Seewölfe - Piraten der Weltmeere 604. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 604 - Frank Moorfield


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Waffen überlagerten laute Flüche und anfeuerndes Gebrüll die sonst so friedliche Landschaft. Gnadenlose Axtkämpfe lagen in ständigem Wechsel mit heftigen Schwertduellen und Messerattacken.

      Mit zusammengepreßten Lippen sah Leifur Gunnarsson, wie einer seiner Brüder und zwei Knechte von Speeren getroffen zusammenbrachen. Niemand hatte Zeit, sich um sie zu kümmern. Er selber warf sich Egill, dem verkommen aussehenden Anführer der „Schwarzen Raben“, mit dem Schwert entgegen.

      „Stirb, du gottloser Halunke!“ brüllte er, aber Egill wich seinem wuchtig geführten Schwerthieb geschickt aus.

      Gunnarsson wirbelte flink herum und drang erneut mit kraftvollen Hieben auf den Oberschnapphahn ein. Dieser wehrte die heftigen Ausfälle zunächst erfolgreich ab, geriet aber bald durch die wilde Entschlossenheit Gunnarssons in ziemliche Bedrängnis. Dennoch kehrte das spöttische und hinterhältige Grinsen bald wieder in sein Gesicht zurück – dann nämlich, als ihm einer seiner Kerle zu Hilfe eilte.

      Für Gunnarsson nicht sichtbar, näherte sich ihm ein hochaufgeschossener, hagerer Bursche von hinten und hob die Faust mit dem Messer. Gunnarsson nahm ihn aus den Augenwinkeln heraus als Schatten wahr und versuchte noch, sich mit einem Sprung zur Seite aus der direkten Gefahrenlinie zu bringen, aber zu spät.

      Die Klinge des Messers fuhr mit einem brennenden Schmerz irgendwo zwischen seine Schulterblätter. Er spürte noch, wie sich seine Hand kraftlos vom Griff des Schwertes löste, dann glaubte er in ein endlos tiefes und dunkles Loch zu stürzen.

      Der Kampf um den Gunnarsson-Hof ging unerbittlich weiter. Die Chancen für seine Verteidiger würden von Minute zu Minute aussichtsloser. Je mehr die kleine Schar zusammenschmolz, desto verzweifelter wurde ihre Lage.

      Schon eine Stunde später standen alle Gebäude des Hofes, einschließlich der Stallungen und Vorratsschuppen, in Flammen. Die Plünderungsaktion der „Schwarzen Raben“ war bereits abgeschlossen. Alles, was Egill und seinen Kerlen brauchbar erschienen war, hatten sie auf dem Platz vor den Häusern zusammengetragen.

      Darunter waren die Waffen der Toten, die Vorräte an gepökeltem und luftgetrocknetem Fleisch, die geräucherten Fische und natürlich auch die zahlreichen Branntweinflaschen. Die Schafe, Ziegen und Schweine hatten die Schnapphähne, noch bevor sie den Hof in Brand steckten, aus den Ställen getrieben, um damit ihre Frischfleischvorräte zu ergänzen.

      Nachdem die „Schwarzen Raben“ schließlich mit mehreren Transportmärschen ihre Beute zu der kleinen Bucht gebracht hatten, in der ihr Schiff vor Anker lag, erinnerten nur noch schwelende Trümmerhaufen an den Gunnarsson-Hof.

      Der einzige männliche Hofbewohner, der den Überfall ungeschadet überstanden hatte, war der alte Knecht Bjarni. Zu schwach für einen harten Kampf, hatte er sich zu dessen Beginn im Gestein hinter dem Hof versteckt.

      Während die gnadenlosen Verbrecher zum Plündern in die Gebäude eingedrungen waren, hatte er es gewagt, seinen schwerverletzten und besinnungslosen Herrn, den er zunächst für tot gehalten hatte, mit letzter Kraftanstrengung in sein Versteck zu schleifen. Dort hatte er sofort damit begonnen, die blutende Wunde Gunnarssons mit dessen Hemd notdürftig zu verbinden.

      Jetzt aber, da von Egill und seinen Teufeln nichts mehr zu sehen war, rechnete er damit, daß auch die Frauen und Kinder bald aus ihren Verstecken zurückkehren würden. Vielleicht würde es mit ihrer Hilfe gelingen, den immer noch bewußtlosen Gunnarsson am Leben zu erhalten.

      Über alles, was über dieses Ziel hinausging, wagte der grauhaarige Bjarni noch nicht nachzudenken. Den Hof gab es nicht mehr, und so lag es wieder einmal in der Hand Thors, Odins oder auch des Christengottes, wie die Zukunft der wenigen Überlebenden aussehen würde.

       2.

