Seewölfe - Piraten der Weltmeere 77. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 77 - Fred McMason


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los. Sie polterten über Deck und jagten auf das Schanzkleid zu.

      Siri-Tong schloß die Augen. Aber sie hörte das fürchterliche Krachen und Bersten, mit dem die schweren Kanonen das Schanzkleid zerschlugen, daß die Splitter nach allen Seiten flogen.

      „Jetzt kann wenigstens das Wasser ungehindert ablaufen“, sagte der Boston-Mann trocken.

      Sie waren fast eine Stunde durch den Sturm geknüppelt und ein Ende war nicht abzusehen. Noch war der Himmel dunkel bewölkt, aus der schwefligen Wolkenbank war ein schwarzes Ungeheuer geworden, aus dem pausenlos grelle Blitze zückten.

      Niemand an Bord der Karavelle glaubte noch an eine Rettung. Da halfen selbst die Trossen nicht mehr, die sie ausgelegt hatten.

      2.

      Den Männern auf der „Isabella“ erging es nicht viel besser. Schon rechtzeitig hatte Hasard überall an Deck Strecktaue spannen lassen, noch bevor der Höllentanz losging.

      Jetzt segelte die ranke Galeone nur mit einer Sturmfock gegen das Geheul und Gewimmer, Kreischen und Brausen an. Um sie her war die Hölle, ein kochendes, wild bewegtes Meer, aus dem quirlende Berge stiegen, die sich alle paar Sekunden verwandelten.

      Hasard hatte drei Männer ans Ruder stellen lassen. Pete Ballie konnte das schwere Rad bei diesem Seegang längst nicht mehr allein halten. Sogar die drei Männer hatten Mühe, sobald sich das Heck des Schiffes aus der See hob, nicht durcheinanderzufallen, weil ganz plötzlich der Widerstand fehlte. Dann, wenn das Ruderblatt eintauchte, begann eine harte Plackerei. Aus dem Ruderhaus vernahm man ellenlange Flüche, und einer schien den anderen dabei immer überbieten zu wollen.

      Hasard stand an der Schmuckbalustrade des Achterkastells. Die Gedanken, die ihn bewegten, galten nicht der „Isabella“. Sie war ein gutes Schiff, das man getrost durch jeden Wirbelsturm knüppeln konnte. Sie war stabil, widerstandsfähig und aus gutem Holz gebaut. Sie vertrug unheimlich viel, deshalb konzentrierte sich seine Sorge immer mehr auf die Karavelle.

      Auch der Zweimaster war rank und schlank und ließ sich gut segeln, doch dieses Wetter war einfach zuviel für ihn. Immer wieder blickte Hasard achteraus, wo die Karavelle gegen die dicke See ankämpfte. Mal jagte sie wie ein gehetztes Wild übers Wasser, dann wieder schien sie stillzustehen.

      Jetzt war sie in eine riesige Wolke Gischt gehüllt, ein schwerer Brecher überschwemmte sie und ließ sie für eine ganze Weile verschwinden.

      Aus dem Ruderhaus drang immer noch Stenmarks, Pete Ballies und Dans wüstes Fluchen. Damit reagierten sie nur ihre Hilflosigkeit ab. Ed Carberry hangelte sich an den Tauen zum Achterkastell. Auch er warf immer wieder einen Blick auf die Karavelle. Er war durchnäßt und schüttelte das Wasser aus seinen Haaren.

      „Mist, verfluchter!“ schrie er, um das Brausen zu übertönen, was ihm auch mühelos gelang. „Sieht so aus, als würde die Karavelle gleich absaufen, Hasard. Der Besan ist über Bord gegangen. Ich glaube, sie schaffen es nicht.“

      „Und wir können ihnen nicht einmal helfen“, sagte Hasard mit unterdrücktem Ärger in der Stimme. „Wir können uns selbst nur halten, indem wir auf dem Kurs bleiben.“

      Ja, natürlich, das wußten sie alle. Irgendwann einmal war der Punkt erreicht, an dem ein Schiff dem anderen nicht mehr helfen konnte, ohne selbst zu kentern. Genausowenig war an ein Abschleppen zu denken, denn die See würde jede Leine, jede Trosse kurz und klein schlagen und nicht einmal die Verbindung zwischen zwei Schiffen zulassen.

      In der brodelnden Gischt sahen sie nur undeutlich und verzerrt, wie die Männer der Roten Korsarin daran gingen, den Mast endgültig von dem stehenden Gut zu befreien. Als ihnen das endlich gelungen war, atmete Hasard erleichtert auf.

      Doch gleich darauf ereignete sich das neue Unglück, als die beiden Kanonen das Schanzkleid durchschlugen.

