Seewölfe - Piraten der Weltmeere 200. Kelly Kevin

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 200 - Kelly Kevin


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Jahre lang lebte er unter Araukanern an der Westküste des neuen Kontinents.

      Mit zweiundzwanzig Jahren geriet er unter einen wilden Piratenhaufen, der die südamerikanische Küste heimsuchte. Ein paar Jahre später hatte er wieder ein eigenes Schiff, eine Karavelle, die er „Candia“ nannte – nach jener Insel im Mittelmeer, von der sein Vater ihm soviel erzählt hatte.

      Mit seiner bunt zusammengewürfelten Crew überquerte er den Pazifischen Ozean, segelte ins Chinesische Meer und später weiter nach Süden, trieb Handel, raufte sich mit Spanieren und Portugiesen herum und wurde im ständigen Kampf um seine Freiheit allmählich zu Stahl geschmiedet. Bis ihn dann eines Tages ein Wind ans Gestade einer kleinen Insel verschlug, die Annampar hieß. Und dort begegnete ihm sein Schicksal.

      Nicht Abu Bashri, der selbsternannte Mogul.

      Der gefiel ihm ungefähr so gut wie Sturm, Skorbut und Pest an Bord zusammengenommen. Erland Surraj war entschlossen gewesen, so schnell wie möglich die Anker zu lichten und das obskure Königreich mit seinem größenwahnsinnigen Herrscher achteraus zu lassen. Aber bevor das geschah, traf er Abu Bashris Tochter, die schöne Rhana, und von dieser Sekunde an war es um ihn geschehen.

      Abu Bashri hätte jedem den Kopf eingeschlagen, der den Gedanken laut werden ließ, er könnte seine Prinzessin, seinen vergötterten Liebling diesem hergelaufenen Abenteurer zur Frau geben.

      Aber die schöne Rhana hatte ihren eigenen Kopf. Und sie wußte ihn durchzusetzen, denn der allmächtige Mogul von Annampar war Wachs in ihren zarten Händen. Zwei- oder dreimal versuchte er, „Unfälle“ zu arrangieren, denen Surraj zum Opfer fallen sollte. Beim drittenmal wurde er schwer verletzt. Rhana erkrankte daraufhin, und der Leibarzt des Moguls, mit Gewalt in die Sklaverei des Inselkönigreichs verschleppt, gönnte sich seine kleine private Rache, indem er Abu Bashri davon überzeugte, die Prinzessin werde die Trennung von dem eurasischen Abenteurer nicht überleben.

      Der Mogul gab zähneknirschend nach.

      Dem äußeren Schein nach fand er sich mit dem unerwünschten Schwiegersohn ab. Sein Haß jedoch blieb ungebrochen. Das änderte sich auch nicht, als Yabu geboren wurde, der ersehnte männliche Erbe, und zwei Jahre später die kleine Yessa.

      Um Rhanas willen bemühte sich Erland Surraj um ein friedliches Zusammenleben, doch er konnte nicht aus seiner Haut.

      Seine bloße Existenz genügte, um Unruhe zu stiften. Er haßte die Sklaverei, er behandelte seine Diener wie Menschen und schützte die Eingeborenen vor Übergriffen, so gut er konnte. Vor allem hielt er die Hand über seine beiden Kinder, die er zu vernünftigen Menschen erzog und denen er mehr beibrachte, als sich in prächtigen Gewändern von allen Seiten bedienen zu lassen.

      Glückliche Jahre vergingen, trotz des unversöhnlichen Hasses, mit dem Rhanas Vater den unerwünschten Schwiegersohn verfolgte.

      In seinem Haus war er sicher und konnte das Leben führen, das er wollte. Nur einmal versuchte Abu Bashri, einen gedungenen Mörder zu schicken. Der Mann tauchte nie wieder auf. Denn die Sklaven, die das Glück hatten, als Surrajs persönliches Eigentum zu gelten, waren bereit, sich für ihn in Stücke hacken zu lassen. Oder, je nachdem, auch jemand anderen in Stücke zu hacken, wenn sie den Verdacht hatten, daß er ihrem Herrn übel wollte.

      Es ging gut, solange Rhana lebte.

      Für Surraj war ihr Tod ein schwerer Schlag, denn er hatte, sie über alles geliebt. Und er wußte genau, daß Abu Bashri jetzt die Stunde der Abrechnung gekommen sah. Allein hätte sich Erland Surraj ohne Schwierigkeiten retten können. Aber er dachte nicht daran, seine Kinder einem wahnsinnigen Tyrannen zu überlassen.

      Mit Yabu und Yessa und einer kleinen Gruppe von Sklaven floh er auf der alten „Candia“.

      Aber so weit er auch floh, der selbsternannte Mogul von Annampar blieb ihm auf den Fersen. Surraj hätte er vielleicht ziehenlassen, nicht aber die Kinder, die er als sein Eigentum betrachtete, als die Erben seiner angemaßten Herrschaft. Mit der Tiger-Flotte jagte er die „Candia“ kreuz und quer über den pazifischen Ozean.

