Seewölfe - Piraten der Weltmeere 179. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 179 - Fred McMason


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      Vermeulen hatte die Augen geschlossen. Er fühlte überdeutlich, wie das schlagartig gestoppte Schiff rasend schnell nach unten fiel.

      Planken begannen zu ächzen, im Schiff krachte und knackte es, und dann schlug eine donnernde See in die Backbordseite und ließ die „Godewind“ hart überkrängen. Oben, unten, an den Seiten, überall war Wasser, eisiges, kaltes Wasser, das schäumend und gurgelnd überall herumlief und sie fast erstickte.

      Die „Godewind“ blieb so liegen, pausenlos überflutet von den eisigen Seen, immer weitergeschoben, geknüppelt und gepeinigt. Sie ächzte und stöhnte wie ein krankes Tier, und als sie sich später wieder etwas aufrichtete, geschah das langsam und schwerfällig.

      Die Sturzsee hatte die Verschanzung zerschlagen, die Kombüse zu einem Teil eingedrückt und die Niedergänge zur Back zertrümmert.

      Arie Vermeulen richtete sich mühsam auf. Er hatte das Gefühl, als wäre ihm jeder einzelne Knochen zerschlagen worden.

      Mit schwacher Stimme rief er nach seinen Leuten.

      Sie meldeten sich. Sie hatten Blutergüsse, Verstauchungen, Prellungen und blutende Wunden, und sie hatten soviel Salzwasser geschluckt wie nie zuvor in ihrem Leben.

      Der Kaventsmann war vorüber, aber das Schiff sah aus wie ein Trümmerhaufen. Wie Strandgut trieb es in der wilden See.

      Arie Vermeulen schickte ein kurzes Gebet in die Nacht. Es war ein Wunder, daß sie es noch einmal geschafft hatten. Aber sie lebten, und die „Godewind“ schwamm ebenfalls noch.

      Nur ihre leichte Schlagseite behielt sie bei.

      2.

      Am siebzehnten Tag ihrer höllischen Sturmfahrt begann der eisige Wind ein wenig abzuflauen.

      Die Wogen gingen immer noch haushoch, aber jetzt konnten sie wenigstens darangehen und einigermaßen aufklaren.

      Die Fockmastrah wurde wieder angeschlagen und ein Sturmsegel gefahren.

      Danach ging es in die beiden Laderäume.

      Arie Vermeulen sah sich um und schüttelte den Kopf.

      „Kaum etwas verdorben“, sagte er zu dem blonden Bootsmann de Jong. „Und das, obwohl das Wasser mehr als fußhoch in den Räumen steht.“

      Fässer mit Gewürzen schwammen in der Brühe. Einige waren zerplatzt und hatten ihren Inhalt verstreut, aber die meisten waren heil geblieben und hatten den Sturm überstanden.

      Mit einiger Mühe wurden die beiden Räume gelenzt und auf Lecks untersucht.

      Vermeulen konnte es kaum fassen, als sie lediglich ein winziges Leck entdeckten. Wasser drang nur ganz schwach ein, sobald die Wellen hart dagegen schlugen.

      Mit einem Stück Speck wurde das Leck abgedämmt. De Jong schlug ein Holzstück darüber und nagelte es mit Kupfernägeln in den Planken fest. Damit war das Leck abgedichtet.

      Den Besan konnten sie nicht ersetzen, es gelang ihnen lediglich, einen Teil des zertrümmerten Schanzkleides provisorisch wieder zu erstellen. Auch das Kombüsendach wurde abgedichtet.

      Dennoch war ihr Schiff schwer angeschlagen.

      „Mehr können wir nicht tun“, sagte der Kapitän. „Es sei denn, wir finden irgendwo Land und können eine Bucht anlaufen. Ich bin froh, daß die Ladung nicht zerstört oder verdorben ist.“

      „Wo sind wir, Cap? Was denkst du?“ fragte Conrad te Poel, einer der Rudergänger.

      Vermeulen strich sich über den wuchernden Bart. Seit mehr als drei Wochen hatte er sich nicht mehr rasiert, und jetzt sah er ziemlich verwildert aus.

      „Ich weiß nicht, verdammt, aber irgendwo ziemlich hoch im Norden stehen wir.“

      „Aber nicht da, wo wir wollten, Cap!“

      „Nein, wir sind nach Nordosten getrieben, und wir treiben immer noch in dieselbe Richtung.“

      „Wenn wir kreuzen …“, sagte de Jong, aber Vermeulen unterbrach ihn mit einer kurzen Handbewegung.

