Seewölfe - Piraten der Weltmeere 563. Fred McMason
nicht entziffern konnte, und so wandte er sich an Jung Philip.
„Was heißt denn das?“ wollte er wissen.
Jung Philip entzifferte das mühelos.
„Ibrahim – der stärkste Mann der Welt“, las er vor.
„Das möchte ich aber noch bezweifeln“, sagte der Profos spontan. „So was hat mir schon immer mißfallen. Wie will der Kerl wissen, daß er der stärkste Mann der Welt ist? Er hat doch noch gar nicht gegen alle gekämpft, der Rumtöner.“
„So steht es jedenfalls da, Mister Profos, Sir. Und darunter steht noch, daß derjenige ein Goldstück erhält, der Ibrahim besiegt.“
„Ein Goldstück?“ fragte Carberry interessiert. „Wir haben sowieso viel mehr Geld ausgegeben, als wir wollten. Ich habe kaum noch etwas. Da käme mir ein Goldstück gerade gelegen.“
„Mein lieber Ed“, sagte der Kutscher etwas von oben herab. „Du willst doch hier nicht gegen den stärksten Mann der Welt anstinken, nur weil es ein Goldstück dafür gibt. Wir haben noch genügend Geld bei uns, auch einige Perlen. Ich helfe dir gern aus und lade dich auch ein.“
„Von mir kannst du auch was kriegen“, sagte Smoky.
„Ich werde doch nicht meine Kameraden anpumpen“, entrüstete sich der Profos. „Nein, nein, das würde meine Autorität herabsetzen. Überall würde es dann heißen, daß sich der Profos bei seinen Arwenacks was gepumpt habe. Wie stehe ich denn da? Ich wäre unglaubwürdig, profillos, oder wie man das nennt.“
„Das ist doch Quatsch“, sagte der Kutscher. „Es ist völlig selbstverständlich, daß es unser gemeinsames Geld ist. Es gehört jedem von uns.“
Carberry schien richtig beleidigt – oder zumindest tat er so. Der Kutscher hatte ihn längst durchschaut, den Profos. Den juckte es wieder einmal in den Fäusten, und es ging ihm gegen den Strich, daß dieser Ibrahim mit der größten Selbstverständlichkeit behauptete, der stärkste Mann der Welt zu sein. So was ließ ein Edwin Carberry nicht auf sich sitzen. Zumindest war das einen Versuch wert. Hinterher konnte der Kerl das immer noch behaupten – vorausgesetzt, er hatte ihn, den Profos, wirklich flachgelegt.
„Behaltet nur euer Geld“, sagte Carberry lässig. „Ihr seid ja schließlich nicht meine Ammen oder Milchbrüder, denen ich auf der Tasche liegen muß, wenn mir mal ein paar Copper fehlen. Wo ist dieser Kerl überhaupt?“
„Die Schaukämpfe finden nur alle Stunde statt“, erklärte Philip. „In einer halben Stunde müßte es wieder soweit seih.“
„Verstehe“, sagte der Profos. „In der Zwischenzeit pumpt der Kerl wohl seine Rosinchen am Arm zu Muskeln auf. Na, den werde ich mir jedenfalls zumindest mal genau ansehen. Vielleicht ist das so ein hinterhältiger Kerl wie damals in Wyborg, dieser glatzköpfige Rummelboxer.“
„Dem hast du damals prächtig die Zähne gezogen“, sagte Smoky. „Dem ist das Rumtönen vergangen. Und Batuti hat es ihm auch kräftig besorgt.“
„Ich habe dafür jedenfalls kein Verständnis“, meinte der Kutscher. „Diese Kerle sind doch wie Bluthunde. Die prügeln jedem anderen die Seele aus dem Leib, weil sie mit gemeinen Tricks kämpfen.“
„Darauf warte ich ja bloß“, tönte Carberry. „Miese und hinterhältige Tricks kann ich auf den Tod nicht ausstehen.“
Der Profos war von seiner Idee nicht mehr abzubringen. Was er sich in den Schädel gesetzt hatte, das boxte er auch durch. In der Beziehung war er genauso stur wie der alte O’Flynn.
