Seewölfe - Piraten der Weltmeere 506. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 506 - Roy Palmer


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konnte heraus. Die Kerle feierten bereits ihren Sieg. Rädelsführer waren de Escobedo und Bastida. Die Stadt – bis auf das Gefängnis und die Residenz – gehörte ihnen. Viel schlimmer aber war in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß bei den Eingeschlossenen Uneinigkeit herrschte.

      „Uneinigkeit?“ fragte Marcelo. „Etwa zwischen Militär und Zivilisten?“

      „So ist es“, antwortete Echeverria.

      „Das hätte ich mir denken können“, flüsterte Marcelo.

      „Señor Capitán“, sagte der Arzt. „Ich muß Ihnen verbieten, weiter mit dem Teniente zu reden. Ich …“

      „Ach, scheren Sie sich doch zum Teufel!“ fuhr Marcelo den Mann an. Entrüstet verließ der Arzt daraufhin den Raum.

      Marcelo grinste schwach. „So, jetzt sind wir wenigstens ungestört.“

      „Sie sollten auf den Rat des Arztes hören“, sagte der Primer Teniente.

      „Ja, schon gut. Wenn ich richtig verstanden habe, verteidigen Sie mit der Garde und der Miliz die Residenz?“

      „Ja. Wir tun unsere Pflicht.“

      „Wie sieht es mit der Munition aus?“

      „Sie ist knapp bemessen.“

      „Proviant?“

      „Er geht zur Neige“, erwiderte Echeverria. „Auch am Trinkwasser wird es uns bald mangeln. Die vielen Bürger, die hier Schutz gesucht haben, haben die Vorräte kaum rationiert.“

      „Und wer ist der Sprecher der Bürger?“

      „Don Alfonso Cortés y Menacha.“

      Marcelo murmelte wieder einen Fluch. „Ausgerechnet der. Das hat uns gefehlt. Aber auch das habe ich mir ausmalen können.“

      Don Alfonso Cortés y Menacha war einer der Magistratsbeamten von Havanna. Ein behäbiger, zum Fettansatz neigender Mensch, der im Grunde seines Herzens alles andere als ein Kämpfer war. Sicherlich hatte er mächtige Angst vor den Kerlen, die die Residenz mit Drehbassen beschossen.

      „Don Alfonso würde sicherlich gern kapitulieren, wie?“ fragte Marcelo. „Ich könnte es mir jedenfalls vorstellen.“

      „Ja“, bestätigte Echeverria. „Aber genau das wollen die Belagerer ja erreichen.“

      „Fein haben sie sich das ausgedacht“, sagte Marcelo erbittert.

      „Don Cortés y Menacha weist immer wieder darauf hin, daß die Frauen und Kinder am meisten gefährdet seien“, erklärte der Primer Teniente. „Seiner Ansicht nach müßte es unser aller Bestreben sein, sie vor weiteren Entbehrungen zu bewahren.“

      Der Capitán hustete. „Und was erwartet unsere Frauen und Kinder Ihrer Meinung nach, wenn wir die Flagge streichen?“

      „Ich bin überzeugt, daß de Escobedo und seine ominöse Streitmacht keinen schonen werden“, erwiderte Echeverria ernst. „Ganz im Gegenteil. Sie werden wie die Teufel hausen, wenn wir aufgeben.“

      „Weitere Details können Sie sich sparen.“

      „Ja, Señor.“

      „Teniente“, sagte Marcelo. „Würden Sie sich zutrauen, mit einem Trupp ihrer besten Soldaten einen Ausfall gegen die Kerle zu unternehmen?“

      „Ja, Señor Capitán.“

      „Bedenken Sie, daß es ein Himmelfahrtskommando wäre.“

      „Ich weiß Bescheid“, entgegnete Echeverria. „Aber das schreckt mich nicht ab. Wenn Sie mir den Befehl geben, stelle ich sofort eine Einsatzgruppe zusammen.“

      Marcelo lauschte. Wieder ertönte das Krachen eines Schwenkgeschützes auf der Plaza. Die Kugel prallte hart gegen die Mauer. Der Capitán betrachtete den schwankenden Kronleuchter seines Raumes und blickte zu dem bereits von früheren Schüssen zertrümmerten Fenster.

      „Eigentlich können wir froh sein, daß es Sommer ist“, sagte er zu seinem Stellvertreter. „Sonst wäre es hier jetzt lausig kalt.“

      Echeverria mußte nun doch grinsen – trotz der prekären Lage, in der sie sich befanden. „Es freut mich, daß Sie Ihren Humor nicht verloren haben, Señor Capitán“, sagte er.

      „Die Kerle trinken also Wein?“ fragte Marcelo. „Das haben Sie doch eben gesagt, nicht wahr?“

      „Ja. Bastida läßt sich nicht lumpen.“

      „Je mehr Wein sie saufen, desto besser“, sagte Marcelo nachdenklich. „Warten Sie noch ein wenig ab, Teniente. Wenn die Hunde so richtig im Tran sind, können Sie es versuchen. Holen Sie sich aber vorher von mir die Bestätigung des Befehls.“

      „Jawohl, Capitán.“ Echeverria zeigte klar. Er war jetzt richtig stolz auf seinen Kommandanten. Himmel, Marcelo war ja wie umgewandelt!

      Capitán Don Luis Marcelo grübelte herum, nachdem Echeverria das Zimmer verlassen hatte. Welche Möglichkeiten gab es noch, den Belagerern ein Schnippchen zu schlagen? Offensichtlich keine. Anders wäre es gewesen, wenn man in der Residenz haufenweise Munition zur Verfügung gehabt hätte. Man hätte ein Zielschießen auf diejenigen Kerle durchführen können, die ihre Nase zu weit vorstreckten. Aber das hatte bei der Situation, in der die Eingeschlossenen waren, auch keinen Sinn. Zu leicht konnte der letzte Rest an Pulver und Kugeln vergeudet werden.

      Wenn ich doch bloß schon aufstehen könnte, dachte Marcelo immer wieder. Herrgott, wie lange muß ich hier noch liegen? Keiner wollte ihm eine Antwort auf diese Frage geben. Schon gar nicht der Arzt. Marcelo aber wußte zumindest das eine: etwas hatte sein Leben grundlegend verändert. Es mußte der Tod gewesen sein, den er so nah vor Augen gehabt hatte. Das wirkte sich auf die Geisteshaltung aus. Wenn ich es überstehe, dachte der Kommandant der Stadtgarde, fange ich ganz von vorn an.

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