      „Mit einem lausigen Sturmsegel kreuzen wir bis in alle Ewigkeit, ohne uns von der Stelle zu rühren. Wir lassen uns in die Richtung treiben, in die der Wind uns jagt. Einmal werden wir wieder Land sichten.“

      „Das kann dauern, Cap!“

      „Einmal sichten wir trotzdem Land“, beharrte Vermeulen. „Und wenn es noch ein paar Wochen dauert.“

      „Aber es wird immer kälter“, wandte de Jong ein. „Wie wir gehört haben, soll es ganz oben im Norden nicht einmal mehr Bäume und auch keine Lebewesen mehr geben.“

      „Weißt du eine bessere Lösung?“

      „Nein, Cap.“

      „Also segeln wir mit dem Sturmsegel weiter, und zwar so lange, bis wir Land sichten.“

      Bei den letzten Worten war Vermeulens Stimme hart und unnachgiebig geworden.

      De Jong nickte hastig. Arie war der Cap, und wenn der sagte, sie segelten weiter, bis sie Land sichteten, dann, zum Teufel, würde Arie Vermeulen auch so lange segeln, bis er einen Landstrich sah. Und wenn es Jahre dauerte!

      „Sag Visser, er soll versuchen, eine heiße Brühe zu kochen. Mein Magen hängt bis ins Kielschwein runter. Wir haben in den letzten Tagen nichts Warmes mehr gekriegt“, sagte Vermeulen zu de Jong.

      Immer noch donnerten die Brecher über Deck, und die See schäumte wild. Vermeulen schätzte die Windkraft noch auf Sturmstärke, aber gegen den zwei Wochen andauernden tobenden Orkan war das hier schon fast ein Kinderspiel.

      Er wunderte sich immer noch, daß sie alles fast heil überstanden hatten und die „Godewind“ nicht mit Mann und Maus untergegangen war. Immerhin – drei Männer mußten ihr Leben lassen, und das nagte und fraß innerlich an ihm. Nichts, rein gar nichts hatte er tun können, um sie zu retten!

      Etwas später hatte Visser, der jetzt die Stelle des ertrunkenen Kochs einnahm, es tatsächlich geschafft, in der ramponierten Kombüse ein Feuer zu entzünden.

      Die Fleischbrühe mit Einlage, die dann fertig war, erschien ihnen wie ein Geschenk des Himmels. Sie wärmte die Hände, den Magen, und sie sättigte.

      „Danach fühlt man sich wie neugeboren“, sagte Visser, ein hagerer, drahtiger Mann mit einem Fuchsgesicht. „Allerdings werden wir künftig nur noch eine warme Mahlzeit am Tag haben.“

      „Wir haben länger als zehn Tage nichts Warmes gehabt“, erwiderte Vermeulen verächtlich. „Aber wieso sagst du das?“

      „Weil wir nicht mehr viel Holz haben“, erwiderte Visser lakonisch.

      „Wir haben genügend Holzkohle an Bord“, protestierte Vermeulen.

      „Wir hatten, Cap! Jetzt nicht mehr. Dort, wo wir sie aufbewahrten, hat das Wasser alles kurz und klein geschlagen und die Holzkohle über Bord gewaschen.“

      Er zeigte mit der ausgestreckten Hand zur Kombüse, neben der früher ein hölzerner Kasten an Deck befestigt gewesen war. Jetzt ragten nur noch die zerfetzten Kanten einiger Bretter hervor. Alles andere hatte die See verschlungen.

      Vermeulen stieß einen lauten Fluch aus.

      „Wieviel haben wir noch?“

      „Das, was in der Kombüse lag. Zwei oder drei kleine Säcke, mehr ist es nicht.“

      „Dann gib nur acht, daß die nicht auch noch über Bord gehen, sonst können wir uns aufhängen.“

      Zwei Stunden später flaute der Sturm etwas ab. Immer noch ging die See hoch, und die Dünung hatte Schaumkronen, aber die Wellen leckten nicht mehr über das Deck. Sie donnerten nur noch gegen die Bordwände.

      Der Himmel war von einem trüben, naßkalten Grau, seltsam konturlos und deprimierend. Dunst


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