Seewölfe - Piraten der Weltmeere 578. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 578 - Fred McMason


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      Anfangs brach er in die Palazzi reicher Bürger ein, doch viele von ihnen hielten scharfe Hunde, und gegen die richtete selbst Santito nichts aus, denn die Köter bissen schneller zu, als der Heilige seine Hand dazwischenschieben konnte.

      Dann verlegte er sich auf Taschendiebstahl, und da paßte sein Heiliger scharf auf und war ständig um ihn herum. Luigi wurde nur zweimal erwischt – ein beachtlicher Umstand bei etwas mehr als tausend Diebstählen.

      Nachdem er schon einen Beutel Dukaten zusammengeklaut hatte, ging er wieder zu der Wahrsagerin. Er fühlte sich schlapp und müde, ausgemergelt und krank, und jeder Dottore hatte nur mit den Schultern gezuckt, ihm drei Dukaten abgeknöpft und ihm dann eine Mixtur verschrieben, die gar nichts bewirkte, außer, daß sie einen Dukaten kostete und es dem Quacksalber immer besser ging und ihm, Luigi, immer schlechter.

      „Dir hilft nur noch eine Pilgerfahrt ins Heilige Land, Luigi, sonst hilft dir gar nichts mehr. Wenn du aber erst in Jerusalem bist, wirst du sofort geheilt, das ist ganz sicher, so sicher, wie ich für meine Voraussage drei Dukaten erhalte.“

      „Bist du ganz sicher?“ fragte Luigi.

      Die Wahrsagerin deutete auf die Kugel vor ihrem Tisch, die in allen nur denkwürdigen Farben schillerte.

      „Ganz sicher“, erwiderte sie. „Der magische Nebel lügt nicht. Du mußt ins Heilige Land reisen, nur dort wirst du Hilfe erfahren.“

      Luigi kaufte sich ein sackartiges Gewand mit Kapuze, erwarb eine Passage nach Jaffa und stellte sich geduldig in der endlosen Schlange der Wartenden auf.

      Vor ihm standen mindestens vierzig schweigsame Mönche, die ebenfalls geduldig warteten.

      Bald wurde Luigi die Zeit zu lang, und er begann sich zu langweilen.

      Mal sehen, was so ein Betbruder in seinen frommen Taschen hat, dachte er. Die können ja auch nicht blanko ins Gelobte Land reisen.

      Es war erstaunlich viel, was er da unbemerkt zutage förderte. Einer der frommen Pilger trug seine Geldkatze recht sorglos mit sich herum. Ein zweiter hatte Dukaten lose in der Tasche. Ein anderer trug sie in einem Schnupftuch spazieren, und wieder ein anderer glaubte ganz schlau zu sein und hatte sie sich in einem Lederbeutel um den Hals gehängt.

      Na, viel gelernt haben die frommen Pilger in ihrem Leben aber noch nicht, dachte Luigi. Jetzt werden sie um eine Erfahrung reicher sein.

      Es waren schöne blitzende Dukaten, die mit heiligen Bildern geschmückt waren. Auf einer war der heilige Markus zu sehen, wie er dem knienden venezianischen Dogen Francesco Foscari, der vor weniger als zweihundert Jahren regierte, seine Standarte überreichte.

      Etliche Dukaten trugen die Inschrift: „Sit tibi Christe datus quem te regis iste ducatus.“

      Mit diesem erbeuteten Geld der frommen Brüder hätte Luigi ein paarmal ins Heilige Land reisen können, doch es kam alles anders, und ganz Venedig sollte wegen Luigi Batiste fast kopfstehen.

      Das Gewimmel war beängstigend. Überall wurde geschubst, gestoßen und heimlich getreten, damit auch jeder nur rechtzeitig seinen Platz in der qualvollen Enge erreichte.

      Luigi hielt sich mitten zwischen den Mönchen auf. Da fühlte er sich am sichersten. Denn wenn jetzt einer Zeter und Mordio schrie, daß man sein Geld entwendet habe, dann würde ihm das keiner zutrauen und auch keiner beweisen können. Der Lederbeutel des einen lag mittlerweile leer im Wasser, die Geldkatze schwamm ebenfalls irgendwo herum, und das Schnupftuch hatte Luigi dem Mönch wieder in die Kutte geschoben. Vielleicht brauchte er es ja noch, um seine Tränen zu trocknen.

      Die Männer der Besatzung und auch einige Soldaten begannen jetzt damit, die Pilger nach Waffen zu durchsuchen. Bei einigen wurden lange Messer gefunden, obwohl vorher noch einmal ausdrücklich auf das Verbot hingewiesen worden war. Die Messer wurden auf einen Haufen geworfen, und der Träger erhielt eine Maulschelle oder einen Tritt.