      „Denen bleibt heute auch nichts erspart“, murmelte Ben Brighton. „Wenn wir diesen Sturm abgeritten haben, dürfte die Karavelle nur noch ein halbes Wrack sein. Dann können wir die Fahrt nach Tortuga abschreiben.“

      „Das wäre nicht weiter schlimm“, erwiderte Hasard, „Tortuga läuft uns schließlich nicht davon. Aber …“ er zuckte mit den Schultern, „ob sie wenigstens noch bis zur ersten Caicos-Insel durchhalten?“

      Niemand wußte eine Antwort darauf. Ein himmelhoher Brecher verwehrte ihnen außerdem das Sprechen, denn gerade walzte er heran und schob sich brüllend und schäumend über das Schiff. Das Wasser stieg blitzartig, ein riesiger Schwall dröhnte über Deck und füllte die Kuhl bis in Höhe der Nagelbänke. An den Masten stieg es wild brüllend empor, bis die „Isabella“ sich dem gewaltigen Druck beugte und gehorsam hart nach Backbord überholte. Der Kränkungswinkel war so groß, daß manch anderes Schiff sich nicht mehr aufgerichtet hätte.

      Die Welle, die die „Isabella“ in allen Verbänden erbeben ließ, raste weiter wie ein zornerfülltes Ungeheuer auf die Karavelle zu.

      Die Seewölfe befürchteten das Schlimmste. Würde der Zweimaster dem ungeheuren Druck dieser gewaltig heranbrausenden Wassermasse widerstehen können? Bange Sekunden folgten.

      Die Karavelle verschwand in der schäumenden See wie ein kleines Spielzeugschiff. Sofort danach ritt sie hoch oben auf dem Kamm der Woge und wurde in rasender Eile fortgetragen. Dann folgte der Aufprall in das nächste Wellental, und wieder entschwand sie ihren Blikken.

      Hasard glaubte das Krachen und Bersten zu hören, aber das war ein Irrtum, denn noch immer tobte der Sturm so wild, daß er jedes andere Geräusch überlagerte.

      Dennoch hatte die Karavelle bei diesem Höllenritt wieder etwas abgekriegt. Das Schanzkleid war noch weiter zersplittert und die eine Spiere des vorderen Mastes war geknickt.

      „Himmel und Hölle!“ schrie Tukker, der sich ebenfalls auf dem Achterkastell befand. „Nimmt denn dieser wahnsinnige Ritt überhaupt kein Ende mehr? Verflucht, es geht nicht um uns, unsere Tante hält das aus, aber der nächste Brecher zertrümmert den Zweimaster doch endgültig.“

      „Und dabei haben sie ebenfalls Trossen ausgelegt. Ohne sie wäre es wohl noch schlimmer geworden.“

      Mehr als eine Stunde lang rannte die Karavelle gegen die See an, die sie immer mehr peinigte, die mit ihr spielte, Löcher in sie hineinschlug, sie tanzen ließ, bis das Schiff nur noch ein wild schlingerndes, völlig außer Kontrolle geratenes Etwas war, das sich nicht mehr steuern ließ. Zuletzt hatte eine Woge auch noch das Ruderblatt zerschmettert.

      Hätte der Sturm in dieser Minute nicht nachgelassen, dann wäre es um den Zweimaster und die ganze Crew geschehen gewesen. Die See hätte sich das dwars treibende Schiff geholt.

      So aber klarte es jetzt allmählich auf. Die schwarzen Wolken zogen weiter, hin und wieder drang einmal die Sonne durch, und dann beruhigte sich auch langsam das Meer, das zuvor noch so wild gebrüllt hatte.

      Auf der „Isabella“, wurde in aller Eile aufgeklart. Es war nicht viel, der Sturm hatte keine sichtbaren Schäden hinterlassen.

      Aber hinter ihnen trieb der Zweimaster vor Topp und Takel, und Hasard sah sich genötigt, das beschädigte Schiff in Schlepp zu nehmen, sonst soff es doch noch ab.

      Auf der „Isabella“ stand noch die Sturmfock. Der Wind hatte jetzt gedreht. Die Galeone segelte mit Steuerbordhalsen am Wind, als Hasards Kommando erfolgte.

      „Klar zum Halsen. Schlepptrossen bereit legen!“

      Das Großsegel war noch aufgegeit und der Besan geborgen. Pete Ballie drehte das Ruder nach Backbord. An den Brassen standen die Männer, bereit die Rahen vierkant zu brassen.

      Der Profos war wieder in seinem Element und sparte nicht mit gesalzenen Ausdrücken.

      „Rum die Brassen, ihr Kakerlaken, willig, willig! Und glotzt nicht immer nach den paar Wellen, die über Deck gehen. Das erspart euch morgen die ganze Wäscherei. Vierkant brassen, habe ich gesagt, ihr Rübenschweine. Gut so!“

      „Mann, wenn unser guter Ed nicht wäre“,


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