„Wollen wir nicht lieber weiterziehen?“ fragte der Kutscher. „Es gibt hier noch herrliche Plätze.“
„Die gibt es in einer Stunde auch noch“, versicherte Carberry. „Die herrlichen Plätze laufen uns nicht davon.“
Mit dem Profos war nicht mehr zu reden. Der war schon jetzt ungeduldig und lauerte darauf, daß er den Kerl zu sehen kriegte. Er hatte den Hals hochgereckt und versuchte, in das Innere der Bude zu spähen. Doch dahinter war alles dunkel.
Es dauerte nur noch fünf Minuten, dann tat sich endlich etwas. Ein verwachsener kleiner Mann mit einem riesigen Buckel verkündete lauthals, daß Murad, der Kettensprenger, gleich auftreten werde.
Inzwischen hatten sich etliche neugierige Zuschauer eingefunden, die sich um die Bude drängten. Auch ein paar Langfinger waren dabei, die die Gunst der Stunde sofort nutzten.
Edwin Carberry spürte, wie sich ganz vorsichtig eine Hand in seine Hosentasche senkte, die unendlich feinfühlig nach Münzen suchte.
Der Profos griff zu und hielt die Hand fest. Dann drehte er sich langsam um. Hinter ihm stand ein verlegen grinsender Kerl mit einem Mottenbart, der heftig zu zittern begann.
Carberry hielt die Hand fest und begrüßte den Bartträger wie einen, den er schon lange nicht mehr gesehen hatte.
„Fein, dich hier zu treffen, Rübenschwein“, sagte er wohlwollend.
Und dann drückte er zu. Der Profos konnte fast aus Steinen Wasser quetschen. Aber der Klauer war von der weichen Sorte. Ein greller Schmerz durchfuhr ihn, und dann schoß ihm das Wasser in die Augen und perlte wie ein Sturzbach in seinen fusseligen Bart.
Der Profos drückte grinsend weiter, bis der Taschendieb winselnd in die Knie ging und weitere Tränen vergoß. Erst als er ihm die Hand so gequetscht hatte, daß er sie in den nächsten Tagen nicht mehr brauchen konnte, ließ er los. Zum Abschied stieg er dem Kerl noch einmal kräftig auf die Zehen.
„Was ist denn los?“ fragte der Kutscher irritiert, als er den winselnden Kerl sah, der sich vor Schmerzen krümmte.
„Ein alter Bekannter“, sagte der Profos. „Er ist ganz gerührt, daß er mich wiedergesehen hat.“ Er stand immer noch auf dem rechten Fuß des Mannes, der kaum noch Luft kriegte.
„Ein Bekannter – hier, in Istanbul?“ Der Kutscher starrte den Mann zweifelnd an.
„Das sind überall die gleichen Bekannten“, sagte Carberry. „Er hat gerade versucht, mich zu beklauen, aber das war wohl nichts. Brauchst du den Honigtopf noch, Luke?“
Bevor Luke antworten konnte, nahm ihm der Profos den Topf mit türkischem Honig ab, drehte ihn um und setzte ihn dem Kerl auf.
Die Menge schrie Beifall und lachte, als der Taschendieb den Topf auf dem Schädel hatte.
Carberry drehte ihn ein paarmal um seine Achse und sah angewidert zu, wie dem Kerl der zähe und klebrige Honig ins Hemd rann. Dann gab er ihm einen Tritt in die Kehrseite.
Unter dem brüllenden Gelächter der Zuschauer segelte der Kerl ab, landete an einem Posten und stülpte sich durch den Anprall den Topf noch fester auf den Schädel. Er zerrte vergeblich daran, er kriegte das klebrige Ding nicht mehr ab, und so taumelte er ziellos über den Platz und rempelte die Leute an.
„Kleine Sondereinlage“, sagte der Profos freundlich. „Wer mich beklauen will, der muß wesentlich früher aufstehen.“
Der Kerl verschwand irgendwo in der Menge. Unter dem Honigtopf klangen erstickte Laute hervor, und das freute die Menge. Einige nahmen an, das sei so beabsichtigt.
Dann erschien Murad, der Kettensprenger.
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