      Unheil lag in der Luft. Der handige Nordostwind entwickelte bösartige Schärfe. Dunkle Wolken schoben sich drohend wie ein apokalyptisches Reiterheer über die Kimm. Ein seltsames Vibrieren lag über der fast schwarzen Wasserfläche des Nordmeeres.

      Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, beobachtete die langen weißen Schaumstreifen und zog die Brauen zusammen.

      „Nach gutem Frühlingswetter sieht das nicht gerade aus“, sagte er. Der Wind zerwühlte sein schwarzes Haar und zerrte zunehmend an den Lateinersegeln der dreimastigen Schebecke.

      „Dabei ist heute Sonntag“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn beinahe vorwurfsvoll. „In London lustwandeln die Jungfrauen am Ufer der Themse und pflücken im strahlenden Sonnenschein kleine Sträußchen Vergißmeinnicht.“

      Der Seewolf lächelte. „Vielleicht kannst du bald den isländischen Jungfrauen beim Pflücken von Eisblumen helfen. Die nordischen Maiden sollen nicht weniger hübsch sein als die englischen.“

      Dem Profos Edwin Carberry entlockte diese Bemerkung Hasards ein glucksendes Lachen.

      „Meinst du wirklich, Sir, daß unser guter alter Donegal eine Jungfrau von einer Windsbraut unterscheiden kann?“

      Bevor der Seewolf etwas darauf erwidern konnte, verzog Old Donegal das von Wind und Wetter gezeichnete Gesicht zu einem harten Grinsen.

      „Immerhin“, erklärte er, „habe ich auch meine hübsche Mary von den Windsbräuten unterscheiden können, nicht wahr?“ Er spielte damit auf seine späte Heirat mit Missis Mary Snugglemouse an. „Außerdem habe ich es wohl auch verstanden, auf die richtige Art und Weise mit diesem herzigen Weib – äh – umzugehen, wie das mein kleiner Edwin Shane beweist. Du aber, mein lieber Ed, kannst nicht mal einen weiblichen Hering von einer Klapperschlange unterscheiden, geschweige denn, eine holde Jungfrau von des Teufels Großmutter.“

      „Jetzt hat er dir’s aber gegeben, Ed“, sagte Hasard lachend. „Genaugenommen kann man ihm schlecht was entgegenhalten – zumindest, was den kleinsten und jüngsten O’Flynn betrifft.“

      Edwin Carberry winkte ab.

      „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn“, verkündete er. „Außerdem – vielleicht war’s auch gerade ein Sonntag. Einigen seiner Geschöpfe soll der Großlord da oben im Himmel an diesem Tag ja besonders gnädig gesonnen sein …“

      Der Seewolf unterbrach die Diskussion, indem er den Blick erneut zur Kimm richtete.

      „Dann wollen wir mal hoffen, daß wir auch ein bißchen von der Sonntagslaune des Großlords profitieren“, sagte er. „Brauchen könnten wir’s. Da braut sich nämlich was zusammen.“

      In der Tat – die Wolkenbänke, die sich heranschoben, wurden immer dichter und dunkler. Da die Seewölfe nicht zum ersten Mal das Nordmeer befuhren, konnten sie sich lebhaft vorstellen, was sich da auf sie zuschob.

      Vom norwegischen Bergen kommend, lagen sie Island an – das „Land aus Feuer und Eis“. Viele nannten die Insel so, weil auf ihr Gletscher und Vulkane einen ständigen Kampf um die Vorherrschaft führten.

      Die Seewölfe waren nicht allein auf diesem Törn. In ihrem Kielwasser, etliche Kabellängen hinter der Schebecke, folgte der Schwarze Segler des Wikingers, der den poetischen Namen „Eiliger Drache über den Wassern“ trug.

      Man hatte Thorfin Njal und seine Mannen samt der mandeläugigen Eurasierin Siri-Tong endlich getroffen. Der Wikinger hatte in Bergen eine Ladung Eisenerz bestellt, die er in die Karibik zu bringen gedachte.

      Vor ihrer Übernahme wollte er jedoch unbedingt einen Abstecher nach Island unternehmen, um auf dem im Isafjord gelegenen Thorgeyr-Hof, der Heimat seiner Frau Gotlinde, nach dem Rechten zu sehen. Er hatte die Arwenacks gebeten, ihn auf dieser Fahrt zu begleiten, zumal auch sie eine besonders enge Beziehung zu den Bewohnern des einsam gelegenen Hofes hatten.

      Daß die Fahrt, wie Carberry das ausdrückte, „ein bißchen stürmisch“ werden würde, bereitete den Arwenacks nur wenig Kopfzerbrechen. Schließlich hatten sie schon so manchen schweren Sturm abgewettert, seit sie die Weltmeere befuhren.

      Auch in der jetzigen Situation bedurfte es nur weniger Kommandos des Seewolfs. Jeder an Bord wußte, wo sein


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