone, die „Esperanza“, würde