      Keine Insel war zu einsam, kein Versteck entlegen genug: Erland Surraj gelangte nicht zur Ruhe. Wie ein Verdammter der Meere mußte er von Ort zu Ort fliehen und immer wieder im Stich lassen, was er aufgebaut hatte. Selbst hier, in der Einsamkeit der australischen Küste, hatte Abu Bashri ihn aufgespürt. Und diesmal war es der Tiger-Flotte endgültig gelungen, die „Candia“ zu zerstören.

      Surraj war den schwimmenden Palästen des Moguls genau vor die Rohre gelaufen, als er im Sturm aus der Bucht segelte, um das verschollene Boot mit Yabu und Yessa zu suchen.

      Als die „Candia“ auf die Klippen geschleudert wurde und die Männer verzweifelt versuchten, sich ans Gestade zu retten, war Surraj geblieben, um seinen Freunden den Rükken freizuhalten. Dann hatte er sich Abu Bashri gestellt. Ihm blieb keine Wahl. Er wußte, was ihn erwartete, wenn er seinem Todfeind lebendig in die Hände fiel. Er nahm es auf sich, weil er wußte, daß nur Abu Bashri die beiden Kinder jetzt noch retten konnte und daß ihm jemand sagen mußte, was geschehen war.

      Ein vergebliches Opfer.

      Der Mogul glaubte seinem Gefangenen kein Wort. Für ihn stand fest, daß Yabu und Yessa zusammen mit den Sklaven in irgendein Versteck geflohen waren. Nichts konnte ihn davon abbringen, und um herauszufinden, was er für die Wahrheit hielt, war ihm kein Mittel zu grausam.

      Erland Surraj sah keine Hoffnung mehr für Yabu und Yessa.

      Er glaubte sich am Ende seines Lebens angelangt und hatte nur noch einen langsamen, qualvollen Tod vor Augen.

      Aber das Schicksal wollte es anders.

      Mit einem tiefen Atemzug strich sich der Eurasier das Haar aus der Stirn.

      Sein Blick schien von weit her zurückzukehren. Er schüttelte den Kopf, als könne er auf diese Weise die schmerzlichen Erinnerungen verscheuchen.

      „Den Rest der Geschichte kennen Sie“, sagte er leise. „Es erscheint mir wie ein Wunder. Ich kann es immer noch nicht ganz glauben.“

      Der Seewolf nickte nur.

      Sein Gesicht war ungewöhnlich ernst geworden. Denn auch in ihm hatte die Geschichte des Eurasiers Erinnerungen geweckt. Erinnerungen an Gwen, seine Frau, die ertrunken war, an die Jahre, in denen er hatte glauben müssen, daß seine Söhne nicht mehr lebten.

      Erland Surraj wußte von alldem nichts. Aber er verstand sich darauf, in menschlichen Gesichtern zu lesen. Und was er in den harten, wettergebräunten Zügen dieses schwarzhaarigen Riesen mit den eisblauen Augen las, das ließ ihn begreifen, daß er hier auf einen Mann getroffen war, wie man ihm auf allen sieben Meeren vielleicht nur einmal begegnete.

      An keinen anderen Mann hätte der Eurasier in dieser Situation noch eine zusätzliche Bitte gerichtet. Jetzt tat er es, denn er spürte, daß er sich nicht davor zu scheuen brauchte.

      „Meine Freunde sind ins Landinnere geflohen“, sagte er. „Sie haben sooft für mich gekämpft. Ich möchte sie nicht im Stich lassen.“

      Hasard nickte nur. „Haben Sie eine Vorstellung davon, wohin sie sich gewandt haben könnten?“

      „Ich weiß es. Wir konnten schon oft nur mit knapper Not entkommen. Deshalb haben wir für den Fall, daß wir getrennt würden, einen Treffpunkt vereinbart. Eine kleine Bucht nördlich des Kaps. Aber es ist ein weiter Weg, und die Eingeborenen dort werden Fremde vielleicht als Feinde betrachten.“

      „Können Sie mir die Bucht auf der Karte zeigen?“

      „Selbstverständlich.“ Surraj stockte. „Würden Sie mich dort absetzen? Und Yabu und Yessa an Bord behalten, bis ich festgestellt habe, daß keine Gefahr besteht?“

      Hasard lächelte leicht. Er fing einen Blick des Kutschers auf, doch er wäre ohnehin nicht auf den Gedanken gekommen, den verletzten, geschwächten Eurasier bei dem Unternehmen allein zu lassen.

      „Wir werden ein Landkommando absetzen“, sagte er ruhig. „Ich nehme an, daß einige Ihrer Freunde die Hilfe des Feldschers und sicher alle etwas Ruhe


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