      Bei Luigi fanden sie nichts, und so wurde er weitergeschoben. In aller Ruhe sah er sich die Galeere an.

      Sie hatte drei Masten mit großen Segeln und unglaublich viele Ruderbänke. Auf dem achteren Deck befand sich ein großer Baldachin, wo etliche Uniformierte herumstanden. Ganz vorn, an einem Flaggemast, war eine Fahne mit einem großen Kreuz befestigt.

      Luigi wurde weiter nach vorn gestoßen. Er befand sich jetzt bereits auf dem Deck der riesigen Galeere, und damit in der Reihe derer, die ein Feldscher untersuchte.

      Entsetzt sah Luigi, daß ein ziemlich dürrer Kerl mit Pockennarben im Gesicht sofort zurückgewiesen wurde.

      „Kranke werden hier nicht befördert!“ schrie ihn der Feldscher an. „Zurück an Land mit dir, aber schnell!“

      „Ich habe meine Passage bezahlt“, kreischte der Dürre.

      Auf einen Wink des Feldschers griffen zwei andere Männer zu, und als sich der Pockennarbige verzweifelt wehrte, warfen sie ihn kurzerhand ins Wasser.

      Luigi zog sich die Kapuze über das Gesicht. Ihm war ganz elend zumute. Ganz sicher bestand er die Untersuchung auch nicht, und er würde nie ins Heilige Land gelangen, denn ein guter Arzt würde ihm sofort ansehen, daß er krank war.

      Was blieb also zu tun? Sich an den Feldschern vorbeimogeln?

      Das war die beste Möglichkeit. Er trat unauffällig zwei Schritte aus der Reihe und gab sich ganz fröhlich.

      „Hallo, Bruder Flavius!“ rief er. „Ich bringe dir das Brot!“

      Da war natürlich kein Bruder Flavius, obwohl sich ein paar Kerle neugierig umdrehten, als Luigi mit strahlendem Lächeln auf sie zuging.

      Der Feldscher, ein grauhaariger Mann, fiel jedoch nicht darauf herein. Er hatte wohl schon sehr üble Erfahrungen mit Pilgern hinter sich und ließ sich nicht mehr leimen.

      „Halt!“ donnerte er Luigi an. „Hiergeblieben! Erst ist die Kontrolle fällig, Bruder.“

      „Aber ich war doch bereits durch und bin nur noch einmal zurückgegangen“, sagte Luigi erstaunt. „Sie haben mich doch schon untersucht.“

      Der Grauhaarige grinste dünn, und als Luigi weitergehen wollte und dabei entschuldigend grinste, griff er blitzschnell nach seinem Arm.

      „Hiergeblieben!“ wiederholte er scharf.

      Der schwächlich gebaute Luigi konnte sich aus dem harten Griff nicht befreien.

      Der Feldscher griff nun auch mit der anderen Hand zu und riß Luigi mit einem Ruck die Kapuze herunter.

      „Warum versteckst du dein Gesicht, Bruder?“ fragte er dabei.

      Verzweifelt versuchte Luigi, die Kapuze wieder hochzuziehen. Es war zu spät, sie war schon herunter.

      Der Feldscher wechselte die Gesichtsfarbe und wurde sehr blaß. Er schluckte hart, als er Luigis Gesicht sah und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Fassungslos starrte er ihn an.

      Das Gesicht war auf eine seltsame Art verfärbt. Es war bläulich, fast düsterblau, mit kleinen blutigen Beulen und dunklen Flecken übersät.

      Der Feldscher wollte etwas sagen, brachte jedoch vor Entsetzen und Schreck keinen Ton heraus. Er hatte den Arm sinken lassen und starrte nur noch wie gebannt in dieses Gesicht, das mehr einer totenähnlichen Fratze glich.

      Deshalb also hatte der fromme Mann sein Gesicht verborgen und wollte sich an der Kontrolle vorbeimogeln. Dem Feldscher ging ein Licht auf, als er aus seiner Erstarrung erwachte.

      Kein Zweifel – dieser Pilger hatte die Pest! Innerhalb kürzester Zeit würde er alle anderen auf der Galeere anstecken. Sie würden Jaffa nur noch als Tote erreichen.

      Alle anderen auf der Galeere? Wie betäubt sann der grauhaarige Feldscher seinen unausgesprochenen Gedanken nach.

      Nein, dieser Kerl würde ganz Venedig mit der Pest anstecken. Eine Epidemie unvorstellbaren Ausmaßes würde über die Stadt hereinbrechen. Die tödliche Pestwolke würde weiter über das Land ziehen und Tausende und Hunderttausende dahinraffen.


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